Читать книгу Umwege zu R. - Ulf Häusler - Страница 24

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12. Kapitel

Prof. Dr. Mertens und Fietje hatten es gerade noch so geschafft, die Abendmaschine der LH nach Larnaca zu erreichen. Ziemlich abgehetzt und arg von der ausgerechnet heute ‚innigen‘ Sicherheitskontrolle genervt, hatten sie in Reihe eins ihre Plätze eingenommen, beide jeweils am Fenster, da die Business-Class ziemlich leer war. So konnten sie wenigstens die Beine schräg ausstrecken. Mertens hatte sich sofort in Schlafposition begeben, Fietje war ein bisschen aufgedreht – er blinzelte in Richtung der Stewardess – langbeinig, blond, hübsch. ‚Von der Sorte kommen zwölf auf ein Dutzend. Immerhin mein Beuteschema‘. dachte er.

Nephele hatte sich im Cockpit aufgehalten und die ganze Begrüßungsarie einer Kollegin überlassen, die schon stolze vier Wochen lang flog. Einerseits war sie froh, weil sie anschließend drei volle Tage auf Zypern sein konnte – ihr Einsatzleiter hatte es hinbekommen, dass eine andere Kollegin, deren Urlaub auf Zypern zu Ende ging, sie auf dem Rückflug heute ersetzen konnte. Andererseits war sie auch frustriert, weil ihre gesamte Crew für sie erstmals nur aus Anfängerinnen bestand, auch die sie bei der Begrüßung der Fluggäste vertretende Kollegin Heidi hatte noch zu wenig Erfahrung, um die Business-Class zu übernehmen. Also musste Nephele wohl selbst ran.

Heidi hatte alles perfekt abgewickelt, einschließlich der Sicherheitshinweise. Sie verschwand dann im hinteren Teil der Kabine, Nephele schaute, als sie das Cockpit verließ, kurz in Richtung der Passagiere und platzierte sich dann, da die Maschine inzwischen schon Richtung Runway unterwegs war, auf dem für die Flugbegleiter reservierten Platz, schnallte sich an und dann schwirrten ihre Gedanken ab nach Hause.

Es dauerte nicht allzu lange bis die Maschine die Reiseflughöhe erreicht hatte. Dummerweise war es draußen ziemlich böig, sodass Kapitän Wilhelm die Passagiere bat, die Anschnallgurte nicht zu lösen.

Mit einem kurzen Blick hatte Nephele festgestellt, dass sie nur acht Passagiere in der Business-Class hatte, davon – das wusste sie aus der Passagierliste - einen HON und zwei Senator-Class, die anderen fünf waren offenbar Gelegenheitsflieger. Die zwei in der ersten Reihe hatte man ihr besonders ans Herz gelegt – der ältere Herr, der HON war obendrein wohl ein guter Bekannter ihres allerobersten Chefs. ‚Sieht so aus, als ob er durchschläft.‘ dachte sie sich. ‚Und der junge Mann schon Senator-Flieger – huch, der sieht aber gut aus.‘ Er schien noch nicht zu schlafen – blinzelte stattdessen ein wenig zu ihr hin.

Sie hatte inzwischen die ersten vier Gläser mit Champagner gefüllt – drei wurde sie nur los, alle anderen Passagiere nickerten bereits oder hatten dankend abgelehnt. Der junge Mann hatte zugegriffen, plötzlich einen puterroten Kopf bekommen und strahlte sie so süß frech, dabei aber auch so freundlich an, dass Nephele nun auch ganz rot wurde. ‚Was ist denn nur los mit mir.‘ dachte sie und hatte plötzlich ganz weiche Knie.

Fietje war es auf einmal ganz komisch zumute. Sein Kopf glühte immer noch. ‚Seit wann macht mir denn ein Gläschen Champus Probleme? Das muss diese Stewardess sein. ‘ Seine Gedanken überschlugen sich, sie sprangen völlig wirr durch seinen Kopf. ‚Die schönste Frau, die ich je gesehen habe‘. war die Erkenntnis, zu der er nach wenigen Sekunden gelangte. Und plötzlich kam ihm ein weiterer Gedanke: ‚Die würde ich heiraten. Mit der würde ich irre gern richtig schlafen. Aber solche Frauen sind doch längst vergeben.‘ Trotzdem wurde er immer euphorischer. Sein Schwarm war inzwischen in der Bordküche verschwunden.

