Читать книгу Umwege zu R. - Ulf Häusler - Страница 22
Оглавление11. Kapitel
Nephele machte ihr neuer Job ausgesprochen Freude. Manchmal durfte sie auch in der Business-Class aushelfen, wobei sie schnell merkte, dass die Leute dort sehr viel anspruchsvoller waren, als in der Economy-Class. In ersterer nahmen die Passagiere fast durchweg alles als selbstverständlich, in letzterer hingegen schien es ihr menschlicher zuzugehen. Dass da mal einer motzte, war die Ausnahme, in der Business war hingegen ein ziemlich arrogantes Völkchen versammelt, das bisweilen öfter rummeckerte, als einem lieb war.
Manches, was man so zu tun hatte, fand sie auch doof und albern. Und da sie schnell herausgefunden hatte, dass man durchaus Verbesserungsvorschläge machen durfte, nutzte sie das Instrument. Und ehe sie sich’s recht versah, wurde sie nach München in ein Arbeitsteam abkommandiert, in dem es galt, vorliegende Verbesserungsvorschläge zu bewerten und dann zur Umsetzungsreife voranzutreiben. Zwei ihrer Vorschläge wurden tatsächlich angenommen und später auch realisiert. Der eine bezog sich auf eine konstruktive Änderung an den Servierwagen, der andere betraf die Sicherheitshinweise zu Beginn des Fluges.
‚Man‘ wurde auf sie aufmerksam. Eine junge, zwar nichtdeutsche aber sehr aufmerksame Flugbegleiterin hatte man sich da ‚eingefangen‘, die nicht nur nicht auf den Mund gefallen war, sondern auch konstruktiv mitdachte.
Ersteres interessierte den Vorsitzenden der Gewerkschaft Ufo, der sie umwarb, Mitglied zu werden. Sie habe gute Chancen, bei den nächsten Betriebsratswahlen aufgestellt zu werden und bei ihrem Ansehen habe sie auch gute Chancen, gewählt zu werden.
Nephele bat sich Bedenkzeit aus und lehnte dann ab. Eine Gewerkschaft war nicht ihre Welt, sie wollte frei sein und frei bleiben, sich nicht in ein Korsett einzwängen lassen, wo man ihr per Mehrheitsbeschluss verkünden würde, was sie der Geschäftsleitung zu sagen hätte und was nicht. Zumal sie mitbekommen hatte, dass viele Forderungen der Gewerkschaft nach ihrer Meinung maßlos überzogen waren, als durchaus berechtigt vermochte sie höchstens 30 Prozent anzusehen. Und diese Spielchen, 100 Prozent zu fordern, um dann weniger als die Hälfte durchzusetzen und dies dann noch als großen Erfolg zu verkaufen, auf dass man beim nächsten Mal wiedergewählt werde, mochte sie noch weniger.
Der Gewerkschaftsvertreter nahm übel, sie meinte aber, das aushalten zu können.
Und sie hatte offenbar recht mit ihrer Einschätzung, denn ihre Haltung war auch zu ihren Vorgesetzten durchgesickert. Man wollte sie vorzeitig zur Chef-Stewardess machen, ihr also die Leitung der Kabinen-Crew übertragen. Der Betriebsrat meuterte. Die Geschäftsleitung hielt dagegen und saß natürlich am längeren Hebel – mit vier Wochen Verspätung wurde sie Chef-Stewardess für alle Flüge auf der sog. Kurzstrecke, also Deutschland und Europa.
Natürlich hatte sie alles vorher mit Anne besprochen gehabt. Die hatte ihr zugeraten, in die Gewerkschaft einzutreten – sie müsse ja nicht gleich ein Amt übernehmen. Und auch ihr Hans hatte gemeint, es sei besser sich zu organisieren, er selbst sei auch Mitglied bei der Cockpit. Aber sie hatte den beiden gegenüber gut argumentiert und sie hatten ihre Entscheidung schließlich akzeptiert, nicht zuletzt, weil sie Zypriotin war. Und der engen Freundschaft vor allem zu Anne hatte das alles ohnehin keinen Abbruch getan.
