Читать книгу Tankred und die Bergsteiger - Ulf Kramer - Страница 11

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Josef

Privet rebyata. Er hatte nie vergessen, wie Maria damals am Ende der Schlacht um Halbe den Russen diese Worte zugerufen hatte. Die Erinnerung daran verfolgte ihn in seinen Träumen, wenn er einsam durch die regennasse Fensterscheibe eines Busses guckte, über den Markt ging, um Kartoffeln zu kaufen, in der Badewanne saß und seine Füße wusch oder sich den Penis rieb. Er wurde die Worte nicht los. So zäh er ansonsten war, dieser eine Moment quälte ihn mehr als alle anderen.

Als er 1945 gegen jede Wahrscheinlichkeit den Krieg unversehrt überstanden hatte, war ihm bewusst geworden, dass irgendetwas in ihm pulsierte, eine besondere Kraft, die ihn am Leben halten würde, was auch immer dem Reich Hitlers folgen sollte. Josef Tillinger würde es überstehen, denn er hatte sich jedes Skrupels und Mitgefühls entledigt. Das bedeutete nicht, dass er kalt war. Er mochte seine Frau, die er im Sommer 1945 in Leipzig getroffen hatte. Sie war sehr jung und verängstigt gewesen. Der Krieg und die Furcht vor den recht eigensinnig agierenden Soldaten aus Russland hatten sie geprägt und traumatisiert. Aber Josef versprach, für sie zu sorgen. 1946 bekamen sie ihren ersten und einzigen Sohn. Sie nannten ihn Laurenz, da ihnen kein bekannter Nazi einfiel, der diesen Vornamen getragen hatte, was nicht bedeutete, dass es nicht doch einen gab, aber viele andere Namen waren verbrannt, deshalb waren sie froh, auf Laurenz gekommen zu sein. Josef liebte Laurenz und mochte seine Frau, dennoch brach er sein Versprechen, immer für sie da sein zu wollen, denn er hatte bald alle Hände voll zu tun, beim Aufbau der DDR mitzuhelfen. Der Staat, dieses bessere Deutschland, wurde zum Zentrum seines Schaffens. Er arbeitete ab April 1950 für das Ministerium für Staatssicherheit, das es zu diesem Zeitpunkt gerade einmal zwei Monate gab. Als Mitarbeiter der ersten Stunde stieg er rasch auf. Auf einer Moskaureise lernte er Lawrenti Berija kennen, den starken Mann hinter Stalin. Josef fühlte, auf der richtigen Seite der Geschichte gelandet zu sein. Männer wie Berija und er waren aus demselben Holz geschnitzt.

Doch da war noch etwas in ihm, neben seiner Leidenschaft für den Aufbau seines eigenen Staates wanderte seinen Gedanken jeden Tag zurück zu dieser verrückten Schlacht um das kleine Städtchen Halbe in Brandenburg, zu seinen Kameraden, die mit ihm in dem Unterschlupf neben dem kaputten Tiger-Panzer gelegen hatten. Und zu Maria. Sie hatte ihn damals gerettet und da er sich für etwas Besonderes hielt, musste sie zwangsläufig Teil des großen Plans sein. Gern hätte er gewusst, was aus ihr geworden war. Er zweifelte nicht daran, dass sie die Russen auf dem Hof bei Halbe genauso überlebt hatte wie den ganzen Krieg. Sie war wie er. Ein zähes Distelgewächs.

Mitte der Fünfziger beschloss er, sie zu suchen, schließlich gehörte er einer riesigen Behörde an, die geheimdienstlich arbeitete. Es dauert drei Monate, dann hatte er ihre Adresse auf einem Zettel notiert vor sich auf dem Schreibtisch liegen. Maria lebte mit ihrer Tochter Greta in Westdeutschland. Zwei Jahre später trafen sie sich zum ersten Mal in Berlin. Er konnte sich seine Gefühle nicht erklären, aber er liebte Maria, das wurde ihm klar, als er sie in dem Café sitzen sah, in dem sie verabredet waren. Ihre Kleidung war ärmlich, dennoch hatte sie versucht, sich so gut es ging herauszuputzen. Sie war kaum gealtert und wirkte immer noch wie das junge Ding, das damals zu ihm in den Unterschlupf hinter den Tigerpanzer gesprungen war. Um ein Haar hätte er ihr den schönen Kopf von den Schultern geschossen. Dann wäre von ihr nicht mehr übrig als eine lose Sammlung von Knochen im weichen Boden der Wälder von Halbe.