‚Das ist ein Mann – so einen hab ich noch nie erlebt. Aber der wird sich für Dich, Du doofe Nuss, ganz sicher nicht interessieren. So einer ist doch längst in festen Händen. ‘

Nephele war inzwischen so unruhig, dass sie kaum richtig stehen konnte. Sie war immer noch puterrot und total aufgeregt.

Plötzlich stand der junge Mann mit seinem Glas vor ihr in der Küche.

„Kann ich wohl noch ein zweites Glas bekommen?“

„Klar, gerne.“

Es musste ja so kommen. Kapitän Wilhelm hatte nicht umsonst die Anweisung gegeben, dass alle Passagiere angeschnallt bleiben sollten. Die Maschine geriet plötzlich in eine richtige Turbulenz mit der Folge, dass die Fluggäste auf ihren Sitzen ordentlich durchgeschüttelt wurden, Fietje flog mit dem Rücken voll an eine Wand der Küche, Nephele folgte ihm ungewollt und knallte ziemlich heftig auf ihren Fluggast und wäre, vor allem auch wegen ihrer immer noch wackeligen Knie, vor ihm auf dem Boden gelandet, wenn er sie nicht einfach fest umklammert hätte. Er hielt sie einfach weiter fest im Arm – ihr so hübscher kleiner und strammer Busen in seinem Bauch – Fietje wurde wieder ganz rot, sie war es ohnehin immer noch – er ließ sie immer noch nicht los. Und hatte irgendwie das unbestimmte Gefühl, dass ihr seine Umarmung ganz gut gefiel.

„Sie können mich wieder loslassen.“

„Oh – Entschuldigung.“ stammelte er immer noch völlig verwirrt. Was ihn nun völlig irritierte: Er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, sich jemals dafür entschuldigt zu haben, ein hübsches Mädchen oder eine gutaussehende junge Frau zu umarmen.

„Bitte setzen Sie sich und schnallen Sie sich wieder an.“

„Und mein zweites Glas?“

„Bekommen Sie gerne, aber erst, wenn Sie brav meine Anweisung befolgen.“

„Also weniger brav, also so wie eben, fände ich aber viel schöner.“

„So so.“

‚Verdammter Mist, jetzt werd ich ja schon wieder so rot – wie ein 15-jähriges Schulmädchen. ‘ Nephele war langsam wütend – auf sich selbst, dass dieser süße Bengel sie so aus dem Gleichgewicht brachte.

„Ist doch wenig los. Können Sie sich nicht ein wenig zu mir setzen?“ Fietje lächelte sie jetzt ganz unschuldig aussehend an.

‚Flirtet der etwa mit mir?‘ Nepheles Kopf fühlte sich an, als ob sie Fieber hätte, ‚langsam sollte ich mal wieder normal denken. ‘

„Kann ich nicht. Ich bin schließlich im Dienst.“

„Schade. Können wir uns nicht mal treffen?“

„Sie wollten sich doch wieder hinsetzen.“

„Will ich nicht. Ich soll mich setzen. Tu ich auch gleich. Darf ich Sie vorher noch einmal festhalten?“

„Dürfen Sie nicht.“

„Aber es könnte noch eine Turbulenz kommen. Und ich will nicht, dass Sie etwa stürzen.“

„Ich pass schon auf.“

Nephele schob ihn in Richtung Reihe 1 zu seinem Platz. Er setzte sich jetzt wirklich.

Fietje hatte sein leeres Glas mitgenommen. Nephele kam mit der Champagnerflasche. Wieder ruckelte die Maschine ein wenig und so war das Malheur wohl unausweichlich: Der Champagner landete nicht im von Fietje hingehaltenen Glas, sondern direkt daneben auf seiner Hose, auch noch in deren unterem Teil und auf dem Sitz.

Nephele wurde wieder so rot, dass ihr hübscher Kopf von einem leuchtenden Lampion kaum zu unterscheiden war.

„Oh, entschuldigen Sie bitte, das tut mir ja so leid.“ und schon war sie mit der Flasche verschwunden, um mit einem Handtuch zurückzukommen. Sie beugte sich zu ihrem Fluggast und begann, erst tupfend, dann reibend, Schadensbegrenzung zu betreiben.