Sie fühlte sich am wohlsten, wenn sie fliegen konnte. Bisher hatte man sie immer eingeteilt zu dem, was sie zu tun hatte und seltsamerweise, hatte sie immer den hintersten Teil der Economy zu bedienen – der lange Arm der Gewerkschaft. Sie nahm es gelassen hin. Und jetzt war sie diejenige, die einteilte. Und blieb ihrer Erkenntnis treu, dass die Gäste in der Economy liebenswerter waren. In schönster Regelmäßigkeit teilte sie ein oder zwei ihrer Kolleginnen für die Business-Class ein, sie selbst übernahm den vorderen Teil der Economy.
„Ihr lernt da mehr, wenn Ihr vorn den Service macht, ich bin gleich hinter dem Vorhang – wenn es ein Problem geben sollte, bin ich so schnell bei Euch.“
Ihre Vorgehensweise sprach sich bald herum. Die für vorn eingeteilten Kolleginnen – bisweilen auch mal ein Kollege - waren ihr höchst dankbar. Ihre tatsächlichen Beweggründe behielt sie natürlich für sich.
Und dann gab es tatsächlich mal auf einem der Flüge ein scheinbares Malheur. Nephele hörte in der Business Class einen Passagier laut schimpfen. Eine junge Kollegin stand hilflos vor ihm und wurde lautstark in gebrochenem Englisch zusammengestaucht.
„May I help you, Sir? “
Nephele versuchte erst Ihr Heil auf Englisch, hatte aber den Verdacht, dass es ein Spanier sein könne. Inzwischen hatte ihr die Kollegin zugeraunt, dass er behaupte, das servierte Essen sei lauwarm.
Nephele probierte es auf Spanisch, wenn sie da auch nicht so sehr gut war. Nebenbei nahm sie ihm das Essen weg.
„Hol Ihm ein anderes Essen.“
„Das ist doch auch nicht anders.“
„Tu, was ich Dir sage und dann bediene hinten weiter. Ich versuche, das hier in Ordnung zu bringen.“
Nephele entschuldigte sich für das Malheur, das jetzt Gereichte, sei aber sehr heiß, er möge vorsichtig sein.
Der Spanier strahlte sie jetzt an und hatte seine Beschwerde längst vergessen. Er redete wie ein Wasserfall, Nephele verstand nur die Hälfte, bekam aber mir, dass er voller Stolz die Schönheiten seiner spanischen Heimat pries. Nephele ging darauf ein, der Mann strahlte, vergaß völlig sein Essen. Nach fünf Minuten, gefühlt mindestens 15, machte sie ihn vorsichtig darauf aufmerksam, dass seien Mahlzeit kalt werde. Er grinste, bedankte sich und versicherte Nephele, dass sein Essen nun perfekt sei.
Nach dem Flug kam Franziska, so hieß die junge Kollegin, auf Nephele zu.
„Jetzt wirst Du das melden?“
„Was soll ich melden?“
„Das mit dem verpatzten Essen natürlich.“
„Denke im Traum nicht daran. Der war doch nachher ganz zahm.“
„Aber doch nicht bei mir. Mich hat er angebrüllt.“
„Ach Franziska, so etwas meldet man doch nicht. Der Mann war doch nachher hochzufrieden. Melden würde ich so etwas nur, wenn ich ihn auch nicht kirre bekommen hätte.“
„Danke Nephele.“
„Schon gut, Franziska. Mach Dir da keinen Kopf.“
Der Vorfall sprach sich natürlich doch herum. Franziska hatte ihn publik gemacht. Was für eine tolle Kollegin die Nephele sei. Dem Betriebsratsvorsitzenden schmeckte das natürlich überhaupt nicht.
Er bestellte Nephele zu sich. Sie ging nicht hin. Nun war er sauer. Schließlich ging sie doch.
