Читать книгу Tankred und die Bergsteiger - Ulf Kramer - Страница 18

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KOK

Ich sitze alleine am Küchentisch und überlege, was ich frühstücken könnte. Sechsunddreißigjährige sollten nicht so ihren Morgen verbringen. Die sollten eine Familie haben, Kinder, einen Hund oder eine Katze, ein paar Guppys im Aquarium, Kunstdrucke von Cézanne oder einem deutschen Expressionisten an der Wand, vielleicht von Macke, der kam aus dem Sauerland, das wirkt auf mich sympathisch, weil ich das Sauerland nicht mit großer Kunst assoziiere und der Bruch von Klischees das Leben lebenswerter macht.

Mein Blick fällt auf das Buch, das neben einem trockenen Camembert liegt, der schon verdächtig stark nach Füßen riecht. Der Verlag hat es mir geschickt. Es ist schon eine Weile her, dass ich einen Auftrag erhalten habe. Zuerst habe ich mich gefreut, mal wieder etwas übersetzen zu können. Doch bisher habe ich weder in der digitalen Versionen auf meinem Computer noch in der analogen vor mir ein Wort gelesen. Seit vorgestern scheint das sowieso überflüssig. Wozu brauche ich das alles? Einen eigenen Feinkostladen? Einen Job? Geld? Eine Freundin? Einen Bruder? Eine Mutter bei klarem Verstand? Das ist was für Normalbürger. Ich lebe die Revolution. Allerdings heute etwas gemächlicher als sonst.

Ich drehe das Buch einmal um neunzig Grad. Das Cover hat bereits ein wenig gelitten. Unten links ist der Abdruck einer Kaffeetasse zu sehen, daneben befinden sich schmutzige Fingerabdrücke, vielleicht ist es auch Schokolade, und über dem Titel liegt ein Kronkorken. Ohne das Stillleben zu zerstören, ziehe ich das Buch über die Tischplatte zu mir heran. Es handelt vom Bergsteigen. Eine mir unbekannte Amerikanerin hat es geschrieben. Der Verlag hat beschlossen, es ins Programm aufzunehmen. Anscheinend meinen meine Bosse, das deutschsprachige Publikum benötige Nachhilfe in Sachen Alpinismus aus Übersee. Ich bezweifele das. Aber als freischaffender, nebenberuflicher Übersetzer sucht man sich seine Aufträge nicht aus. Die Vorstellung, das Buch aufzuschlagen und darin zu lesen, lähmt meinen Körper und meinen Geist. Jede Bewegung scheint unendlich schwer, meine Arme sind mit Blei gefüllt, meine Gedanken fließen träge dahin wie ein langsam erkaltender Lavastrom – kein Pyroklast, sondern nur schwulstige Masse.

Ich schiebe das Buch zur Seite. Der Kronkorken fällt auf den Tisch, rutscht dort über die Kante und landet auf dem Boden. Ich lasse ihn achtlos liegen. Soll er doch machen, was er will. Ich kontrolliere die Dinge um mich herum nicht mehr, ich erdulde sie bestenfalls. Ich erwäge, Brötchen kaufen zu gehen, als es klingelt. Widerwillig schleppe ich mich in Boxershorts und T-Shirt zur Tür. Vielleicht ist es wieder Alina. Canossagang Teil zwei. Ich hoffe, sie hat nicht Linus im Schlepptau. Das würde ich nicht verkraften. Ich drücke den Summer der Haustür, lehne die Wohnungstür an, gehe zurück in die Küche und setze einen Kaffee für mich auf. Abgeben werde ich ihr nichts.

»Klopf, klopf«, höre ich kurz darauf jemanden im Flur rufen.

»Mach dich nicht lächerlich«, sage ich genervt und friemel einen Kaffeefilter in die Maschine. »Deine Scheißsachen sind im Arbeitszimmer. Und du darfst von mir aus auch den Schlüssel benutzen, solange du ausziehst. Danach kannst du ihn einfach hier auf den Küchentisch legen.«

»Ehrlich gesagt habe ich nicht die Absicht auszuziehen.«

Wütend schalte ich die Kaffeemaschine ein. Ich will aufbrausen, dann wird mir bewusst, dass die Stimme nicht die Alinas ist. Ich drehe mich hastig um. In der Tür zur Küche steht eine dünne Frau mit langen, braunen Haaren. Sie ist jünger als ich, wirkt aber seltsam ernst, als sei sie Leichenbestatterin oder Blauebriefüberbringerin – falls es so etwas gibt. Sie trägt enge schwarze Jeans und eine dünne Lederjacke.

