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Eine Woche später – Liberty City in Miami, Florida, USA
ОглавлениеEine Dunstglocke lag schon seit Tagen über der Stadt und hielt die feuchte und schwüle Luft darunter gefangen. Die Temperaturen lagen bei dreißig Grad und die Luftfeuchtigkeit bei nahezu fünfundachtzig Prozent. Die Menschen mieden die vor Hitze flirrenden Straßen und hatten sich in ihre Häuser zurückgezogen. Vier Mal war in den letzten Tagen in Liberty City der Strom ausgefallen, weil sämtliche Klimageräte in diesem Viertel gleichzeitig auf Hochtouren liefen.
Gene Mcfaddin räkelte sich in seinem Bürostuhl im zweiten Stock des nicht mehr ganz neuen Geschäftshauses in der 65. Straße und hatte seine Füße auf den Schreibtisch gelegt. Die Rollläden und die Fenster waren geschlossen. Gene trug nur legere Shorts und ein Muskelshirt, doch obwohl der Ventilator auf voller Stufe lief, vermochte er es nicht, den Raum auch nur ein klein wenig abzukühlen. Aus dem Radio dudelten Hits aus den Achtzigern.
Gene hielt eine Wasserflasche in der Hand und döste vor sich hin. Als es an der Tür klopfte, fuhr er erschrocken auf. Die Flasche fiel polternd zu Boden und das restliche Wasser ergoss sich über den staubigen Teppich.
Es klopfte erneut.
»Ja, schon gut!«, brummte Gene nicht gerade freundlich und erhob sich. Durch die Glasscheibe der Tür konnte er den Schatten einer zierlichen Person erkennen. Er öffnete, und vor ihm stand eine junge Frau mit langen, schwarz gelockten Haaren.
»Sind Sie Mcfaddin?«
»Ja. Was kann ich für Sie tun?« Gene trat einen Schritt zur Seite und bat sie herein.
»Ich brauche einen Privatdetektiv«, antwortete die junge Frau.
Gene wies auf den einzigen Besucherstuhl und nahm wieder hinter dem Schreibtisch Platz. »Da sind Sie bei mir nicht ganz falsch. Aber mit wem habe ich die Ehre?«
»Sharon«, erwiderte sein Besuch. »Sharon Cruiz. Ich brauche Ihre Hilfe.«
Gene musterte die Frau mit dem lateinamerikanischen Einschlag. Sie hatte ein hübsches Gesicht und die schönsten, gebräunten Beine, die Gene seit Monaten gesehen hatte.
»Was ist Ihr Problem?«
»Ich weiß nicht, ob ich Sie mir überhaupt leisten kann«, begann Sharon Cruiz etwas unsicher. »Ich habe tausend Dollar gespart. Aber ich weiß nicht mehr, was ich sonst noch tun soll.«
Er sah die Träne, die über ihre Wange lief und eine dunkle Spur aus Wimperntusche hinterließ. »Tausend Dollar, das ist ja auch eine Menge Geld.«
Sharon blickte zu Boden. »Mein Verlobter ist verschwunden«, sagte sie leise. »Seit zwei Wochen habe ich nichts mehr von ihm gehört. Peter ist zur Arbeit gegangen und am Abend einfach nicht zurückgekommen.«
»Peter, ist das Ihr Verlobter?«
Der Ventilator auf dem Schreibtisch stoppte plötzlich mit einem lauten Schlag. Der Propeller steckte fest. Gene beugte sich vor und klopfte mit der Faust gegen das Sicherungsgitter. Der Propeller befreite sich und lief surrend wieder an.
»Diese blöden Fünf-Dollar-Dinger taugen nichts«, nörgelte Gene.
Sharon nickte kurz. »Peter Harrison ist sein Name. Wir wohnen seit sechs Monaten zusammen. In Gladeview. Peter studiert Medienwissenschaften, und nebenbei jobbt er, damit ein wenig Geld hereinkommt. Wir können es nämlich brauchen. Ich bin schwanger.«
Gene griff nach einem Notizblock und schrieb den Namen des Vermissten auf. »Waren Sie schon bei der Polizei?«
Sharon schlug die Hände vor das Gesicht und schluchzte. Gene erhob sich, ging um den Schreibtisch und legte sanft den Arm um ihre Schultern.
»Sie haben gesagt, dass er sich aus dem Staub gemacht hat, weil ich schwanger bin. Sie können nicht nach ihm suchen, er ist erwachsen.«
»Hat die Polizei wenigstens in den Krankenhäusern nachgefragt oder geprüft, ob ein Zusammenhang mit einem Verbrechen vorliegt?«
»Der Officer hat ein paar Anrufe geführt, und dann hat er mir gesagt, dass er mir nicht helfen kann.«
»Entschuldigung, ich frage das nur, weil ich nicht unnötig Ihr Geld verschwenden will, aber könnte es nicht tatsächlich sein, dass er wegen des Kindes …«
Sharon sprang auf und krallte ihre Fingernägel in Genes rechten Arm. »Er liebt mich, und er hat sich das Kind gewünscht. Er hat sogar schon das Kinderzimmer gestrichen.«
»Schon gut, aber wenn ich Ihnen helfen soll, dann muss ich alles wissen.«
Sharon setzte sich wieder und seufzte. »Also gut, was müssen Sie wissen, um ihn zu finden?«
Auch Gene hatte wieder hinter seinem Schreibtisch Platz genommen. »Zuerst einmal, wo er am Tag seines Verschwindens gewesen ist.«
Sharon zuckte mit der Schulter. »Ich weiß nicht, was er an diesem Tag gemacht hat. Er nimmt Gelegenheitsjobs an. Auf dem Bau, als Möbelpacker, er war auch schon mal Wachmann für ein paar Tage. Aber die Leute wollten, dass er auch nachts für sie arbeitet. Jean hat ihn um neun abgeholt.«
»Jean?«
»Jean Tarston«, antwortete Sharon. »Er ist Peters Freund aus vergangenen Tagen. Ich habe ihn immer vor ihm gewarnt.«
»Haben Sie schon mit Jean gesprochen?«, fragte Gene. »Das wäre doch wohl das Einfachste.«
»Ich habe es versucht, aber Jean ist ebenfalls verschwunden.« Sharon Cruiz tupfte sich mit einem Taschentuch über die Wangen.
»Also gut, Lady. Wenn ich die Sache übernehme, wie erreiche ich Sie?«
Sharon schob das Taschentuch zurück in ihre Handtasche. »Ich melde mich bei Ihnen, das ist einfacher.«
»Ein bisschen mehr brauche ich schon. Zumindest eine Handynummer, falls ich noch Fragen habe.«
Sharon griff nach einem Stift und einem Zettel auf Genes Schreibtisch, schrieb ihre Nummer darauf und schob sie ihm zu.
»Okay, aber etwas Zeit werde ich schon brauchen«, gab Gene zu bedenken und reichte ihr seine Visitenkarte. »Ich gehe natürlich davon aus, dass Sie zu Hause schon alles nach einem möglichen Hinweis durchsucht haben?«
Sharon nickte.
»Dann kommen wir noch mal zurück zu seinem Freund. Wo hält er sich normalerweise auf, mit wem hat er Umgang, gibt es überhaupt irgendeine Spur?«
»Sie sind einfach weg, so als habe es sie nie gegeben.«