„Frau Mantalo, sie hätten das melden müssen. Tut mir leid, jetzt muss ich es tun. Sie werden ziemlichen Ärger bekommen. Wären Sie bei uns, hätte ich das verhindern können.“
„Tun Sie was Sie nicht lassen können. Übrigens ich werde dann meinem Chef sagen müssen, dass Sie versucht hatten, mich zu erpressen.“
„Ich fürchte, das wird Ihnen keiner abnehmen.“
Drei Tage später wurde Nephele zu ihrem Chef bestellt. Vorher hatte sie mit Anne über den Vorfall gesprochen.
„Ich rede mit dem Dr. Sultz. Wie ich ihn kenne, nimmt der den Herrn Betriebsratsvorsitzenden schrecklich ernst, um dann die Sache zu den Akten zu legen.“
„Tust Du mir einen Gefallen, Anne? Sag dem Sultz bitte nichts. Ich will da alleine durch.“
„Ok. Versprochen.“
Dr. Sultz war mehr als verständnisvoll.
„Aber Sie hätten es eigentlich melden müssen, Frau Mantalo.“
„Was hätte ich denn melden sollen? Dass einer unserer Gäste mal einen Moment verärgert war und dann mit unserm Service hochzufrieden war und sogar einen Brief an Franz schreiben wollte, dass die LH auf seinem Flug einen ganz manierlichen Service geboten hatte?“
“Der hat sogar wirklich geschrieben. Wollen Sie mal lesen?“ Nephele las das Schreiben – dieses Mal in perfektem Englisch.
„Sehen Sie mal Herr Dr. Sultz – hätte ich da was gemeldet, stünde ich ja jetzt sogar als Lügnerin vor Ihnen. Kein Wort über den Vorfall steht in dem Brief.“
„Sie sind mir ja eine. Gut, Schwamm drüber. Aber wenn wirklich mal etwas vorfällt, dann bitte auch melden.“
„Klar mach ich das. Und was ist jetzt mit dem Betriebsrat? Der hatte mir große Schwierigkeiten prophezeit.“
„Na, die habe ich Ihnen doch soeben bereitet?“
Sie lächelten jetzt beide fast versonnen vor sich hin.
„Noch etwas, Frau Mantalo. Hätten Sie Lust, auch weltweit zu fliegen?“
„Weiß nicht so recht. Eigentlich gefällt mir es so, wie es jetzt im Moment ist, richtig gut. Und da müsste ich ja wieder ganz unten anfangen.“
„Das wäre in der Tat so. Aber so wie Sie sich anstellen, schätze ich, hätten Sie nach einem halben Jahr wieder den Chef-Status.“
„Wären Sie sauer, wenn ich Ihnen einen Korb gäbe?“
„Nicht wirklich. Und fast alle, denen ich das anbiete, jubeln darüber. Gibt mehr Ansehen und auch mehr Geld.“
„Darf ich es mir überlegen?“
„Natürlich dürfen Sie das. Aber darf ich fragen, warum Sie so zögerlich reagieren?“
„Wegen meiner Familie.“
„Hm? Jetzt haben Sie mich neugierig gemacht.“
„Nun, meine Eltern und mein Bruder leben ja auf Zypern. Und was ich jetzt mache, war denen gar nicht recht. Aber sie haben es schließlich akzeptiert. Wohl auch, weil ich fast jeden Monat ein paar Tage bei ihnen verbringen kann. Das würde dann sehr viel schwieriger. Und mit meinem Geld komme ich ganz gut zurecht.“
„Verstehe, Frau Mantalo. Überlegen Sie sich’s in Ruhe und wenn Sie mir einen Korb geben, akzeptiere ich das auch. Wissen Sie, das Schönste wäre für mich bei Ihrer Zusage, dass wir dann dem Betriebsrat ein wenig kieksen könnten. Aber das sollte natürlich nicht den Ausschlag geben. Und Ihr Mann müsste ja auch damit einverstanden sein.“
„Danke, Herr Dr. Sultz. Einen Mann habe ich aber noch nicht. Und auch keinen Partner und keinen festen Freund.“
„Wie, sind Sie…“
„Oh nein, keine Sorge, ich bin nicht lesbisch. Nur ist halt der Richtige noch in weiter Ferne. Meine Freundin meint immer, der müsse wohl noch gebacken werden.“
„Sie meinen die Anne?“
„Wie, Sie wissen, dass die meine Freundin ist? Hat die etwa geplaudert?“
„Worüber soll die geplaudert haben? Nein, meine Liebe, es wäre ja schlimm, wenn ich so gar nichts über Ihr Privatleben erführe. Also, ich muss mich jetzt korrigieren: Anne ist eine gute Freundin der Familie Sultz.“
„Das hat sie mir nie erzählt.“
„Die Anne erzählt zum Glück nur, was wichtig ist. Sie tratscht nicht herum, deshalb mag ich die Frau.“
„Die bald heiraten wird.“
„Was, die Anne heiratet? Gegen wen denn? Hat sie mir nicht erzählt. Aber Ihnen offenbar. Wer ist der Glückliche?“
„Sie, ich bin auch keine Tratsche. Und deshalb sind wir auch gute Freundinnen.“
„Würde ich aber gerne wissen.“
„Warum fragen Sie sie nicht selbst?
