Читать книгу Umwege zu R. - Ulf Häusler - Страница 14

Оглавление

4. Kapitel

Glück muss der Mensch haben. Nephele hatte es, denn Sie hatte tatsächlich in der größten Klinik in Paphos eine Stelle als Physiotherapeutin ergattert, wo sie ihre zwei Jahre absolvieren konnte, bevor sie ihre Approbation erhielt. Und die wollte sie unbedingt haben, weil sie nur dann mal eine eigene Praxis würde betreiben können. Der in Nicosia erworbene Grad eines Bachelor of Science in Physiotherapy war zwar gut und schön, aber sich so ganz ohne praktische Erfahrung mal später selbstständig zu machen, schien ihr doch arg gewagt. Wobei sie noch gar nicht wusste, ob sie das jemals machen wollte, aber es schien ihr gut und richtig, dafür die Voraussetzungen zu erwerben. Und der erworbene Grad ohne Approbation wäre ohnehin sinnlos.

Anfangs war sie jeden Morgen mit ihrem Vater mitgefahren und der hatte sie abends auch immer brav wieder mit nach Hause genommen. Sie hatte zwar kurz mal daran gedacht, sich in Paphos eine kleine Wohnung zu nehmen, aber eigentlich hätte dafür ihr relativ bescheidenes Monatssalär kaum gereicht. Und ihren Dad um Unterstützung zu bitten – das ging schon mal gar nicht, es hätte ihren Stolz viel zu sehr verletzt. Außerdem hätte der Herr Papa ganz sicher wenigstens drei Mal in der Woche eine Bemerkung fallen lassen, dass sie doch besser einen Beruf erlernt hätte, der wenigstens eine Person ernähren könnte. Und schließlich fühlte sie sich zu Hause ohnehin am wohlsten, einmal wegen ihrer Familie, nämlich Mutter, Bruder und Danae, ihr geliebtes Pferd kam hinzu und quasi ‚on top‘ lebte ihre beste Freundin Alexa in Pissouri, nur wenige km von Plataniskia entfernt. Die war zwar meist nicht zu Hause, weil sie in Athen Medizin studierte, aber in den Semesterferien waren die zwei nach wie vor fast unzertrennlich.

Vater Achilleas Mantalos litt ein wenig unter seinen Chauffeurs-Diensten, weil er morgens meist weit über eine Stunde früher losfahren musste. Bisher hatte er seinen Einsatz halbwegs willig auf sich genommen. Zumal er auf Nephele eigentlich recht stolz war, obwohl sie sich dem Jurastudium widersetzt hatte – ihm imponierte es irgendwie, dass sie sich ihm gegenüber seinerzeit mit ihrem Ausbildungswunsch durchgesetzt hatte.

Nephele musste drei Wochen im Monat morgens um 7.30 Uhr ihren Dienst beginnen, ihr Dad war immer erst um 8 Uhr losgefahren. In einer Woche im Monat begann sie erst am Spätvormittag zu arbeiten.

Seitdem Achi nun meist schon um ½ 8 im Büro aufkreuzte, hatte er eines Tages ziemlichen Ärger mit seiner Sekretärin bekommen. Sie war bisher in aller Regel erst um 8.15 erschienen, um als erste Amtshandlung ihrem Chef seinen Café zu servieren, wenn er um ½ 9 Uhr aufkreuzte.

„Also Herr Doktor“, - normalerweise waren sie längst per ‚Du‘ - „das geht so nicht. Ich bin nun schon bald 60 Jahre alt. Und seit ich vor nun bald 30 Jahren zum ersten Mal Chefsekretärin wurde, kamen meine Chefs immer erst um 9 Uhr. Du bist schon immer eine halbe Stunde früher gekommen. Das ging ja noch so eben gerade. Aber ½ 8 – also was zu viel ist, ist zu viel. Entweder hast Du morgens eben keinen Café mehr oder Du kommst wieder zu ½ 9, besser erst um 9. Das mit ½ 8 muss ich mir nicht gefallen lassen.“ Zornbebend stand sie vor ihrem Chef und war gespannt, was der nun wohl erwidern würde.

Erst mal grinste er nur.

„Ich meine es ernst, Achillea Mantalo. Mir ist nicht zum Lachen.“

Sie schaute jetzt bitterböse, die Hände in die Hüften gestemmt.