»Ich glaube, Sie haben sich in der Tür geirrt«, sage ich mürrisch.

»Sie sind nicht Herr Deutsch?«

»Doch, aber sie wollen bestimmt nicht zu mir. Ich bin getrennt, revoluzze und koche Kaffee.«

Sie nickt, als wundere sie das nicht, und stellt sich dann als Kriminaloberkommissarin Termoltke vom BKA vor, was mich erstaunt, weil in meiner Fantasie Kommissarinnen alt, hässlich und weniger zerbrechlich sind als diese Frau vor mir.

»Ich habe ein paar Fragen …«

»Wegen meiner Mutter«, unterbreche ich sie und deute ihr an, am Küchentisch Platz zu nehmen. Ich freue mich nicht über Besuch von der Polizei, hoffe aber, sie durch dezente Kooperation schnell wieder loszuwerden.

Sie nickt und schaut auf meine Beine.

»Ich kann mir auch was überziehen, falls das …«, ich zögere, »… unangemessen ist.«

Sie verneint und fragt zu meiner Überraschung nach meinem Befinden. Wahrscheinlich hat sie eine Fortbildung gemacht. Advanced Empathie for Bundespolicewomen. So nennen Behörden die Dinge im Jahre 2013. Muss ja auch nach Kompetenz klingen. Ich lächele, sie schaut skeptisch.

»Mir geht’s super!«, sage ich und nicke, als wolle ich mich selbst bestätigen. »Meine Mutter ist im Gefängnis, meine Ex-Freundin vögelt mit meinem Bruder, aber das wissen Sie sicher, schließlich stehen sie an der Spitze der Informationskette.«

Sie presst ihre Lippen fest aufeinander, woraufhin sich kleine Falten links und rechts der Mundwinkel bilden. »Sie sind Ihrer Mutter wirklich sehr ähnlich.«

Ich weiß nichts mit dieser Behauptung anzufangen. »Soll das ein Kompliment sein?«

»Das ist mir egal.« Sie schaut sich um und bleibt an den Kisten hängen, die kreuz und quer über dem Boden verteilt stehen. »Hat ihr Umzug mit Ihrer Mutter zu tun?«

»Ist das eine Frage oder eine Feststellung?«

Sie schüttelt den Kopf. »Kriege ich einen Kaffee?«

»Ist alle«, lüge ich, während die Maschine die letzten Tropfen Wasser in den Filter röchelt. »Wie wäre es mit Bier? Ich habe auch noch ein oder zwei Flaschen Wein da, den wir in unserem Geschäft für regionale Feinkostwaren verkaufen. Na ja, oder verkauft haben, weil wir schließen werden.«

Sie deutet mit dem Zeigefinger auf die Kaffeemaschine. »Ich trinke morgens keinen Alkohol, aber von dem Kaffee da in der Maschine nähme ich gern etwas.«

»Das ist Supermarktware«, sage ich. »Der Wein ist besser.«

»Was anderes bin ich nicht gewohnt. Ich bin Beamtin.«

Sie lächelt und ich schaue weg, um sie nicht sympathisch finden zu müssen. Wir schweigen eine Weile, bis ich ihr eine Tasse dampfenden Kaffee unter die Nase schiebe.

»Schwarz, nehme ich an«, sage ich.

»Woher wissen Sie das?«, fragt sie in einem neckischen Tonfall, den man, wäre sie keine BKA-Beamtin, als Auftakt zu einem Flirt verstehen könnte. Aber Polizistinnen flirten glücklicherweise nicht.