‚Hm, riecht die gut…‘ war Fietjes Gedanke und weibliches Odeur gepaart mit einem aufreizenden Haaransatz in einem überaus zarten Genick bewirkten, dass es unter seiner Hose in der von liebreizender Hand bearbeiteten Region arg eng wurde.

Fietje stand auf, nahm ihr das Handtuch ab, um das Werk in Eigenregie fortzusetzen. Es blieb dunkel, feucht und klebrig.

„Hätten Sie denn heißes Wasser?“

„Ja, bitte kommen Sie mit.“

In der Küche übernahm Nephele wieder die Regie, sie versuchte redlich, das Missgeschick wenigstens so weit zu beheben, dass ihr Passagier wieder halbwegs manierlich aussehen würde. Was allerdings Fietje nun fast in Panik versetzte, weil sich unter seiner Hose seine Manneszier immer deutlicher abzeichnete. Nephele wäre am liebsten in einem Mauseloch verschwunden, denn was sich da hervorwölbte, war beim besten Willen nicht zu übersehen. Es gab aber kein Mauseloch. Fietje nahm ihr das Handtuch wieder ab und vollendete die Reinigungsprozedur.

„Oh entschuldigen Sie bitte – das ist mir ja alles so peinlich.

Kann ich noch irgendetwas für Sie tun?“

Fietje lächelte sie jetzt so lieb an, dass sie schon wieder rot wurde und dann umarmte er sie einfach und als sie ihn ganz verwirrt anschaute, küsste er sie.

‚Was macht der denn? Oh, ist das schön. Nein das darf der doch nicht. ‘ Inzwischen war er mit seinem Kuss fertig. Er wollte sie gerade nach ihrer Telefon-Nummer fragen, und schaute sie richtig liebevoll an, fand sie. Und dann passierte es: Sie holte aus und versetzte Fietje eine schallende Ohrfeige, drehte ihn, der jetzt völlig verdattert war, herum und schubste ihn aus der Galley.

Nephele war über sich selbst ganz entsetzt. Diese stockkonservative zypriotische Erziehung. Führte zu so einer verrückten, blöden Tat. Die dienstlich absolut unentschuldbar war. Sie war offenbar durch diesen süßen Himmelhund völlig durch den Wind. Hatte man ihr nicht eingebläut, niemals in ein hingehaltenes Glas einzuschenken, sondern es selbst in die Hand zu nehmen? Und obendrein war ihr Bauch völlig in Aufruhr geraten, als sie ihn da unten abrubbelte und merkte, was bei ihm los war. Sie wollte weg. Nur noch weg. Und ärgerte sich erneut über sich – sie ging nach hinten, um Heidi zu beauftragen, ab jetzt die Business-Class zu übernehmen.

Die konnte auch das Essen servieren. Und als sie nach hinten losmarschierte, schaute ‚ihr‘ Passagier, irgendwie wieder so liebevoll und traurig, lächelte sie an und sie lächelte tatsächlich zurück…

‘Du dummes Ding, was soll das, hast jetzt nur Ärger, der Kerl ist längst verheiratet, hat zu Hause drei Kinder und Du schwärmst wie ein Backfisch. Musst jetzt obendrein eine Meldung schreiben und was der Sultz wohl zu einer prügelnden Chefstewardess sagt? Na ja, vielleicht fliegst Du jetzt raus. Mom und Dad werden sich sicher freuen. ‘

Prof. Mertens war inzwischen wach geworden und hatte es in der Küche klatschen hören. Und sah dann Fietje sehr brav wieder Platz nehmen. Und es entging ihm auch nicht, dass eine traumhaft schöne Stewardess den Gang entlang lief Richtung Economy, ihn übersehend, aber Fietje anlächelnd, bevor sie hinter dem trennenden Vorhang verschwand. Zusätzlich war ihm nicht entgangen, dass sein Adlatus auf der ihm zugwandten Seite deutlich ‚errötet‘ war und vorn eine klatschnasse Hose hatte. ‚Der wird doch nicht…? Nein, glaube wohl eher nicht. ‘

„Was ist denn mit Dir passiert? Du siehst ja aus…“

„Mir ist der Champus auf der Hose gelandet. Und da haben wir versucht, ihn wieder rauszureiben.“

„So, so. Und wer ist ‚wir‘, wenn man fragen darf?“

„Die Stewardess und ich.“

„Aha. Ist der das Malheur passiert?“

„Ja.“

„Das erklärt aber nicht Deine feuerrote Backe links. Sag mal – ist da einer frech geworden?“

„Wie kommen Sie denn darauf, Chef? Ich bin bei einer Turbulenz an die Küchenwand gedonnert.“

Mertens musste jetzt lachen.