„Auch wieder wahr. Tschüs Frau Mantalo.“
„Antio, Herr Dr. Sultz. Und vielen Dank für alles. Nicht nur das Angebot. Sondern auch für das Andere.“
„Hm?“
Ich zitiere jetzt meinen Vater, obwohl ich dann sicher rot werde: Der Anschiss fiel so milde aus, wie der Beischlaf eines kommandierenden Generals.“
Sultz lachte laut auf.
„Raus jetzt mit Ihnen.“
„Bin schon weg.“
„Sie müssen immer das letzte Wort haben?“
„Sorry – ist bei mir wohl genetisch bedingt.“
‚Hätte ich doch noch ein paar mehr von dem Kaliber der Mantalos. ‘ dachte er.
Nach eineinhalb Wochen – Nephele war gerade in Amsterdam – bimmelte ihr Handy: Dr. Sultz wollte wissen, ob sie nun bereit wäre, weltweit zu fliegen.
„Ich bin um 17 Uhr zurück, kann ich dann noch mal bei Ihnen vorbeikommen? Damit wir noch einmal darüber reden können?“
„Ok, Frau Mantalo. Rufen Sie mich gleich an, wenn Sie gelandet sind und ausgecheckt haben.“
„Na, was haben Sie nun ausgebrütet, junge Frau?“
„Ich bin immer noch hin und hergerissen. Wegen meiner Familie. Aber ich habe mir etwas überlegt.“
„Und, das wäre?“
„Können wir das nicht erst einmal zwei Wochen zur Probe machen? Dann weiß ich, was da auf mich zukommt.“
„Oh – das haben wir noch nie gemacht. Entweder ja oder nein. Aber auf Probe? Nun, warum nicht. Nur sind zwei Wochen zu wenig. Es müssten wenigstens 4 Wochen sein.“
„Warum?“
„Weil Sie sonst kein Gefühl dafür bekommen, wie es mit Ihren freien Tagen aussieht.“
„Gut. 4 Wochen sind ok. Aber nur, wenn Sie hinterher nicht sauer sind, wenn ich dann doch wieder nur Kurzstrecke fliegen will.“
„Sauer bin ich selten bis nie, wegen so etwas ohnehin nicht und im Übrigen wollen Sie dann gar nicht wieder zurück.“
Der Betriebsratsvorsitzende zeigte sich irritiert, dass Sultz schon nach so kurzer Zeit ausgerechnet die Mantalos auf die Langstrecke disponierte, zeigte sich aber beruhigt, dass es nur auf Probe war.
Zwei Wochen später flog sie zum ersten Mal – dieses Mal nach Los Angeles. Und dann gingen die 4 Wochen ausgesprochen schnell herum. Bombay und Rio de Janeiro waren weitere Ziele gewesen. Und Sultz hatte zumindest nicht ganz Unrecht gehabt – Nephele hatte immer mal reichlich freie Tage. Nur eben in aller Regel nicht in München oder Frankfurt. 3 freie Tage am Stück waren in Bombay ja ganz nett, aber sie konnte in der Zeit nicht nach Hause fliegen, denn nach Ablauf der 3 Tage wurde sie ab Bombay wieder eingesetzt.