Sie nippt an dem Kaffee und verzieht das Gesicht. Anscheinend ist er ihr noch zu heiß. Ich beobachte, wie sie ihren schlanken Zeigefinger über den Rand der Tasse gleiten lässt, um ihn dann ganz kurz in den Mund zu stecken und abzulecken. »Darf ich hier rauchen?«

Ich hatte sie asketisch eingeschätzt, scheine mich aber zu irren. »Nee, besser nicht.«

Sie legt eine Schachtel Gauloise auf den Tisch. »1985 hat ihre Mutter mit drei Freunden geholfen, Laurenz und Dieter Tillinger nach Westdeutschland zu schmuggeln.«

Ich nicke.

»Wie haben sich Laurenz Tillinger und Ihre Mutter kennengelernt?«

»Ist das nicht egal?«

Sie rollt mit den Augen. Die Geste wirkt eingeübt.

»Das ist eine seltsame Geschichte«, sage ich resignierend. »Ich habe damals bei einem Schulfest an einem Luftballonwettbewerb teilgenommen. Ich glaube, heute macht keiner mehr solche Sachen, das ist zu analog und Umweltverschmutzung und so eine bisschen wie Toast Hawaii.«

Sie kratzt sich an der Stirn. Mir fallen ihre Finger auf, die ziemlich gepflegt wirken und schön sind. Ihre Nägel sind dunkelbraun lackiert und harmonieren mit ihrer Haarfarbe. Das habe ich noch nie über jemanden gedacht, überlege ich verwundert. Finger waren bisher Finger für mich. Anscheinend ändert sich gerade alles, auf nichts ist mehr Verlass.

»Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz«, murmelt sie und leckt den Rand ihrer Kaffeetasse ab.

»Toast Hawaii war doch so ein Ding in den Achtzigern, aber heute kommt kaum noch einer auf die Idee, Toast Hawaii zu machen, das hat seinen Charme verloren, weil es nichts Neues mehr ist, sondern ein alter Hut, wenn Sie verstehen, was ich meine, so wie …«

»Schon gut, ich glaube, ich weiß, worauf sie hinauswollen«, sagt sie und lächelt. Ihre Zähne sind extrem weiß.

»Außerdem sind Käse und Schinken auf Toast Hawaii kanzerogen.«

Sie spielt mit der Schachtel Zigaretten herum, als langweile sie sich.

»Auf jeden Fall habe ich bei dem Luftballonwettbewerb teilgenommen«, fahre ich fort, »und mein Ballon ist direkt bis nach Eisenach in den Garten der Familie Tillinger geflogen. In die DDR. Spreewaldgurken und so.«

»Ich weiß, wo Eisenach ist. Wartburg. Luther. Tintenfass. Und ich brauche keine weiteren Analogien zu Toast oder anderen Lebensmitteln.«

Ich spüre plötzlich Ungeduld in ihrer Stimme, obwohl sie sich nach wie vor betont lässig gibt.

»Das war es eigentlich schon. Der Ballon ist gelandet, die Tillingers haben die Karte daran zurückgeschickt, ich habe den ersten Preis gewonnen und irgendwann später sind meine Mutter, meine Geschwister und ich in die DDR gefahren, um die Tillingers zu besuchen.«

»Ein merkwürdiger Zufall. Finden Sie nicht?«

»Na ja, wäre der Ballon nicht dort gelandet, dann eben woanders und jemand anderes hätte ihn gefunden. Das ist doch irgendwie das Prinzip eines solchen Wettbewerbs. Der Zufall.«

»Ihr Ballon landet im Garten einer Familie, mit der Ihre Mutter seit Jahrzehnten bekannt ist. Klingt für mich unglaubwürdig.«

»Nee, nee«, widerspreche ich. »BKA hin oder her, aber das ist Quatsch. Meine Mutter hat die Tillingers zum ersten Mal 1984 getroffen. Wir sind zusammen …«

»Kennen Sie Josef Tillinger?«, unterbricht sie mich.

»Das ist der Großvater von meinem Freund Dieter.«

Ich finde es eigenartig, Dillingers richtigen Namen zu benutzen. Das mache ich schon seit über zwanzig Jahren nicht mehr.