Sie sprachen kaum. Maria war schüchtern und weinte viel, denn auch bei ihr kamen Erinnerungen zutage, die sie tief in sich verschlossen zu haben schien. Sie trafen sich von da an zweimal im Jahr im selben Café in Westberlin. Josef gab ihr etwas Geld, denn sonst hätte sie sich die Reise nicht leisten können. Bei ihrem fünften Treffen schliefen sie miteinander. Sie mussten gar nicht darüber sprechen, sondern ging vom Café aus direkt in ihr kleines Hotelzimmer in Charlottenburg, zogen sich aus und taten es noch im Stehen direkt neben der Tür. Josef ließ sich scheiden. Von da an kam Maria auch zu ihm in den Osten. Doch heiraten wollte sie ihn nicht, denn ein Umzug in die DDR kam für sie nicht infrage. Josef versuchte energisch, auf sie einzuwirken, aber Maria verkündete, niemals in einem Land leben zu wollen, das mit den Russen befreundet sei. Mit dieser Entscheidung ging ihnen ihre Leichtigkeit verloren, trotzdem trafen sie sich weiter. Es schien, als seien sie aneinander gekettet, weil sie niemanden anderes hatten.

Dann starb Maria 1972 überraschend und nahezu ohne Vorwarnung. Für Josef brach eine Welt zusammen. Er schaffte es nicht einmal zu ihrer Beerdigung. Für ihn begannen die Jahre der Qual. Er trank eine Weile mehr als ihm guttat, versuchte sich an verschiedenen chemischen Substanzen, wechselte intern zum Auslandsgeheimdienst HVA und ließ sich nach Rumänien versetzen. Dort half er der Securitate bei der Ausbildung von Rekruten oder arbeitete in einem Kerker in der Nähe von Bukarest. So verschaffte er sich zeitweise Erleichterung, zugleich handelte er sich den Ruf als deutscher Duch ein. Das brachte ihn zum Nachdenken, denn Duch war der Kampfname von Kaing Guek Eav, einem Mitglied der Roten Khmer in Kambodscha und Leiter des berüchtigten Foltergefängnisses in Phnom Penh. Zwar erfüllte selbst Duch nur seine Pflicht – eigentlich war er Lehrer und nur zufällig zum Folterknecht geworden –, aber der Vergleich mit diesem psychopathischen Massenmörder ging Josef doch zu weit. Er kehrte nach Berlin zurück, ließ die chemischen Substanzen weg und konzentrierte sich wieder auf seine Karriere.

Doch er musste einsehen, zu spät zu kommen. Die DDR hatte ihre besten Tage hinter sich. Sein Staat, dem er alles geopfert hatte, war finanziell am Ende. Ironischerweise war man ausgerechnet abhängig vom Westen. Franz-Josef Strauß hatte dafür gesorgt, dass die DDR Milliardenkredite von der BRD erhielt. Statt aktiv für den Sieg des Sozialismus zu kämpfen, war das MfS verstärkt darum bemüht, Zahlen zu schönen, Unmut in der Bevölkerung zu dämpfen, die wachsende Opposition zu zersetzen oder mit meist dubiosen Geschäften Westmark zu erwirtschaften. Für Josef war das alles ein großer Witz. Manchmal kam es ihm so vor, als befände er sich wieder im Kessel von Halbe. Sie führten eine Schlacht, die sie längst verloren hatten, doch wehe jemand sprach aus, was viele ahnten. Das MfS war zum Hüter der Denkverbote verkommen. Dabei war die BRD selbst, ohne es zu merken, dem Abgrund gefährlich nahe. Die neoliberalen Kräfte, die sowohl in den USA, in Großbritannien und verstärkt in Westdeutschland den politischen Diskurs bestimmten, würden letztendlich dafür sorgen, das System auszuhöhlen, denn die wachsende soziale Ungerechtigkeit trieb einen Keil zwischen die Menschen, der einen kaum zu kittenden Schaden anrichtete. Um den Frieden zu wahren, müssten eines Tages diejenigen, die unverhältnismäßig viel besaßen, denen, die nichts hatten, etwas abgeben. Aber so etwas taten Menschen nicht freiwillig. Das zeigte die Geschichte. Am Ende würden die radikal liberalisierten Demokratien in einem gewalttätigen Exzess auseinanderfliegen. Die DDR würde es allerdings schon früher erwischen.

