Читать книгу Mutiert - Ulrich Hefner - Страница 19
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Opa-Locka-Flughafen, Miami, Florida
Ryan hatte das Kennzeichen überprüfen lassen. Der schwarze Blazer war auf die Alamo-Autovermietung in Fort Lauderdale zugelassen. Gene hatte sich so etwas beinahe gedacht. Wahrscheinlich würde sich die Spur des Mannes im teuren Anzug dort verlieren. Doch damit war ihm klar, dass er richtig lag: Die Tarston-Brüder waren in Rauschgiftgeschäfte verwickelt und rechtzeitig untergetaucht, bevor die Rauschgiftfahnder der DEA zuschlagen konnten. Doch wie passte Peter Harrison ins Bild, und welchen Part spielte er in dieser Geschichte? War er aus Zufall in die Sache geschlittert oder hatte er seiner hübschen Freundin die ganze Zeit über nur den harmlosen Collegeboy vorgespielt?
Gene war über den Palmetto Expressway in den Norden der Stadt gefahren. Doch er bog nicht nach Liberty City ab, sondern fuhr geradeaus weiter in Richtung Opa Locka. Mittlerweile hatte die Dunkelheit die Viertel außerhalb des Zentrums fest im Griff, doch Miami war eine Stadt, die selbst in der Nacht nicht zur Ruhe kam.
Der Opa-Locka-Flughafen lag oberhalb von Westview quasi mitten in der Stadt. Als Gene seinen Wagen über die 135th Street lenkte, sah er von weitem schon die Flughafen-Scheinwerfer, deren gleißendes Licht sich wie eine Glocke über das riesige Areal stülpte.
Red Wing Air hieß die kleine Frachtflugfirma, die Rick Tarston unterhielt. Das Büro sollte sich in einem der großen Geschäftshauskomplexe befinden, die sich entlang der 135th Street erstreckten. Trotz der fortgeschrittenen Zeit herrschte an den Zufahrten noch reger Betrieb. Lastwagen und Busse standen vor den Toren und warteten auf Einlass. Gene bog auf einen der Parkplätze ab und beobachtete eine Weile das rege Treiben. Schließlich stieg er aus und ging die Straße entlang der Bürogebäude hinunter. Fluggesellschaften, Speditionen, Frachtflugfirmen und Flugschulen unterhielten hier ihre Geschäftsräume. Am dritten Bau verwies eines des zahlreichen Schilder neben der Eingangstür auf die Red Wing Air. Gene schaute sich um, in mehreren Büros brannte Licht, doch die Tür war verschlossen. Er drückte mehrmals die Klingel der Fluggesellschaft, aber nichts rührte sich. Gene benutzte den Klingelknopf daneben, auf dem ATTS stand, Air Transport Touristic Service hieß die Firma. Es dauerte nur kurz, bis sich in der Sprechanlage die Stimme einer Frau meldete. Nachdem sich Gene vorgestellt hatte, wurde er eingelassen.
Das Büro der Red Wing lag in unmittelbarer Nachbarschaft zur ATTS. Eine Blondine in einem knappen Kostüm und mit so viel Rouge auf den Wangen, als hätte er sich ins Pearl verirrt, stand vor der Glastür und lächelte ihm freundlich zu. Sie war wohl schon Mitte vierzig und nicht mehr ganz taufrisch.
»Mister Mcfaddin, was kann ich für Sie tun?«, fragte sie mit tiefem Timbre.
»Eigentlich wollte ich zur Red Wing«, antwortete Gene. »Da scheint niemand zu sein, vielleicht können Sie mir helfen.«
»Dort ist schon lange niemand mehr gewesen. Da kann ich Ihnen leider nicht helfen.«
Gene trat näher. »Wann haben Sie zuletzt jemanden hier gesehen?«
Die Frau musterte Gene von oben bis unten. »Sind Sie ein Bulle?«
»So etwas Ähnliches«, antwortete Gene und präsentierte ihr seine Lizenz als Privatdetektiv.
»Ein Privatschnüffler«, sagte sie und drehte sich um. »Kommen Sie rein, ich habe noch eine halbe Stunde, bevor ich ein paar V.I.P.-Gäste aus China auf die Hotels verteilen muss.«
Gene folgte ihr in den gediegenen Besucherraum und setze sich in einen der weichen Ledersessel.
»Ein Bier?«, fragte sie.
»Gerne.«
»Mein Name ist Mona«, sagte die Blondine und holte ein eisgekühltes Bud aus dem silbernen Kühlschrank.
»Danke.«
»Ich wusste schon lange, dass dort drüben was nicht stimmt«, begann sie und setzte sich neben Gene. Sie schlug ihre beachtlichen Beine übereinander.