»Haben Sie Josef Tillinger mal getroffen?«

»Nein. Seit ihrer Flucht aus der DDR haben Dieter und Laurenz keinen Kontakt mehr zu ihm. Der war angeblich bei der Stasi oder so.«

»Nicht angeblich. Er war ein ziemlich hohes Tier.«

Ich ärgere mich, weil mich die Kommissarin auf eine falsche Fährte setzt. »Was hat das mit dem Ballon zu tun, der …«

»Vergessen Sie Ihren Ballon, Herr Deutsch«, sagt sie erstmals ungeduldig. »Keine Ahnung, was sich Ihre Mutter dabei gedacht hat, aber dieser Ballon ist nicht von Ihrer Schule in den Garten der Familie Tillinger geflogen. Das ist vollkommen ausgeschlossen.«

»Vielleicht sollten wir doch rauchen«, sage ich und spüre ein leichtes Schwindelgefühl.

Sie schiebt mir das Päckchen Gauloise über den Tisch. Ich stecke mir eine an, die erste seit über einem Jahr, und stelle eine leere Milchpackung als Aschenbecher in die Mitte zwischen uns.

»Warum könnte Ihre Mutter das getan haben? Ihren Freund, dem sie einst zur Flucht aus der DDR verholfen hat, niederschlagen.«

Wenn ich das wüsste, säße ich nicht hier und würde Gauloise rauchen, denke ich. »Keine Ahnung.«

»Hat sie Tillinger in ihre Wohnung gelockt, um ihn vorsätzlich zu töten?«

Ich huste. »Meine Mutter ist doch keine Mörderin. So ein Blödsinn.«

»Gut«, sagt sie und greift ihrerseits nach den Zigaretten. »Aber sie hat einem Menschen so hart auf den Kopf geschlagen, dass dieser jetzt im Koma liegt und ums Überleben ringt.«

»Für mich ist das mindestens so verrückt wie für Sie«, antworte ich leise.

Ich habe den Eindruck, sie will nach meiner Hand greifen und sie tröstend drücken. Stattdessen ascht sie in die Milchtüte. »Ihre Großmutter stammt aus Schlesien?«

Der erneute Themenwechsel verunsichert mich. »Meines Wissens schon. Aber sie ist vor meiner Geburt gestorben.«

»Sie hat sich 1945 in Dortmund als Flüchtling registrieren lassen.«

Ich zucke mit den Schultern.

»Kennen Sie Ihren Großvater?«

»Wie jetzt? Kennen?« Sie berührt einen sensiblen Bereich unserer Familiengeschichte, der nie thematisiert worden ist.

»Wissen Sie, wer er ist?«

»Sie sind doch die allwissende BKA-Tussi.« Der Ausdruck rutscht mir so heraus. Ich rechne mit einer Zurechtweisung, aber KOK Termoltke ignoriert meinen kleinen Fauxpas und schaut mich einfach nur mit ihren großen Augen an. Sie ist Teil des gnadenlosen Überwachungsapparats unserer nahezu perfekten Demokratie. Bei solchen Leuten muss man auf der Hut sein, so sympathisch sie auch rüberkommen mögen. »Tut mir leid, war nicht böse gemeint.«

»Schon gut«, sagt sie und lächelt dabei nicht einmal künstlich, sondern scheinbar aufrichtig erheitert. »Was ist jetzt mit Ihrem Großvater?«

»Ich glaube, den gibt’s gar nicht.«

»Ihre Mutter wird kaum von jungfräulicher Geburt sein, auch wenn ihre Großmutter Maria hieß.«

Was für ein Scheißspruch, denke ich, sehe aber darüber hinweg. Mit der Sache mit der Tussi steht es jetzt eins zu eins. All square wie man im Golfsport sagt. Keine Ahnung, woher ich das weiß. Ich interessiere mich nicht für Golf. Das ist mir zu elitär. So etwas kann ich nicht leiden. Da komme ich ganz nach meiner Mutter. »Also Ihre Art der Gesprächsführung verwirrt mich irgendwie«, sage ich nachdenklich. »Das ist so von Höcksken auf Stöcksken oder wie das heißt.«

»Sie wissen also nichts über Ihren Großvater mütterlicherseits.«

»Nein. Über den wird in meiner Familie nicht gesprochen. Deshalb gibt’s den ja auch nicht.«

KOK Termoltke greift in ihre Handtasche und reicht mir ein Schwarz-Weiß-Foto. Darauf sind zwei Männer und eine Frau an der Kanalschleuse im Norden der Stadt zu erkennen. Heute sieht es dort anders aus, deshalb muss die Aufnahme ziemlich alt sein. Obwohl das Foto aus einiger Entfernung geschossen worden ist, kann ich die junge Frau als meine Mutter identifizieren. Sie trägt einen kurzen Rock und eine bunte Jacke. Ihre hellen Haare fallen ihr lang auf den Rücken.