„Aber, aber, liebe Niobe. Wer wird denn gleich so bitterernst werden.“

„Das ist keine Antwort.“

„Weiß ich. Aber es ist doch wegen Nephele.“

„Weiß ich auch. Aber das löst mein Problem nicht. Und Nephele ist noch ein junges Ding. Die kann genauso gut mit ihrem eigenen Wagen fahren.“

„Den haben wir nicht mehr durch die MOT-Prüfung bekommen. Er wurde verschrottet.“

„Dann kauf ihr einen neuen. Geld hast Du ja wohl genug.“

„Also erstens bin ich ein armer Teufel…“

Niobe lachte jetzt laut auf:

„Mir treten gleich die Tränen der Rührung in die Augen.“

„ …und zweitens will Nephele das nicht, weil sie dann wieder das Gefühl hat, auf Papas Tasche zu liegen.“

„Ist mir egal. Dann lass Dir was einfallen.“

„Ich wüsste was.“

„Was denn?“

„Das dauert aber ein bisschen. Ich vergesse einfach in den nächsten Wochen ein paar Mal, sie abends wieder mit nach Hause zu nehmen. Das nervt sie mit Sicherheit.“

„Und wieso kommst Du dann nach drei Wochen erst wieder um ½ 9?“

„Wenn ich ihr dann wieder ein eigenes Auto anbiete, wird sie es gerne annehmen, um nicht mehr als vernachlässigte Tochter in Paphos zurückzubleiben. Zwar wird sie ein wenig über ihren trotteligen Vater herziehen, aber was tut man nicht alles, um seiner Sekretärin willen.“

„Und Du meinst, das funktioniert?“

„Bin mir ziemlich sicher.“

Niobe lächelte, sichtlich erleichtert.

„Willst Du jetzt Deinen Café? Vielleicht einen Doppio?“

„Ja gerne.“

Papa Achi vergaß seine Tochter. Das erste Mal noch am selben Tag. Es war ihr nichts anderes übrig geblieben, als mit dem Bus bis Pissouri zu fahren. Dort rief sie ihre Mom an.

„Kannst Du mich hier abholen? Dad hat mich nämlich versetzt.“

Ihre Mom tat, wie ihr geheißen.

„Na, Dein Vater wird keinen schönen Abend vor sich haben.“ kommentierte sie die väterliche Vergesslichkeit.

Dass Helena von ihrem Göttergatten Achilleas längst eingeweiht war und der ihr auch die Gründe dargestellt hatte, musste Nephele erst einmal nicht wissen.

Nephele reagierte beim Abendessen ihrem Vater gegenüber höchst gereizt, ihre Mutter schimpfte ihn gehörig aus.

In der darauffolgenden Woche wiederholte sich das ‚Spielchen‘. Der Ton wurde etwas rauer. Und der Papa wehrte sich: So etwas könne ja mal vorkommen und außerdem habe er gerade sehr viel Ärger mit einem seiner Mandanten und sie solle sich nicht so anstellen. Sondern froh sein, dass er sie immer chauffiere.

Achi hatte inzwischen für Nephele ein Auto gekauft. Einen sehr hübschen kleinen Austin Mini-Cooper als Cabrio. Allerdings gebraucht, neu war ihm das doch ein wenig zu viel des Guten.

In der dritten Woche schaute Nephele wieder vergeblich nach dem großen Range Rover des Herrn Papa.

‚Hat der mich schon wieder vergessen!?‘ dachte sie und hätte am liebsten geheult, weil sie ausgerechnet heute mal wieder mit ihrer Freundin Alexa zusammen sein konnte, die für ein verlängertes Wochenende aus Athen gekommen war.

Sie wollte gerade zur Bushaltestelle rennen, als sie einen feuerroten Mini, offen, Dad am Steuer, laut hupend, um auf sich aufmerksam zu machen, angefahren kommen sah.

„Was soll das denn, Dad?“

„Der Rover ist in der Werkstatt. Da haben die mir den hier geliehen. Kannst Du fahren? Ich hab ein bisschen Schwierigkeiten mit der Schalterei – mir fehlt die Automatik.“

„Klar, gern Dad.“

Nephele genoss die Fahrt. Sie fand es herrlich, in der abendlichen warmen Luft ‚oben ohne‘ zu fahren. Ihr Dad saß daneben und grinste.

„Na, das macht dem jungen Fräulein wohl Spaß.“

„Musst Du zugeben – ist doch viel schöner als das ‚Dickschiff‘, mit dem Du immer rumkutschierst. Hör nur mal, wie schön der schnurrt.“

„So etwas hättest Du wohl gern?“

„Weiß nicht. Ist glaub ich viel zu teuer für mich.“

„Aber mit einem eigenen Auto wärst Du unabhängig von mir.“

„Ach Dad.“

„Ach Töchterlein.“

„Der kostet doch sicher sogar gebraucht über 10.000 Euro.“

„Ich frag morgen mal, wenn ich ihn zurückbringe. Ich denke, er ist viel billiger.“

„Aber ich hab momentan höchstens nur 3.000.“

Als sie am nächsten Vormittag wieder im offenen Cabrio nach Paphos fuhren, lud Achi seine Tochter an der Klinik ab und fuhr zu dem Autohändler, wo er seinen Range Rover abgestellt hatte.