„Mensch Fietje – für wie doof hältst Du mich eigentlich? Die Wand der Bordküche ergibt doch keinen Abdruck, der nahezu perfekt 5 Finger abbildet.“

Fietje war jetzt puterrot angelaufen.

„Ich höre…“

„Ach Chef…“

„Das beantwortet meine Frage noch nicht.“

„Muss ich denn auf jede Frage antworten?“

„Da es sich nicht um etwas Geschäftliches handelt, musst Du nicht antworten.“ Mertens hatte die Betonung auf das Wort ‚musst‘ gelegt. „Ich werde aber Irmi Hermann berichten und die wird es dann aus Dir rausleiern.“

„Sie sind doch sonst nicht so unfair.“

„Stimmt. Aber ich werde Dir jetzt sagen, was passiert ist.“

„Nicht so laut Chef, Die Stewardess, die jetzt da ist, hört ja jedes Wort.“

Fietje hatte sich nun neben Prof. Mertens gesetzt.

„Du hast ‚Griffe gekloppt“ und da hat sie Dir eine geklebt.“

„Hab ich nicht.“

„Wie – wolltest Du fummeln? Wird ja immer schöner.“

„Hätt ich gerne. Hab mich aber nicht getraut.“

„Und wie ist dann der Fingerabdruck entstanden?“

„Hab sie geküsst.“ Tiefrot im Gesicht, sich nun doch offenbar ein wenig schämend, kam das Geständnis fast im Flüsterton. „Und da hat sie Dir eine gelangt.“

„Nö.“ kam es fast trotzig zurück.

„Und der Fingerabdruck?“

„Sie hat ganz stillgehalten. Ich glaub, sie fand das auch so schön wie ich.“

„Hm…?“

„Na ja, dann hat sie mich auf einmal von sich weggeschoben und mir ganz plötzlich eine verpasst. Kam völlig überraschend.“

„Finde ich nicht. Die ist ziemlich sicher keine von Deinen sonstigen Tussis und Deutsche vermutlich auch nicht. Und wenn die aus einem Land kommt, wo noch die griechischorthodoxe Kirche das Sagen hat, ist es ein Wunder, dass es überhaupt so weit gekommen ist.“

„Ach Chef…“

„Schau mich mal an.“

Fietje drehte sein Gesicht zu Mertens.

„Warum?“

„Mensch Fietje – die hat Dir nicht nur eine geknallt, sondern… - ach, geht mich nichts an.“

„Was meinen Sie denn da?“

„Willst Du’s wirklich wissen?“

„Klar.“

„Bei Dir hat der Blitz eingeschlagen.“

„Hm…?“

„Du bist verliebt bis über beide Ohren.“

Fietjes Gesicht wurde nun dunkelrot und er musste ziemlich grinsen. Hätte er ein ernstes Gesicht gemacht, hätte man es auch als Zornesröte deuten können.

„Chef, bei allem Respekt – aber das ist totaler Blödsinn.“

Prof. Mertens ging darauf gar nicht erst ein, sondern lächelte ‚seinen‘ jungen Assistenten sehr freundlich, beinahe väterlich an.

