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Genauigkeit, Gründlichkeit

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Genauigkeit und Gründlichkeit in wissenschaftlicher Arbeit habe ich wohl vor allem durch Hans Heinrich Eggebrecht gelernt. »Ich lese nicht viel, aber was ich lese, lese ich gründlich.« – »Ich schreibe sehr langsam. Ich schreibe immer wieder um, bis der gemeinte Gedanke herauskommt und ich zufrieden bin.« Solche Aussagen von ihm haben mich als Student beeindruckt. In Vorlesungen und Seminaren konnte Eggebrecht einzelne Sätze aus musikwissenschaftlicher Literatur so genau und aufschlussreich reflektieren, dass die Studierenden Lehrstücke in der Kunst erhielten, Gedankenführung, Denkmuster, Beweggründe, inhärente Urteile und Vorurteile sowie ideologische Implikationen von Texten sorgfältig freizulegen. Wir merkten, was wir beim eigenen Lesen alles nicht gemerkt hatten. Oft hatten wir nur die Oberfläche von Aussagen wahrgenommen und uns damit zufriedengegeben. Eggebrecht bohrte in den Sätzen, bis ihre gedankliche Substanz deutlich wurde. In Vorlesungen – oft über Themen, über die er selbst gerade schrieb – ließ er uns an seiner Beschäftigung mit dem jeweiligen Gebiet und an den Fragen, die sich ihm dabei stellten, teilnehmen. Immer regte er zum Diskutieren über das Vorgetragene an. Mehr noch als Zustimmung wollte er »Contra« bekommen und dabei sehen, ob er im Schreiben die bei den Studierenden auftauchenden Einwände, Bedenken und Fragen mitbedacht hatte.

Texte von Dissertationen, die bei ihm geschrieben wurden, las Eggebrecht sehr genau. Er verlangte immer Teile im Umfang von jeweils 20 Seiten – nicht mehr, weil er eine so begrenzte Textmenge in der Regel in einer Arbeitssitzung schaffte. Seine vielen Korrekturen, aber auch offenen Erwägungen notierte er mit Bleistift am Rand. Er verstand sie, wie er mir zu meiner ersten »Lieferung« schrieb, als Gedanken eines Begleiters, der die Materie nicht so gut kannte wie ich selbst (ich schrieb bei ihm über Liedästhetik um 1848 und späte Schumann-Lieder), dem aber – vielleicht gerade deswegen – beim Lesen mancherlei möglicherweise für mich nützliche Fragen kamen. Durch dieses intensive Lesen und seine differenzierten Rückmeldungen habe ich sehr viel gelernt.

In meiner späteren Arbeit im Fach Musikpädagogik / Allgemeine Instrumentaldidaktik wirkte sich dieser Lerngewinn nicht immer nur angenehm aus. Aufgrund meiner internalisierten Ansprüche litt ich doppelt unter dem oft schwachen, bisweilen miserablen Niveau von Seminar- und teilweise auch von Abschlussarbeiten. Viele Jahre konnte ich nicht anders, als alle Fehler und Schwächen nach dem Vorbild Eggebrechts zu korrigieren und Vorschläge zur Verbesserung von verfehlten Formulierungen zu notieren. Irgendwann merkte ich, dass mich diese Arbeit über Gebühr belastete. Die Kraft und die Zeit, die ich aufwendete, standen nach meinem Eindruck in keinem angemessenen Verhältnis zur erreichbaren Wirkung. Zwar waren die Studierenden dankbar für meine Korrekturen, aber folgende Seminararbeiten zeigten durchaus nicht immer ein von mir nun erwartetes höheres Niveau. Ich beschloss und lernte mich damit abzufinden, dass die Qualitätsansprüche in einem musikwissenschaftlichen Promotionsstudium sich für das »Beifach« Musikpädagogik / Allgemeine Instrumentaldidaktik nicht einfordern lassen. Anders bei Promovenden im Fachgebiet Musikpädagogik: Mit ihnen konnte und kann ich sowohl in den Colloquien wie auch bei der Lektüre von Dissertationstexten intensive Textarbeit im Lesen und Schreiben praktizieren.

Auch in das eigene Schreiben wirkte die in meinen Studienjahren bei Eggebrecht erfahrene Skrupelhaftigkeit ambivalent hinein. Schon bei der Arbeit an meiner Dissertation blockierten mich bisweilen seine Ansprüche sich selbst und anderen gegenüber. Bis heute spüre ich beim Schreiben die Nachwirkungen dieser »Schule«. Strenge Selbstkritik muss sein, sollte aber nicht lähmen. Texten fehlt etwas, wenn die Lust des Schreibens durch allzu rigide Selbstzensur fortwährend beeinträchtigt wird.

Instrumentalpädagogik in Studium und Beruf

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