Sie rief Dr. Sultz an.
„In einer Woche bin ich, wenn alles nach Plan läuft, wieder in FRA. Können wir dann mal über die Langstrecke reden?“
Das Gespräch verlief zunächst ziemlich ernst, als Nephele ihrem Chef offenbarte, dass sie wieder auf die Kurzstrecke zurück wollte.
„Ich verstehe Sie nicht Frau Mantalo. Sie haben sich in den paar Wochen super gut geschlagen. Ich wollte Sie jetzt noch ein paar Wochen auf dem Jumbo einsetzen und in etwa 5 Wochen wären Sie wieder Chef-Stewardess gewesen. Ist denn Ihre Familie so wichtig, dass Sie alle Karrieremöglichkeiten in den Wind schlagen?“
„Darf ich ganz ehrlich sein?“
„Klar. Das erwarte ich sogar von Ihnen.“
„Gut. Ja, meine Familie ist mir sehr wichtig. Das könnt Ihr Deutschen zwar nicht verstehen, aber bei uns in Zypern hat die Familie einen sehr, sehr hohen Stellenwert. Ich hab mich schon schwer genug getan, mich durchzusetzen, dass ich überhaupt so weit wegdurfte und jetzt fliege, aber ich habe im Gegenzug versprechen müssen, wenigstens 1 Mal im Monat zu Hause zu sein…“
„Verstehe ich nicht.“ unterbrach sie Sultz. „Sie sind doch ein erwachsener Mensch und niemandem Rechenschaft schuldig, was Sie tun wollen und was nicht.“
„Ich weiß, dass Sie das nicht verstehen, weshalb ich ja gerade versuche, es Ihnen zu erklären. Bei Ihnen tun die Kinder in aller Regel in der Tat das, was Sie wollen. Bei uns bestimmen nun aber mal die Eltern, oft sogar noch wen sie heiraten. Gut, das lockert sich inzwischen auch bei uns ein wenig. Aber eins halte ich für wichtig und vor allem auch für richtig, dass man nämlich Achtung seinen Eltern gegenüber hat und Ihnen mit entsprechend viel Respekt begegnet.
Und nun noch zweitens. Ja, ich hatte in den 4 Wochen ein paar Stopp-Overs. Aber was nützen mich 3 oder vielleicht sogar 4 freie Tage in Bombay oder Rio – können Sie mir mal sagen, wie ich da nach Larnaca kommen soll? Klar würde es mich reizen, Kabinenchefin in einem Jumbo zu sein, aber ich könnte dann mein Versprechen gegenüber meiner Familie nicht mehr einhalten.“
„Und wenn ich versuchen würde, es so zu organisieren, dass Sie immer mal ein paar freie Tage in Frankfurt oder München hätten, sodass Sie nach Hause fliegen können?“
„Ich glaube Ihnen sogar, dass Sie das versuchen würden. Aber wir wissen auch beide, dass das meistens nicht klappen wird, nicht klappen kann. Wenn meine Arbeitszeit gerade in LA abgelaufen ist, können Sie es vielleicht arrangieren, dass ich noch am gleichen Tag nach FRA losfliegen kann – dann bleiben höchstens zwei Tage für zu Hause. Wie soll das denn gehen?“
Beide schwiegen einen Moment.
„Warum wollen Sie eigentlich unbedingt, dass ich auf die Langstrecke komme? Nur um dem Betriebsrats-Heini eins auszuwischen?“
Dr. Sultz lächelte jetzt – ein wenig gequält, wie es schien.