„Deine Mutter wird froh sein, dass Du Dich endlich mal richtig verliebst und nicht mehr dreimal in der Woche eine andere zu beglücken versuchst.“

„Stimmt doch gar nicht, was Sie da sagen.“

„Junge, lass gut sein. Muss Dir doch nicht peinlich sein, wenn Du Dich mal richtig verliebst. Im Gegenteil. Ich freu mich für Dich.“

„Wieso freuen Sie sich da?“

„Erstens, weil Du damit indirekt zugegeben hast, dass ich recht habe, zweitens, weil Du nun endlich nicht mehr wie ein Karnickelbock verhalten wirst und drittens damit ausgeschlossen sein wird, dass süße hübsche Damenslips in meinem Auto liegen bleiben. Und vor allem, weil wir uns doch nicht in Dir getäuscht haben.“

„Was soll das denn nun heißen?“

„Meine Frau und Irmi Hermann meinten immer, Du würdest Dich irgendwann verlieben und dann ein ordentlicher Mensch werden.“

„Ich gebe gar nichts zu.“ Fietje klang fast schon ein wenig trotzig. Und gar nicht merkend, was er damit zugab, fuhr er fort:

„Wie gefällt Ihnen die denn?“

„Ehrliche Antwort?“

„Unbedingt.“

„Das Mädchen finde ich hinreißend. Nicht nur äußerlich. Die hat eine ganz tolle Ausstrahlung. Der Mann, der die mal bekommt, ist zu beneiden.“

Fietje strahlte auf einmal und wurde gleich darauf todernst.

„Aber die hat sicher schon längst einen.“

Mertens lächelte jetzt seinen Assi an:

„Glaube ich nicht.“

„Wieso glauben Sie das?“

„Aus drei Gründen. Sie hätte sicher kaum stillgehalten, als sie von einem Fremden geküsst wurde. Und dann obendrein diesen frechen Kerl, dem sie eine runterhauen musste, hinterher noch freundlich angelächelt. Und irgendwie wirkte sie auf mich wie eine junge hübsche Frau, die sich nicht so ohne weiteres auf kleine Abenteuer einlässt.“

„Und was soll ich nun machen?“

„Das Problem, mein erfahrener Don Juan, wirst Du ganz allein zu lösen wissen. Oder auch nicht. Und jetzt rutsch wieder auf Deinen Platz, unser Essen wird kalt.“

Prof. Mertens schmeckte die gereichte Roulade mit pürierten Kartoffeln und dem Wirsing-Gemüse vorzüglich, das gereichte Glas Beaujolais war trinkbar. Fietje konnte hinterher nicht sagen, was es zu essen und zu trinken gegeben hatte – ihm war das Mädchen nicht mehr aus dem Sinn gegangen. Pausenlos überlegte er, wie er ihren Namen oder wenigstens ihre Telefon-Nummer erfahren könne. Weil sie in der Business-Class nicht wiederauftauchte, wollte er extra nach hinten auf die Toilette gehen, aber sie war dort noch mit einer Kollegin am Servieren, da konnte er nicht stören. Dass sie so süß errötete, als sie ihn sah, tat ihm gut. Als er eine halbe Stunde später sein Heil nochmals versuchte, war sie nicht zu sehen – wahrscheinlich war sie in einer der beiden Toiletten verschwunden, warten konnte er da schlecht.

Er versuchte es noch einmal bei der Landung, aber da betreute sie die aussteigenden Fluggäste am hinteren Ausgang. Fietje musste wohl oder übel mit seinem Chef vorne aussteigen. Und konnte nicht einmal den Ausstieg verzögern, denn am Rollfeld wartete eine Limousine der Regierung auf sie, um sie zum Gästehaus zu fahren.

Nephele hatte sich kaum auf ihre Arbeit konzentrieren können. Sie war nach ihrem ‚Ausrasten‘ geradezu verstört, nicht etwa, weil ihr ihr Fehlverhalten durch den Kopf gegangen war, sondern weil sie ständig an diesen Blondschopf, seine Sommersprossen, sein gewinnendes Lächeln und den Kuss denken musste, der eigentlich der schönste und innigste war, den sie bisher in ihrem Leben erhalten hatte.

Natürlich hatten die jungen zwei Kolleginnen gemerkt, dass sie anders war als heute Abend noch beim Briefing in FRA.

„Ist Dir nicht gut, Nephele?“

Alina, zwar dienstjünger, aber auch so alt wie Nephele, fragte etwas besorgt.

„Geht so. Jetzt nicht. Ich erzähl’s Euch gleich, wenn wir mit dem Service durch sind.“ hatte sie erwidert.