„Du willst ja 11.500 für die Karre haben, Ioanni. 10.000 und ich nehme sie.“

„Dr. Mantalo, lieber Freund Achillea, sorry – also 11.000, darüber können wir reden.“

„10.000.“

„10.750.“

„10.500.“

„Mensch Doktor, willst Du mich ruinieren? Aber gut, weil Du’s bist, Achi. 10.500.“

„Ok. Aber unter einer Bedingung.“

„Oh, bitte nicht. Die wäre?“

„Ich brauche eine Rechnung auf den Namen Nephele Mantalos über 3.900 Euro. Und eine zweite auf meinen Namen über 6.600 Euro.“

„Warum das?“

„Meine Nephele will sich nichts schenken lassen. Und sie hat nur 3.000 momentan.“

„Ok, machen wir so.“

„Das war die erste Bedingung.“

„Was denn nun noch?“

„Bis heute Abend muss er auf Nephele Mantalos zugelassen sein.“

„Wenn Du mir ihren Ausweis gibst, schaffe ich das vielleicht.“

„Ausweis habe ich nicht. Und wie Du das ohne das Papier hinbekommst, ist Dein Problem. So ein wenig Schmierstoff wirst Du doch wohl noch haben.“

„Achi, wenn ich Pech habe, kostet mich das 300 Euro!“

„Ja, ja, Ioanni, das Leben ist teuer und schön. Man kann’s auch billiger haben, aber dann ist’s nicht mehr so schön. Ich hol die Karre aufgetankt und gewaschen um 17 Uhr ab. Alles klar?“

„Aber Achi…“

„Nix ‚aber‘, Ioanni – see you later.“

Um 17.00 war Achi bei Ioannis und das Cabrio strahlte ihn frisch gewaschen und zugelassen an.

„Na prima. Geht doch, mein Lieber.“

„Noch so ein paar Kunden wie Dich und ich bin pleite.“

„Noch so ein paar Kunden wie mich und Du kannst Dich auf den Bahamas zur Ruhe setzen.“

Sie lachten jetzt beide.

Als ihr Dad schon wieder mit dem Cabrio ankam, tauschten Nephele und er wieder die Plätze, um erneut nach Plataniskia zu fahren.

„Ich hab das Auto gekauft – er gehört jetzt Dir. Ich bekomme 3.900 Euro von Dir.“

„Wie – das glaub ich jetzt nicht Dad. Wieso kostet der nur 3.900?“

„Angeblich ist es ein Unfallwagen. Aber der Vorbesitzer hat die Unfallfreiheit nicht nachweisen können, so hat ihn der Händler nur als unfallgeschädigt reingenommen. Er meint, er sei aber unfallfrei.“

„Und das soll ich Dir glauben?“

„Wenn wir zu Hause sind, gebe ich Dir die Rechnung.“

„Hm. Und wo nehme ich die 900 her, wo ich doch nur 3.000 habe?“

„Nimmst Du von dem versprochenen Zehrgeld für die versprochene Reise. Bis Du endgültig fertig bist mit Deinen zwei Jahren Praktikum und die Reise antrittst, hast Du die locker wieder angespart.“

„Also Du verrechnest die jetzt mit Euerm Geschenk an mich? „So ist es.“

„Ich muss mal eben anhalten, Dad.“

„Warum? Und wo bitteschön?“

„Auf dem Standstreifen. Ich muss Dich nämlich mal drücken.“

Die Welt war wieder heil und in Ordnung. Nephele war selig über ihr schönes Auto, das sie als ‚Schnäppchen‘ bekommen hatte, Achis Sekretärin Niobe war happy, dass ihr Chef wieder zur gewohnten Zeit ins Büro kam, und nach 2 ¼ Jahren war Die ‚Lehrzeit‘ der jungen Physiotherapeutin vorbei, sie verdiente jetzt ganz manierlich, kündigte aber ihren Job, weil sie erst einmal die versprochene Reise antreten wollte. Sie hatte sich für zwei Wochen Paris und anschließend für Deutschland entschieden, auch um ihre in der Schule erworbenen Deutschkenntnisse aufzufrischen. Obendrein hatte sie noch einen Hintergedanken ausgebrütet, aber niemandem davon erzählt – außer der Freundin Alexa. Die hatte nur gemeint, das wäre ganz schön ‚spinnert‘.

„Nephele, Du musstest ja immer schon so ein wenig die eingetretenen Pfade verlassen. Und ausreden kann man Dir ja sowieso nichts.“

„Und das schon mal gar nicht.“ hatte sie der Freundin erwidert.

Umwege zu R.

Подняться наверх