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Dade Police Department in Miami, Florida
ОглавлениеGene Mcfaddin kannte mehr als die Hälfte der anwesenden Polizeibeamten, die auf der Wache Dienst versahen. Das Police Department von Dade County lag am Doral Boulevard. Elf Jahre hatte Gene Tag für Tag seinen Wagen auf dem großen Parkplatz hinter dem Präsidium geparkt, bevor er seinen Dienst quittieren musste. Bis zum Detective Sergeant hatte er es gebracht. Das war nun vier Jahre her. Als ihn Amy damals verließ, verlor er nicht nur seine Frau und seine Tochter, er verlor auch seinen Halt. Nacht für Nacht versuchte er seinen Schmerz mit Bourbon zu betäuben, und bald reichten ihm die Nächte nicht mehr. Er trank heimlich, im Archiv oder in der Toilette, überall hatte er seinen Flachmann dabei. Bald konnten die Pfefferminzbonbons, die er lutschte, seine Fahne nicht mehr verbergen. Die Kollegen schwiegen, und auch der Leutnant sagte nichts. Nur einmal erfuhr er, dass jeder in der Abteilung von seinem Alkoholproblem wusste. Damals sollte er Detective Cavallino als Streifenpartner zugeteilt werden, doch dieser lehnte vehement ab. »Mit dem Säufer bin ich da draußen aufgeschmissen«, hatte Cavallino zum Leutnant gesagt. Gene stand vor der Tür und hatte alles mit angehört. Doch er hatte nicht protestiert. Er ging auf die Toilette und trank seinen Flachmann in einem Zug leer. Anschließend hatte er sich für den Rest der Woche krankgemeldet.
In der darauffolgenden Woche wollte er zusammen mit Ryan einen Handtaschenräuber auf dem Doral Boulevard unweit des Parks verhaften. Als der junge Farbige einen Fluchtversuch unternahm, drehte Gene durch und prügelte ihn mitten auf der Straße vor etlichen Passanten krankenhausreif. Das war das Ende seiner Karriere. Der Commissioner hatte ihn kurz nach dem Vorfall auf der Dienststelle aufgesucht und ihm nahegelegt, seinen Dienst zu quittieren. Zwei Tage später gab Gene seine Dienstmarke ab, so kam er wenigstens einer Anklage wegen Polizeibrutalität zuvor. Der junge Farbige verzichtete auf eine Anzeige.
Seither schlug er sich als Privatdetektiv durchs Leben, überwachte Clubs, schützte Supermärkte vor Ladendieben oder lief sich für besorgte Ehefrauen die Füße wund. Es war nicht leicht, in Miami zu überleben, doch bislang hatte er es geschafft. Und auch seine Alkoholsucht hatte er bis auf wenige Wochenenden im Jahr einigermaßen in den Griff bekommen.
Gene betrat das Police Department durch die große Glastür und genoss die angenehme Kühle. Hinter einer schusssicheren Glasscheibe saß ein junger uniformierter Polizist.
»Mcfaddin«, sagte Gene in das kleine Mikrophon und warf seinen Detektivausweis in die Durchreiche. »Ich möchte zu Detective-Leutnant Ryan.«
Der Polizist warf einen prüfenden Blick auf den Ausweis und griff zum Telefon.
»Nehmen Sie Platz, Detective Leutnant Ryan holt Sie in wenigen Minuten ab«, antwortete der Polizist, nachdem er den Hörer aufgelegt hatte.
Es dauerte drei Minuten, bis Ryan die Sicherheitsschleuse öffnete und ihn in Empfang nahm.
»Immer mehr neue Gesichter«, sagte Gene. »Bald kennt mich hier kein Mensch mehr.«
»Das zeigt uns nur, wie schnell die Zeit vergeht. Was führt dich nach so langer Zeit wieder einmal in die Höhle des Löwen?« Ryan sah ihn neugierig an.
»Ich suche jemanden.«
Ryan lachte. »Das tun wir hier alle, jeden Tag, hast du das vergessen?«
Sie fuhren mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock. Ryan teilte sich ein Büro mit einer jungen Kollegin. Nach seiner Beförderung zum Leutnant hatte er das Großraumbüro hinter sich gelassen. Ryans Kollegin blickte kurz auf, als die beiden das Büro betraten.
»Das ist Diana«, stellte Ryan seine Zimmergenossin vor.
Gene nickte der blonden Frau zu.
»Das ist Gene, er war ein Kollege, aber er hat es vorgezogen, das sinkende Schiff rechtzeitig zu verlassen. Er arbeitet jetzt auf eigene Rechnung.«
Diana nickte nur und widmete sich weiter ihren Akten.
Ryan schob Gene einen Stuhl zu, bevor er sich in seinen Sessel fallen ließ. »Wie lange ist dein letzter Besuch her, acht, nein, neun Monate«, überlegte Ryan laut.
»Zumindest stand damals dein Schreibtisch noch im zweiten Stock, nicht weit von den Zellen entfernt.«
»Mein Gott, ich habe mir die Beförderung redlich verdient«, antwortete Ryan. »Die Neuen kommen von der Akademie und haben alle studiert. Die fallen die Treppe hinauf, so schnell kann ich nicht einmal denken. Und die alten Hasen sterben langsam aus. Vorgestern ist Vargas in Pension gegangen. Jetzt gibt es nur noch Cavallino, Stern und Myers, alle anderen sind schon gegangen. Aber das interessiert dich bestimmt nicht mehr, weshalb bist du gekommen?«
»Ich sagte schon, ich suche nach jemandem.«
»Und ich soll dir helfen, ihn zu finden?«
»Du kannst mir zumindest dabei behilflich sein.«
»Und dann? Knallst du ihn ab, oder lässt sich seine Frau von ihm scheiden?«
»Schlimmer, viel schlimmer«, erwiderte Gene.