»Von wann ist die Aufnahme?«, frage ich.

»1971.«

Ich rechne. Einundsiebzig minus sechsundvierzig. Meine Mutter ist auf dem Foto über zehn Jahre jünger als ich heute. Mich schockiert, sie in dem Alter zu sehen. Das ist nicht meine Mutter, das ist eine aufreizend gekleidete, ziemlich hübsche Hippiefrau. Vielleicht war sie damals sogar schon mit Linus schwanger. Der ist 1972 geboren. Sehen kann man noch nichts. Meine Mutter ist extrem schlank und wirkt trainiert. Sie kommt mir gänzlich unbekannt vor. Das verunsichert mich.

»Der ältere Mann dort ist Josef Tillinger«, erklärt KOK Termoltke und deutet auf einen der Männer auf dem Foto.

»Laurenz Tillingers Vater.«

»Richtig. Sie halten einen von mehreren Beweisen in der Hand, dass Ihre Mutter und die Familie Tillinger sich lange vor 1984 kannten.« Sie schaut mich mitleidig durch den Rauch an. »Laut Stasi-Akten haben Ihre Großmutter und Ihre Mutter in den Sechzigern mindestens ein Dutzend Mal Josef Tillinger in der DDR besucht. Damals hat Ihre Mutter Laurenz Tillinger kennen gelernt. Die beiden hatten eine Weile eine sexuelle Beziehung.«

Ich werfe die Zigarette in die Milchtüte und kämpfe mit dem Schwindel, der vermutlich nicht vom Nikotin kommt. KOK Termoltke macht mich fertig. »Und dann treffen sie sich in den Achtzigern wieder …«

»… und Ihre Mutter verhilft Laurenz zur Flucht«, beendet die Kommissarin meinen Satz. »Und achtundzwanzig Jahre später schlägt sie Laurenz Tillinger mit einer Pfanne ins Koma.«

»Während die anderen Fluchthelfer von damals entweder tot oder verschwunden sind beziehungsweise von der Stasi entführt wurden«, murmele ich.

»Über die Schicksale von Jochen Maus, Stephan Pedersen und Gideon Goldmann wissen Sie also Bescheid.«

Ich nicke geknickt. »Meine Mutter hat mich zwar offensichtlich in einigen Punkten belogen, aber die Sache mit der Flucht und den Fluchthelfern ist in der Familie damals Thema gewesen. Seitdem aber nicht mehr.«

»Können Sie sich vorstellen, dass die Tat Ihrer Mutter in einem Zusammenhang mit der Flucht von Laurenz Tillinger stehen könnte?«

Ich blase die Wangen auf. »Scheiße, selbst wenn, dann würde ich Ihnen das nicht sagen.«

KOK Termoltke blickt unzufrieden aus dem Fenster. Sie macht nur ihren Job und das vermutlich gar nicht mal schlecht. Ich kann ihr nicht böse sein.

Sie greift nach dem Foto und verstaut es in ihrer Tasche. »Der andere Mann auf dem Bild, das ist Christoph Quarz.«

Ich kann mich eine Zeitlang nicht bewegen, hocke stillschweigend auf meinem Platz und starre auf die Tischplatte. Noch Stunden nachdem sie gegangen ist, hängt ein unangenehmer Geruch nach kaltem Rauch in der Küche, der mich daran erinnert, was sie erzählt hat. Warum trifft sich meine Mutter 1971 mit einem Stasimann? Wurde sie vom BKA beschattet? Was hat mein Vater, den ich kaum kenne, mit der Angelegenheit zu tun? Warum ist er auch auf dem Foto? War meine Mutter am Ende eine Spionin der DDR? Oder drehe ich endgültig durch?

Anscheinend sollte man sich der Dinge niemals sicher sein. Ein unangenehmes Gefühl, das mir seit zwei Tagen sehr vertraut erscheint.

Tankred und die Bergsteiger

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