„Das wäre ein netter Nebeneffekt. Aber nie ein Grund, Sie überreden zu wollen. Nein der Grund ist eigentlich ein anderer.“
„Nämlich?“
„Mensch, Nephele Mantalo, Sie sind extrem gut. Und ich brauche Sie da deshalb, weil ich versuchen würde, Sie immer da einzusetzen, wo unsere Top-Kunden fliegen, zu denen ich auch unsern Vorstand zähle.“
„Wie, Sie wollen mir im Ernst zumuten, dass ich dann jeweils in der First Class arbeite, um die arrogantesten und eingebildetsten Kunden zu hofieren, nur weil sie der LH mehr Geld bringen, von dem man noch nicht einmal weiß, wo sie es herhaben? Was meinen Sie wohl, weshalb ich mich so gern in die Economy verdünnisiere? Klar, die jungen Kolleginnen und Kollegen sollen auch etwas lernen, das ist der Hauptgrund, aber diesem hochgestochenen Getue der Reichen und Superreichen zu entkommen, ist durchaus auch eine Motivation.“
„Mensch Mädchen, Sie sind heute ein richtig harter Brocken.“
„Nö, ich vertrete nur meine Meinung, das ganz ehrlich, so wie abgemacht und erinnere Sie an Ihr Versprechen, dass ich ggf. zurück auf die Kurzstrecke darf.“
„Versprochen hatte ich da zwar nichts, aber zugegeben – ich hatte mich Ihrem Wunsch auch nicht verschlossen. Aber mal eine offene Frage: Wenn ich nun hart bleibe – was machen Sie dann?“
„Dann hätten Sie morgen früh meine Kündigung auf dem Tisch und ich würde zur großen Freude meiner Eltern und meiner Familie wieder in Paphos als Physiotherapeutin arbeiten. Ihre Entscheidung.“
Sultz schaute Nephele schon fast erschrocken an. Nephele hingegen strahlte und lächelte ganz vorsichtig. Das konnte sie besonders gut. Und sie wusste genau, dass sie sich damit in aller Regel sehr gut durchsetzen konnte. Nicht nur bei ihren Eltern und da besonders dem Vater gegenüber, sondern überhaupt, insbesondere bei Männern. ‚Nun komm schon Junge, Dich kriege ich auch weich. ‘ dachte sie, als sie zu ihrer Freude feststellte, dass sich die Miene ihres Gegenübers merklich aufhellte. Sie lachte ihn jetzt ganz fröhlich an – Dr. Sultz strahlte zurück.
„Also gut, Mädchen, Sie haben gewonnen. Will Sie ja nicht ins familiäre Unglück stürzen. Und manchmal fliegt ja auch unser Franz Kurzstrecke. Da müssen Sie in Zukunft ran. Und der Betriebsrats-Heini, wie Sie zu formulieren belieben, wird sich freuen, dass Sie wieder zurückmüssen. Das alles aber unter zwei Bedingungen.“
„Und die wären?“
„Dass Sie sich gefälligst wieder mehr um die Business-Class kümmern. Kapito? Und zweitens nennen Sie mir zwei bis drei Kolleginnen oder Kollegen, die Sie für die Langstrecke geeignet halten.“
„Nephele lachte Sultz jetzt richtig an, fast schon ein wenig frech, wie er fand.
„Nö.“
„Hm?“
„Ich kümmere mich so, wie ich es für richtig halte. Wer ist schließlich Chef in der Kabine – Sie oder ich? Und keine Sorge – ich schicke da keine blutigen Anfänger nach vorne. 4 bis 5 Wochen müssen die schon mindestens gearbeitet haben. Eventuell Meldungen zu schreiben, finde ich nämlich mehr als doof.“
„Ich weiß, ich weiß – da war doch mal was?“ lachte Dr. Sultz jetzt zurück.
„Ach so – die Namen: Franz Heiler, Franziska Hanter und Emily Heller. Sie wollten doch drei Namen haben.
„Ist das die Franziska, die Ihnen so große Schwierigkeiten bereitet hat?“
„Genau die. Die hat sich hervorragend gemacht seitdem. Vor allem hat sie aber aus dem Vorfall gelernt. Ach und dann noch etwas. Da unser Freund vom Betriebsrat eine Tratsche ist, bitte ich Sie, dem zu sagen, warum ich auf die Kurzstrecke zurückwill. Sonst heißt es noch ‚gewogen und zu leicht befunden‘.“