Josef versank in Resignation, bis ihn eines Tages sein Adlatus Lutz in die Wirklichkeit zurückholte, indem er alle Form vergessend in Josefs Büro platzte.

»Ihr Sohn ist verschwunden, Herr Genosse!«, schrie er nervös. »Es gibt ernst zu nehmende Anhaltspunkte, er könnte republikflüchtig sein!«

Josef spürte, wie sich seine Haare im Nacken aufstellten. »Lutz, Sie gehen jetzt aus meinem Zimmer«, antwortete er ganz ruhig, »schließen die Tür, zählen bis zehn, klopfen und warten, was geschieht. Ist das klar?«

Lutz wurde bleich, machte auf dem Absatz kehrt und folgte den Anweisungen seines Chefs. Josef ballte die Fäuste und beobachtete, wie sich seine Knöchel weiß verfärbten. Es kostet ihn alle Mühe, nicht aufzuspringen, den Jungen in sein Büro zu zerren und halb tot zu prügeln. Zwar war Lutz nur der Überbringer der schlechten Nachricht, aber denen war es in der Geschichte oft genug an den Kragen gegangen. Es klopfte. Josef zählte seinerseits bis zehn und öffnete dann seine schmerzenden Fäuste.

»Komm rein!«

Die Tür wurde vorsichtig aufgestoßen. Lutz stand kerzengerade und sprach, ohne Josef dabei anzusehen. »Genosse Tillinger, ich habe eine Botschaft von einem IM erhalten, die Sie interessieren wird. Ich bitte, eintreten zu dürfen.«

»Gewährt«, rief Josef unfreundlich.

Lutz gehorchte. »Ihr Sohn Laurenz ist mit seinem Sohn Dieter seit zwei Tagen verschwunden.«

»Woher weißt du das?«

»Der inoffizielle Mitarbeiter …«

»Klartext. Für Spielchen habe ich keine Zeit.«

»Seine geschiedene Frau, Ihre Schwiegertochter Hilde, will sagen ehemalige Schwieger…«

Josef schlug krachend auf den Tisch. »Verdammt, sprich einfach und kümmere dich nicht um die Formulierungen. Ich bin keiner von den Bürokratenhengsten, die hier sonst so rumlaufen. Wenn du für die arbeiten willst, dann mach nur so weiter.«

»Ihre ehemalige Schwiegertochter Hilde hat mich wie vereinbart kontaktiert. Wir haben sie nach Ihren Instruktionen zur Aufklärung der …«

»Ich kenne Hildes Funktion.«

Lutz hüpfte albern von einem Bein aufs andere. »Im Rahmen der frühzeitigen Aufdeckung feindlicher Aktivitäten mit dem Ziele der Schädigung der Deutschen Demokratischen Republik liefert mir Ihre ehemalige Schwiegertochter bis heute wichtige Erkenntnisse. Leider scheint in diesem Fall eine Vorbeugung von Straftaten dennoch nicht gelungen zu sein. So ist es ihr derzeit nicht möglich, Kontakt zu den Zielpersonen zu knüpfen.«

»Sollten Sie meinen Sohn und Enkel meinen, dann sagen Sie das doch einfach.« Obwohl Josef von Beginn an Teil dieser Behörde war, konnte er sich mit dem gängigen Jargon selbst nach über drei Jahrzehnten nicht anfreunden. Militärische Disziplin bestimmte das Wesen des MfS bis ins letzte Detail. Besonders die jüngeren Kollegen schienen anzunehmen, ihre Professionalität durch einen technokratischen Duktus beweisen zu müssen.

