Читать книгу Mutiert - Ulrich Hefner - Страница 16

Hospital Santa Catarina in São Sebastião do Uatumã, Amazonasgebiet

Оглавление

Lila Faro hatte den Cabo untersucht.

»Wie geht es der Frau?«, fragte der Offizier, während er sich wieder ankleidete und seinen Waffengurt umschnallte.

Die Ärztin zuckte die Schultern. »Sie liegt auf der Isolierstation. Meine Kollegen kümmern sich um sie.«

»Und mit mir ist alles in Ordnung?«

»Ich hoffe es«, antwortete Lila und verpackte die beiden Blutproben, die sie dem Cabo entnommen hatte. »Wenn es sich tatsächlich um einen Schlangebiss handelte, dann haben Sie auch nichts zu befürchten.«

»Glauben Sie, es steckt etwas anderes dahinter?«

Lila legte die Blutproben zur Seite und blickte den Cabo ernst an. »Vergessen Sie nicht, wir sind hier mitten im Dschungel, und um uns herum ist noch immer unentdecktes Land. Hier draußen kann man sich alles Mögliche einfangen, und ich will nur vorsichtig sein. Keinem nutzt es, wenn man hinterher als Arzt selbst auf der Krankenstation liegt. Auch wir haben unsere Vorschriften. Und wenn jemand zu uns gebracht wird, von dem wir das Krankheitsbild nicht kennen, dann müssen wir eben diese Vorschriften beachten. Sie schützen den Patienten und sie schützen uns selbst. Sie haben doch Handschuhe verwendet, als Sie sich um die Frau kümmerten?«

Der Cabo nickte. »Ich bin ausgebildeter Sanitäter und auf unserem Boot der Einzige, der sich in medizinischen Dingen auskennt. Meine Kameraden müssen sich ebenfalls auf mich verlassen können.«

»Sehen Sie, das ist genau das, was ich meine.«

»Ich bin mir natürlich nicht hundertprozentig sicher, dass es ein Schlangenbiss war. Ich habe keine charakteristische Bissstelle finden können, obwohl wir die Frau komplett entkleidet haben.«

»Waren Sie auch auf dem Boot bei den Toten?«

Der Cabo schüttelte den Kopf.

»Dann achten Sie auf Ihre Kameraden. Sobald Fieber auftritt oder sonst eine ungewöhnliche Veränderung vorgeht, kehren Sie von Ihrer Patrouille um und suchen Sie unser Krankenhaus auf. Unsere Station ist die einzige in dieser Gegend. Das nächste Krankenhaus gibt es in Manaus. Sie können jetzt gehen.«

Der Cabo bedankte sich und ging zur Tür. Lila folgte ihm. Auf dem Flur saßen einige Flussbewohner und warteten, bis sie an der Reihe waren.

»Vielen Dank!«, verabschiedete sich der junge Militärpolizist und ging den Gang hinunter. Lila schaute ihm noch eine Weile nach. Schließlich wandte sie sich dem nächsten Patienten zu, einem Fischer, der entsetzlich stank und seine Hand in ein blutiges Taschentuch gewickelt hatte. Noch bevor sie sich um den Mann kümmern konnte, rannte ein Pfleger den Flur entlang.

»Was ist los, Joáo?«, rief Lila.

»Die Frau, die von den Soldaten gebracht wurde, sie stirbt«, antwortete er atemlos und hetzte weiter.

Lila bat den Fischer zu warten und eilte auf die Isolierstation. In der Sicherheitsschleuse legte sie sich Schutzkleidung und Handschuhe an und öffnete die Sicherheitstür.

Die Frau lag auf einem Bett. Schläuche verliefen von ihrem Arm, dem Mund und der Nase in medizinische Geräte, die neben dem Bett standen. Zwei Schwestern und Doktor Alonso waren damit beschäftigt, die Frau zu reanimieren. Er drückte die Defibrillationselektroden gegen den Herzmuskel und die rechte Niere.

»Achtung!«, rief er laut. Die Schwestern traten zurück. Der Stromstoß durchzuckte den Körper der Frau. Sie bäumte sich auf und fiel kurz danach wieder leblos auf das Bett zurück. Die Decke war in Kopfhöhe blutdurchtränkt. Schließlich gab Doktor Alonso, dem der Schweiß von der Stirn tropfte, der Schwester ein Zeichen. Er wartete, bis sie das Gerät abgeschaltet hatte, dann steckte er die beiden Defibrillationselektroden wieder in ihre Halterungen.

»Es gibt keine Chance mehr«, sagte er atemlos.

Die Herz-Lungen-Überwachung zeichnete eine gelbe und rote Nulllinie auf. Der Summer war abgeschaltet.

»Sie ist tot, verdammt noch mal«, schimpfte Alonso. »Und dabei habe ich ihr so viel Antivenin verabreicht, dass sie auch in eine Schlangengrube hätte fallen können.«

»Das Blut auf der Decke«, fragte Lila, »ist das von ihr?«

»Sie begann plötzlich zu bluten«, antwortete eine der Schwestern. »Das Blut lief aus dem Mund, aus der Nase und sogar aus ihren Augen.«

Die Tür zum Isolierraum wurde geöffnet, und Doktor Williamson betrat den Raum.

»Was ist passiert?«, fragte er.

»Sie ist gestorben«, antwortete Doktor Alonso.

»Wahrscheinlich hat man sie zu spät zu uns gebracht«, antwortete Doktor Williamson.

Lila schüttelte den Kopf. »Sie hat aus den Augen geblutet, das ist kein Anzeichen für eine Hämotoxin-Intoxikation.«

»Mein Gott, sie ist tot, werte Kollegin«, polterte Williamson. »Das ist kein Grund, solch einen Zinnober zu veranstalten. Menschen sterben nun mal, alleine dazu sind sie geboren. Dort draußen im Flur warten noch Lebende auf uns, die unsere Hilfe brauchen. Also, worauf warten Sie noch?«

»Und was geschieht mit ihr?«

»Wir werden sie wie alle Leichen ohne Angehörige der Stadt übergeben, die sollen sich darum kümmern.«

»Die Vorschrift besagt …«

»Vorschrift«, fiel ihr der Doktor ins Wort. »Alles, was Sie kennen, sind Vorschriften. Vorschriften alleine haben noch keinem geholfen. Und jetzt gehen Sie an Ihre Arbeit oder reichen Sie Ihr Rücktrittsgesuch ein. Es gibt hunderte, die eine so gut bezahlte Stelle hier am Amazonas gerne annehmen würden.«

Wütend wandte sich Lila um und verließ das Isolierzimmer.

»Also, los jetzt!«, befahl der Chefarzt. »Die Frau hat uns schon viel zu lange aufgehalten.«

»Aber sollten wir die Leiche nicht wenigstens …«

»Fangen Sie jetzt auch noch an, Alonso?«

Doktor Alonso schaute betreten zu Boden. Schließlich schüttelte er den Kopf.

»Dann tun Sie, was getan werden muss, und schaffen Sie endlich die Leiche hier heraus!«

Mutiert

Подняться наверх