Die Flugzeit hatte da noch gut 2 ½ Stunden betragen, als sie mit dem Service fertig waren. Und Nephele war derart unruhig gewesen, dass sie einfach darüber würde reden müssen. Natürlich hatte sie ihren Schwarm bemerkt gehabt, als der plötzlich hinter dem Vorhang aufgetaucht war. Und ganz sicher würde er auch gesehen haben, dass sie wieder rot geworden war, als er sie erneut so herzlich anstrahlte, bevor er wieder verschwand. Seinen zweiten Versuch hatte sie zum Glück nicht mitbekommen.

Nephele hatte dann ihren beiden Kolleginnen über das Vorkommnis berichtet – den innigen Kuss aber ausgelassen, ihn nur als Versuch geschildert. – Noch während ihres Berichts war ihr noch der ‚rettende‘ Gedanke gekommen, alles pädagogisch zu verbrämen:

„Ihr Zwei könnt daraus prima etwas lernen: Erstens schenkt nie einem Gast etwas in ein hingehaltenes Glas oder eine angereichte Tasse ein, sondern nehmt es stets selbst in die Hand. Und lasst Euch niemals hinreißen, einen Passagier zu ohrfeigen. Ich hab da einen richtig schlimmen Fehler begangen.“

„Aber wo der doch zudringlich geworden ist?“

„Auch dann nicht. Schubst ihn vorsichtig weg und ruft um Hilfe. Aber nie und nimmer handgreiflich werden. Hätte ich laut um Hilfe gerufen, und anschließend den Kapitän verständigt, wäre das korrekt gewesen.“

„Und warum hast Du’s nicht so gemacht?“

„Weil ich nicht souverän war, weil ich verwirrt war – ich weiß es nicht.“

„Du und nicht souverän? Mensch Nephele, da lachen ja die Hühner.“

Ingrid hatte sichtlich Zweifel gehabt.

„Oder war da noch etwas anderes?“

„Quatsch.“

Alina hatte plötzlich angefangen zu grinsen.

„Ich glaub, da war noch was anderes?“

„Blödsinn.“

„Ich finde, Nephele, Du siehst plötzlich so anders aus. Kann es sein, dass Du Dich in den Kerl verknallt hast?“

„So einen Schwachsinn hab ich ja noch nie gehört.“ Und wieder einmal war sie rot geworden, für ihre beiden jungen Kolleginnen kam dies einem Geständnis gleich. Alina hatte geradezu aufreizend gegrinst:

„Ich hol dann mal vorn das Formular für Dich. Für die Meldung?“

„Ok. Aber Heidi soll es sich vom Captain geben lassen.“

Nach der Landung war von dem süßen Frechling nichts zu sehen gewesen. Nephele hatte tief geseufzt. ‚Den wirst Du wohl vergessen müssen. ‘

Sie war, nachdem alle Passagiere den Flieger verlassen hatten, nach vorn marschiert, um ihren Bericht Kapitän Wilhelm auszuhändigen.

Er hatte ihn schweigend entgegen genommen, ihn durchgelesen und dann zu lachen begonnen.

„Oh Mädchen, Mädchen, Ärger bekommst Du da schon. Kann den Passagier aber verstehen. Würde ich auch gern machen, was der mit Dir versucht hat. Aber musstest Du denn gleich handgreiflich werden?“

„Wir Zypriotinnen haben halt mehr Feuer, als Ihr Heinis. Und Dir hätte ich auch eine geklebt. Hätte immerhin einen Vorteil gehabt.“

„Der da wäre…?“

„Hätte ich keine Meldung schreiben müssen. Die hätte ich höchstens als Brief an Deine Frau geschickt.“

Die ganze Crew brach jetzt in Gelächter aus.

„Also auf den Mund gefallen bist Du schon mal nicht. Aber wenn ich gefragt werde: Ich hatte Dich laut rufen hören, konnte hier aber wegen der Turbulenzen nicht raus. Was sogar stimmt.“ Dass es nur mit den Turbulenzen stimmte, hatte er für sich behalten.

„Danke Kapitän Wilhelm. Und danke Euch allen. Mein Kopf wird schon dran bleiben und schlimmstenfalls muss ich wieder unten anfangen.“

„Das würde ich zu verhindern wissen.“

„Und wie, Captain, willst Du das anstellen?“

„Via Meyers, den Vorsitzenden von Cockpit.“

„Ihr Wort in Sultzes Ohr.“

Umwege zu R.

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