»Richtig. Ihre ehemalige Schwiegertochter ist gestern zu Ihrem Sohn gefahren, um ihrem gemeinsamen Kind Dieter einen Besuch abzustatten. Dort konnte sie die beiden nicht antreffen. Alarmiert hat sie mehrere Stunden vor dem Haus gewartet. Ohne Ergebnis. Die Befragung der Nachbarn – alles ganz unverdächtig, da man sich kennt – ergab, dass Ihr Sohn Laurenz Tillinger mit dem Kind Dieter schon seit nun mehr über zwei Tagen nicht mehr zuhause war. An seiner Arbeitsstelle ist er nicht erschienen. Ihr Enkel Dieter ist nicht in der Schule gewesen. Ihr Sohn Laurenz hat dort am Tag vor dem Verschwinden eine Krankmeldung für die komplette Woche eingereicht.«

Josef spürte Magensäure in seiner Speiseröhre aufsteigen. Er schickte Lutz nach draußen und kämpfte einen erneuten Wutanfall nieder. Zwei Tage! So lange hatte diese verdammte Nutte Hilde nicht gemerkt, was vor sich ging. Zwei Tage waren zwei Tage zu viel. Laurenz war klug genug, um einen Plan zu haben. Er verschwand nicht einfach so. Wahrscheinlich befanden er und Dieter sich schon im Westen. Und das war Hildes Schuld. Nach der Arbeit fuhr Josef zu ihr und schlug ihr mit der Faust so feste ins Gesicht, dass er ihr Jochbein brechen hören konnte. Auch die anderen würde er nicht davonkommen lassen. Niemand tanzte ihm auf der Nase herum. Nicht ihm. Nicht Josef Tillinger. Nicht der DDR. Nicht der Idee von einem Staat, der für seine Menschen sorgte, auch wenn das nicht alle einsehen wollten, so wie sein eigener Sohn, der alles verraten hatte, was ihm, Josef, wichtig war. Gemeinschaft und Gerechtigkeit.

Er wusste, wo er zu suchen hatte. Zusammen mit Lutz reiste er in den Westen. Greta Deutschs Wohnung befand sich im Hinterhaus eines Gebäudekomplexes in der Bonner Straße. Vorn gab es einen Plattenladen und eine Teestube von irgendwelchen Türken. Die BRD holte sich ihre Hilfsarbeiter gern aus anderen Ländern, um sie im selben Zuge zu diskriminieren. So funktionierte das System des Imperialismus und Kapitalismus. Permanentes Wachstum bedeutete zwangsläufig auch Ausbeutung. Am dritten Tag ihrer Observation der Wohnung entdeckten sie Laurenz und Dieter. Sie spazierten aus dem Hinterhaus, gingen an einem heruntergekommenen Atelier vorbei über den Innenhof und stiegen auf der Straße in ein Taxi, als sei es das Normalste auf der Welt. Als seien sie nicht Bürger der DDR, Abtrünnige, Verräter am eigenen Volk. Josef fühlte sich in all seinen Vermutungen bestätigt. Erst hatte Greta mithilfe eines lächerlichen Tricks mit einem Luftballon Kontakt zu seinem Sohn aufgenommen – das immerhin war der Stasi in Person von Hilde nicht verborgen geblieben –, dann hatte sie ihn aus der DDR geschmuggelt und anschließend bei sich in der Wohnung aufgenommen. Das alles konnte selbst eine patente Person wie Greta nicht ohne Hilfe bewerkstelligt haben.

Josef benötigte nicht lange, um die Identität der Helfer aufzuklären. Wie so oft kam es darauf an, im richtigen Moment bei bestimmten Leuten Druck aufzubauen. Das zählte er zu seinen leichtesten Übungen, erst recht wenn sein Motiv persönliche Rache war. Diese Schweine hatten ihn zum Narren gehalten. Dafür würden sie bezahlen. Nach einigen Wochen hatte er fünf Namen auf einem Zettel stehen. Die beiden obersten ließ er von seinen Kollegen bearbeiten. Sie besaßen eine Autowerkstatt in Ostberlin. Die Männer wurden verhaftet und verschwanden in den tiefsten Höhlen von Hohenschönhausen. Den Rest wollte er selbst erledigen.