»Was machen Sie eigentlich noch so spät hier?«, flirtete Gene. »Eigentlich gehört eine Schönheit wie Sie nicht in ein einsames Büro, sondern eher nach Miami Beach.«
»Leider muss ich noch arbeiten, aber in zwei Stunden hätte ich Zeit. Wir organisieren Erlebnisrundreisen für Touristen. Nicht die mit den Rucksäcken, wir haben uns auf solche mit Rolex-Uhren und Armani-Anzügen spezialisiert. Leider hat sich unser Flieger verspätet. Deswegen mache ich hier Überstunden.«
Gene trank einen Schluck Bier. »Später hätte ich ebenfalls noch Zeit.«
»Die Nacht ist noch jung«, antwortete Mona. »Weswegen interessieren Sie sich für die von nebenan?«
»Ich bin auf der Suche nach einem Collegeboy«, erklärte Gene. »Ist vor etwa drei Wochen seiner Verlobten ausgebüchst. War ein Freund von Jean Tarston, dem Bruder vom Inhaber der Red Wing.«
»Kenne ich, den kleinen Perversling. Er war oft hier in der letzten Zeit, aber seit drei Wochen fehlt Tarston und eine seiner Maschinen. Es wird behauptet, er hat sich abgesetzt.«
»Abgesetzt?«
»Die haben wohl keine Kohle mehr. Seit einigen Monaten steht die zweite Maschine mit Triebwerkschaden im Hangar, und keiner kümmert sich darum.«
»Womit hat die Firma Geld verdient?«
»Rick Tarston war Army-Pilot und hat sich eine billige Militärmaschine umgebaut und sich auf Frachtflüge spezialisiert. Mit seiner alten Lockheed konnte er sogar auf der Wiese landen, deswegen hatte er zu Anfang auch gute Aufträge. Meistens flog er kleinere Provinzflughäfen an. Als er dann die zweite Maschine kaufte und in das Geschäft mit Inlandsflügen für Passagiere einsteigen wollte, ging es bergab. Die Konkurrenz ist da sehr groß, und wenn man nichts zu bieten hat, dann bleiben die Leute weg.«
»Nichts zu bieten, das verstehe ich nicht.«
Mona zwinkerte mit den Augen. »Wir haben Geschäftsleute hier, die sich gerne mal auf ein paar Abenteuer einlassen. Wir organisieren das für sie, denn Lust hat jeder, aber Zeit hat niemand.«
»Sex?«
»Las Vegas, zuerst in die großen Casinos und danach noch ein paar kleine Extras, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Gene kramte in seiner Hosentasche und zog ein kleines Passbild hervor.
»Den schon einmal hier gesehen?«, fragte er und reichte ihr das Foto.
Mona betrachtete es eingehend. »Süßer Junge«, sagte sie. »Ich glaube, der war vor drei Wochen mal hier. Ja, ich bin mir fast sicher. Kurz danach war da drüben geschlossen.«
»Hat Tarston Mitarbeiter?«
»Magret, sie hat das Büro und die Geschäftsführung gemacht. Hat aber vor zwei Monaten gekündigt. Er hat sie nicht mehr bezahlt.«
»Und wo finde ich diese Magret?«
Mona überlegte. »Gar nicht weit entfernt, sie heißt Magret Stone und wohnt in der Port Said Road.«
»Und der Junge, war er oft hier?«
Mona verzog die Mundwinkel. »Ein paar Mal, nicht oft. Ich kann mich nur an ihn erinnern, weil er draußen am Rollfeld die Maschine beladen hat, als ich eine Gruppe Scheichs abholte. Er hatte sein Hemd ausgezogen. Der Junge hatte eine ganz tolle Figur.«
Gene trank sein Bier leer und stellte es auf den Glastisch. »Was er da eingeladen hat, das wissen Sie nicht?«
»Tut mir leid«, antwortete sie und blickte auf die Uhr. »Und jetzt muss ich leider los. Was ist nun mit einem kleinen Ausflug an den Strand?«
Gene nickte. »Sehr gerne.«
In der Nähe von Brás am Rio Jatapu, Amazonasgebiet
Die Fahrt auf dem Rio Jatapu war jäh zu Ende gegangen. Nachdem sich die beiden Motoren aufgrund der vollen Fahrt überhitzt hatten, ankerte das Patrouillenboot nun im seichten Wasser eines Igarapés, eines Wasserarms, der weit hinein in den Dschungel reichte. Durch die Trockenzeit war er sehr flach. Zwei der Soldaten waren mit Reparaturarbeiten beschäftigt. Während der Cabo an der Reling lehnte und grübelnd in die schwarzen Fluten blickte, gab der Kommandant den übrigen Männern Anweisungen, die Umgebung zu sichern und mit Scheinwerfern abzuleuchten. Außer den Stimmen des nächtlichen Urwalds störte nichts die Ruhe.
