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1 Etwa zur gleichen Zeit, 3000 Meilen entfernt … Cuiabá, Bundesstaat Mato Grosso, Brasilien
ОглавлениеCapitão Carlos Zagallo von der Kriminalpolizei in Cuiabá schnippte sein Zigarillo in hohem Bogen ins Gras und rümpfte angewidert die Nase.
Leutnant Luiz Falcáo deckte die Überreste der Leiche wieder zu und erhob sich.
»Nummer neunzehn«, sagte er. »Eine kleine Person, ein Kind oder eine Frau, meint der Doktor.«
»Ein Wunder, dass man überhaupt noch etwas erkennen kann«, antwortete Zagallo und blickte sich um.
Die verkohlte Leiche lag abseits der Staatsstraße 351, etwa zehn Kilometer nordöstlich vom Stadtkern in einem kleinen Wäldchen, zu dem eine staubige Sandpiste führte.
»Man hat sie hierhergebracht und angezündet«, entgegnete Falcáo.
In der Ferne stand ein Streifenwagen der Verkehrspolizei. Ein Polizeifotograf des Servicio de Inteligéncia fotografierte unablässig die Umgebung, während sich zwei Männer in weißen Kitteln auf der Sandpiste an einer Reifenspur zu schaffen machten und diese mit Gips ausgossen.
»Ein schwarzer Kleinlastwagen«, murmelte Zagallo, »so wie vor einer Woche bei Várzea Grande. Wahrscheinlich der gleiche Wagen und wahrscheinlich auch der gleiche Täter. Ich will, dass wir dieses Schwein kriegen. Das lass ich mir in meinem Distrikt nicht länger bieten.«
»Im letzten Jahr gab es zweitausend Mordfälle in unserer Stadt«, antwortete Falcáo. »Warum liegt dir so viel an der Sache?«
Zagallo verzog das Gesicht. »Weil er uns provoziert. Er führt uns an der Nase herum und hält uns für blöd. Aber ich werde ihm zeigen, wer am Ende der Dumme ist.«
Die Mordserie hatte vor knapp sechs Wochen begonnen. Die erste Leiche war im Süden der Stadt Cuiabá auf einer wilden Müllkippe gefunden worden. Verkohlt bis zur Unkenntlichkeit. Es gab keine verwertbaren Spuren. Der Täter verwendete Benzin und Chemikalien, um auch eine ausreichende Hitze zu erreichen, damit nicht viel mehr als eine undefinierbare, schwarze Masse übrig blieb. Thermit wurde bei der Verbrennung der Leichen benutzt, so hatten die Chemiker der Servicio de Inteligéncia herausgefunden. Bis zu 2200 Grad Celsius erreichte das Material bei der exothermischen Reaktion.
Kein Körper widerstand diesen Temperaturen. Es blieb nicht viel übrig außer ein paar verkohlten Gliedmaßen. Damit wurde eine Identifizierung der Leichen anhand von Körpermerkmalen oder Fingerabdrücken unmöglich, und die Vermisstendateien der Polizeistationen in Brasilien quollen angesichts der hohen Verbrechensrate im Land über. Mann, Frau oder Kind, alles blieb pure Spekulation.
»Wir befragen alle Leute in dieser Gegend«, rief Zagallo entschlossen. »Irgendjemand wird den Wagen gesehen haben.«
Falcáo schaute sich um. »Wir werden eine Menge Leute dafür brauchen.«
Zagallo tat den Einwand seines Kollegen mit einer Handbewegung ab. »Ich rede mit dem Coronel. Wir werden die Männer bekommen, und dann drehen wir hier jeden Stein um.«
Ein weißer VW-Bus hielt hinter dem Streifenwagen. Zwei Männer stiegen aus. Sie waren vom Institut für Rechtsmedizin. »Können wir die Leiche mitnehmen?«, wandte sich einer der beiden an Zagallo.
»Packt alles ein und vergesst nichts. Ich will nicht, dass wie beim letzten Mal ein Arm zurückbleibt.«
Die Männer holten von der Ladefläche des Wagens eine stählerne Kiste und fluchten, als sie mit einer Schaufel die Leichenteile aufsammelten.
»In dieser Stadt gibt es einen Wahnsinnigen, und ich will ihn haben.« Zagallo beobachtete die Kollegen von der Rechtsmedizin.
»Ich möchte nur wissen, was der Kerl bezweckt«, überlegte Falcáo laut.
»Das ist doch klar. Er will uns unsere Arbeit erschweren.«
»Wir haben genügend Vermisste, die längst schon vergessen sind. Er könnte seine Leichen auch irgendwo vergraben, dann würden wir sie überhaupt nicht finden. Ich glaube, da steckt etwas anderes dahinter. Ihm geht es nicht nur darum, dass seine Opfer unerkannt bleiben.«
»Blödsinn«, widersprach Zagallo. »Er treibt sein Spiel mit uns, das ist alles.«