»Ich bin eine Katze«, sagte er zu Lutz, als sie sich in einer Kneipe auf dem Land in der Nähe der niederländischen Grenze mit Münsterländer Doppelkorn betranken. »Ich bin eine alte, lausige Katze. Ich bin nicht der König, aber ich bin eng mit ihm verwandt, mit dem König der Tiere, verstehst du.«

Er war sich sicher, dass Lutz überhaupt nichts verstand, aber sein Geselle nickte eifrig, bevor er auf die Theke kotzte. Der Wirt war sauer, aber sie zahlten gut und das besänftigte den Mann. Als sie am nächsten Tag ihren Rausch ausgeschlafen hatten, brachen sie auf, um sich um Stephan Pedersen zu kümmern. Der Mann war ein eingebildeter Idiot. Er hielt sich für einen Linken, für einen Widerstandskämpfer, gleichzeitig arbeitete er als Geologe für einen Energiekonzern und half beim Abbau der westdeutschen Braunkohlevorkommen. Sie passten ihn in einem dunklen Waldstück in der Nähe eines Golfclubs ab und zwangen ihn in ihren Lieferwagen. Auf einer nahen Autobahnbrücke scheuchte sie ihn aus dem Wagen. Ironischerweise mussten sie kaum nachhelfen, um Stephan Pedersen von der Brücke zu bugsieren, denn er rannte, anscheinend in Unkenntnis über seine Situation, panisch von alleine zum Rand der Fahrbahn. Dort schwang er sich mit einem Bein über die Leitplanke, zögerte dann, als ihm Gewahr wurde, wo genau er sich befand, doch bevor er zurück konnte, gab ihm Lutz einen letzten Schubs. Mit einem lauten, dumpfen Schlag prallte Pedersen auf die Fahrbahn und wurde von einem LKW in Stücke gerissen. So erging es den Feinden der Republik. Und so erging es den Feinden von Josef Tillinger.

Anschließend folgte Jochen Maus. Der kleine Mann saß seit seinem Unfall Anfang der Siebziger im Rollstuhl und wurde von Tag zu Tag fetter, da er nichts tat, außer sich in amerikanischen Schnellrestaurants vollzustopfen. Menschen wie Maus widerten Josef an. Wie konnte ein verfressener Krüppel den gesamten Staatsapparat der DDR lächerlich machen und helfen, die Familie eines ranghohen Stasibeamten in den Westen zu schmuggeln? Ausgerechnet diese ekelhafte Ausgeburt des hemmungslosen Konsums, maßlos und würdelos in einem.

Sie holten ihn eines nachts aus seiner Wohnung. Er schrie zuerst. Lutz schlug ihm solange in seinen wulstigen Bauch, bis ihm der Atem fehlte, um mehr als ein Winseln hervorzubringen. Sie trugen Maus samt Rollstuhl hinaus und verfrachteten ihn in den Lieferwagen. Ihre Aktion war plump und unprofessionell, aber die Polizei im Westen war so dämlich, sie würde ihnen sowieso nicht auf die Spur kommen. In spätestens einer Woche würden sie zurück in der DDR sein. Dort konnte ihnen niemand etwas anhaben.

Sie brachten Maus zu einem alten Bauernhof. Auf dem Hof prügelte Josef auf den Krüppel ein, bis ihm die Fingerknöchel schmerzten. Den Rest überließ er Lutz. Sie versenkten den Leichnam samt Rollstuhl in einem alten, trockenen Brunnenschacht. Auf der Rückfahrt in die Stadt bemerkte Josef, dass ihm ein halber Zahn im Handrücken steckte. So groß war sein Furor gewesen. Selbst seinen eigenen Schmerz hatte er nicht mehr wahrgenommen.

Als nächstes folgte die Aktion mit Gideon Goldmann. Zuerst brachen sie in seinen luxuriösen Bungalow ein, während er sich auf einer Geschäftsreise befand. Lutz hatte die Vorarbeit geleistet und anscheinend dabei übersehen, dass Goldmann einen Hund besaß. Das große Tier kam Zähne fletschend im Garten auf sie zugestürmt. Lutz zog seine Waffe, die er mit einem Schalldämpfer bestückt hatte, um den Hund zu erledigen. Er war ein guter Schütze, das wusste Josef. Aber der Hund konnte nichts für Lutz‘ Schlampigkeit in der Vorbereitung ihres Einbruchs. Josef drückte die Pistole beiseite, bevor sich ein Schuss gelöst hatte und trat dem Hund entgegen. Er streckte seinen Arm aus und ging in die Knie. »Lass gut sein, alter Junge. Du bist nicht mehr wildes Tier als ich«, sagte er leise. Der Hund kam ganz nah, stieß seinen heißen Atem auf Josefs Hand und berührte sie dann ganz sacht mit seiner feuchten Nase.

Tankred und die Bergsteiger

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