Читать книгу Mutiert - Ulrich Hefner - Страница 15
Brownsville in Miami, Florida
ОглавлениеJake war ein Riese mit bronzefarbener Haut und Muskelpaketen, die selbst Profiboxer hätten neidisch werden lassen. Doch er war weder besonders intelligent, noch mochte er unangemeldete Besuche. Nachdem Gene mehrfach geklopft hatte, riss Jake die Tür auf und baute sich vor ihm auf.
»Was soll das, Mann!«
Gene lehnte sich locker an den Türrahmen und grinste den Muskelprotz unbeeindruckt an.
»Bist du von der Bewährungsaufsicht oder bist du ein Bulle?«
Gene spielte den Coolen, wenngleich er wusste, dass er nur geringe Chancen hatte, wenn dieser Riese erst einmal in Wallung kam. »Was wäre dir lieber?«
»Wer sind Sie?«
»Sagen wir, ich habe ein paar Fragen. Und wenn mich deine Antworten zufriedenstellen, bin ich auch schon wieder weg.«
»Also doch ein Bulle.«
Gene blieb ungerührt. »Hier draußen, oder gehen wir rein?«
Jake trat einen Schritt zur Seite und gab den Weg frei. Gene ging durch den kurzen Flur in das einzige Zimmer, das es hier in dieser Kellerwohnung gab. Überall lagen Klamotten umher. Es war unordentlich und schmuddelig. Nur in einer Ecke des Zimmers, dort wo ein Trimmgerät mit Gewichten stand, schien es etwas aufgeräumter.
»Was willst du von mir, Bulle?«, fragte Jake, der in seinem eigenen Reich offenbar wieder Fassung gewonnen hatte. Gene kannte diese Sorte Menschen noch gut aus seiner Dienstzeit. Sobald sie ihr Gegenüber nicht einschätzen konnten, wurden sie unsicher. Doch auf heimischem Terrain waren sie wie Hunde, die ihr Revier verteidigten.
»Ich suche nach Tarston«, sagte Gene und suchte nach einer Sitzgelegenheit. Er beschloss, weiterhin den Überlegenen zu spielen, wischte ein paar Zeitschriften von einem Stuhl und ließ sich locker darauf nieder.
»Tarston wohnt nebenan«, kam es zurück.
»Oh, ein Intelligenzbolzen. Da wäre ich alleine nie drauf gekommen. Wann hast du ihn das letzte Mal gesehen?«
»Ich interessiere mich nicht für ihn.«
»Bewährungshilfe, soso«, antwortete Gene gelassen. »Wir können uns auch auf dem Revier weiter unterhalten.«
»Ich habe nichts mit ihm zu schaffen. Er ist schon seit drei Wochen nicht mehr hier gewesen.«
»Er hatte einen Freund, so einen dunkelhaarigen Collegeboy, du erinnerst dich bestimmt an ihn. Er passt eher nach Miami Beach als in diese Gegend.«
»Was ist mit ihm?«
»War er bei ihm, als du ihn das letzte Mal gesehen hast?«
»Ich habe keine Ahnung«, entgegnete Jake und setzte sich im Schneidersitz auf den Boden.
»Du trainierst?«
»Sieht man doch.«
»Bist du gut?«
»Gut wofür?«
»Sagen wir, im Ring. Wie viele Runden hältst du durch?«
»Ich bin zufrieden.«
»Dann sorge dafür, dass es so bleibt. Sonst boxt du neuerdings wieder für das Big Pine Team.«
»Mann, warum könnt ihr Bullen einen nicht einfach in Ruhe lassen. Ich habe weder mit Tarston noch mit dem Collegeboy was am Hut. Er wohnt nebenan, das ist alles.«
»Ich weiß, dass ihr zusammen früher durch die Vorstadt gezogen seid.«
»Mann, das ist ein ganzes Leben her. Tarston war in der letzten Zeit nur noch abgedreht.«
Gene horchte auf. »Hatte er ein Ding am Laufen?«
Jake lachte laut. »Er hatte immer Dinger am Laufen, aber nichts klappte. Er ist ein typischer Loser. Aber frag nicht mich, Bulle. Frag seinen Bruder.«
»Er hat einen Bruder?«
»Ja, Mann«, antwortete Jake gedehnt. »Schaut ihr eigentlich nie in eure Bullencomputer, wenn ihr nach jemandem sucht? Sein Bruder war in letzter Zeit ein paar Mal hier. Ist so ein glatzköpfiger White-Army-Typ mit einer Kriegsbemalung an den Armen, dass man meinen könnte, von hier bis hinauf nach Norland gäbe es keine Farbe mehr.«
»Wo finde ich den Bruder?«
Jake schüttelte den Kopf. »Muss ich euch Bullen alles sagen, Mann? Er war Armypilot und wohnt in der Nähe vom Opa-Locka-Flughafen. Tarston erzählte mal etwas von einer Fluggesellschaft. Er wollte selbst den Pilotenschein machen. Aber das ist schon eine ganze Weile her. War bestimmt wieder so ’ne Geschichte von ihm.«
Gene erhob sich. »Eine letzte Frage noch«, sagte er. »Hat er einen Wagen?«
Jake nickte. »Einen roten BMW. Ein uraltes Ding. Hatte ihm seine letzten Dollars gekostet und ist ständig kaputt. Er hat eben kein Glück, nicht einmal beim Autokauf.«
Gene nickte wortlos und verließ die Wohnung. Einen Augenblick blieb er vor Jean Tarstons abgenutzter Tür stehen. Er drückte gegen den Türknauf, aber die Wohnung war verschlossen. Er würde später noch einmal wiederkommen.