Der Kommandant gesellte sich zu seinem Cabo und legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter. Sie waren bereits seit zwei Jahren in der gleichen Einheit und zu guten Kameraden geworden.
»Woran denkst du?«, fragte er.
Der Cabo wandte sich um. »Ich möchte wissen, was diese Menschen umgebracht hat.«
Der Kommandant zuckte mit der Schulter. »Ich bin seit drei Jahren hier im Amazonasgebiet und ich weiß, dass diese Wälder gefährlich sind. Wenn dich die Mücken nicht fressen und die Schlangen nicht beißen, dann fällst du irgendwann dieser ewigen Hitze zum Opfer. Bei uns in Rio ist der Wind des Meeres stets zu spüren, aber hier ist es nur feucht und heiß, und kein Lufthauch bewegt sich. Ein paar Tage später regnet es wie aus Gießkannen, aber trotzdem bleibt es heiß. Eigentlich ist es immer nur feucht und heiß. Dieser Wald ist mörderisch.«
»Dieser Wald ist noch für lange Zeit unsere Heimat«, entgegnete der Cabo.
»Denkst du nicht auch oft an zu Hause, an die weißen Strände, an die schönen Mädchen, an die rauschenden Partys und die langen Nächte? An Samba und an den Karneval?«
Der Cabo nickte. »Ja, das tue ich, aber ich bin freiwillig hier. Ich habe mich für das Kommando selbst gemeldet.«
Der Kommandant lächelte versonnen. »Ich wurde abkommandiert. Zwei Jahre hieß es, jetzt sind es bereits drei geworden, und ich glaube, man hat mich längst vergessen. Aber eines Tages werde ich dieser Hölle den Rücken kehren. Die erste Woche werde ich nur am Strand verbringen.«
Einer der Soldaten näherte sich, seine Uniform war mit Öl verschmiert. »Wir haben den Fehler gefunden.«
»Gut, Soldat«, antwortete der Kommandant. »Wie lange werden wir hier noch festliegen?«
»Eine Stunde etwa«, erwiderte der Soldat und verschwand in Richtung des Maschinenraums.
»Wir können froh sein, dass die Batterien noch funktionieren«, sagte der Kommandant. »Sonst lägen wir hier bei vollkommener Dunkelheit.«
»Ich glaube, wir sind hier sicher. Hier gibt es keine weiteren Lenhadores. Wir haben nichts zu befürchten. Zumindest keinen Überfall.«
»Aber dennoch scheint dich etwas zu bedrücken, mein Freund.«
Der Cabo fasste sich ans Kinn. »Die Ärztin aus der Station in São Sebastião hat mich nachdenklich gemacht. Sie hatte Recht, es gibt hier Gefahren, die man überhaupt nicht sieht und die einen Menschen ebenso töten können wie der Biss einer Schlange.«
»Du meinst Bakterien?«
Der Cabo nickte. »Die Menschen in der Siedlung machten einen erbärmlichen Eindruck. Von den Gesichtern war zwar nicht mehr viel übrig, aber ihre Mienen und auch ihre Körper verrieten mir, dass sie unter großen Schmerzen gestorben sind.«
»Wir werden von Brás aus unsere Station in Manaus verständigen«, beruhigte ihn der Kommandant. »Sie sollen eine Pioniereinheit schicken und das ganze Dorf mitsamt den Leichen einäschern, wenn sich bis dahin nicht die Tiere des Waldes ihren Anteil geholt haben. Wir werden der Kommandantur mitteilen, welchen Verdacht die Ärztin hegt. Sie sollen sich mit Schutzausrüstung in Marsch setzen.«
Der Cabo ließ sich auf einer Kiste neben der Reling nieder. Er seufzte.
»Ich mache mir weniger Sorgen um die Leichen«, sagte der Cabo. »In dieser Zeit verirren sich nur wenige Touristen hierher. Und die Ribeirinhos werden wegen der Toten nicht anhalten. Sie wissen, wie gefährlich es ist, wenn man sich zur falschen Zeit am falschen Ort sehen lässt.«
»Was ist es dann, was dich so nachdenklich stimmt?«
»Wir haben das Dorf durchsucht«, fuhr der Cabo fort. »Wir fanden neunundzwanzig Leichen, sieben weitere schwammen im Wasser und mit der Frau von der Mündung und den beiden Toten im Boot sind das zusammen neununddreißig.«
»Und?«
»In dieser Siedlung lebten mindestens siebzig Menschen. Wo sind die restlichen dreißig abgeblieben?«