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Geringschätzung versus Heilserwartung

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Im Gegensatz zu den gezeigten Negativvorstellungen stehen mancherlei Heilserwartungen, die sich mit den Begriffen »Musikpädagogik«, »Musikpädagoge« verbinden. Ursachen für erstere sind vor allem niedrige Einkommen, der Blick von »Künstlern« auf »Musikpädagogik« wie auch die Arten und Praxen von Musik, die als »musikpädagogisch« gelten. Heilserwartungen hingegen entstehen, wenn Musik und Musizieren große Wirkungen auf Individuen und Gesellschaft zugeschrieben werden.

Die in Deutschland (anders als etwa in der Schweiz und in Österreich) durchweg übliche geringe Honorierung musikpädagogischer Lehrkräfte außerhalb der allgemeinbildenden Schule ist zugleich Ursache und Symptom der bescheidenen sozialen Geltung. Sie bewirkt ein negatives Erscheinungsbild des Berufs und indiziert eine in der Gesellschaft verbreitete Geringschätzung des Werts musikpädagogischer Arbeit. Auch die starke Verbandsarbeit der öffentlichen Musikschulen konnte bislang an dem traditionell schlechten Sozialprestige von Lehrenden nur wenig ändern. Deren Arbeit hat eine auch noch heutige Vorstellungen beeinflussende Vorgeschichte: Sie liegt im Berufsfeld der stundenweise bezahlten, von Privatpersonen abhängigen, im 18. Jahrhundert oft mit Domestiken auf einer Stufe stehenden Hauslehrern.

Mit negativen Zuschreibungen verbunden ist der auf Musikpädagogik gerichtete Blick vieler professioneller Musiker – nicht zuletzt auch an Hochschulen –, die sich primär als »Künstler« verstehen. Sie kritisieren oder argwöhnen, dass im Rahmen einer professionalisierten Musikpädagogik die Pädagogik gegenüber der Musik die Oberhand gewinnt oder sich gar verselbstständigt. Nicht obwohl, sondern gerade weil sie selbst ihre Unterrichtstätigkeit oft ohne pädagogische Ausbildung betreiben, fühlen sie sich als die wahren Musikpädagogen. Ihre Lehre erwächst für sie aus ihrer künstlerischen Kompetenz und ist nicht durch kunstfremde pädagogische Ansprüche und Kriterien verbogen. Es entsteht ein Paradox: die fachlich konsolidierte Musikpädagogik gilt wenig, die davon unberührte Meisterlehre dagegen viel. Da nach dieser Sichtweise die fachliche Qualifikation ausgebildeter Musikpädagogen zulasten der Kunst geht, hat das Wort »Musikpädagogik« bei »Künstlerpädagogen« oft keinen guten Klang.

Kritische Sichtweisen auf Musikpädagogik resultieren auch aus der Ablehnung einer für pädagogische Zwecke produzierten Musik. Abgesehen von Ausnahmewerken großer Komponisten wie Bach, Schumann, Bartók, Kurtág u. a. wird solcher Musik keine oder allenfalls eine sehr bescheidene künstlerische Qualität zugebilligt. Pädagogische Intentionen sind demnach kaum vereinbar mit Kunst; sie beschneiden und behindern deren freie Entfaltung. Adornos Thesen gegen die musikpädagogische Musik (Adorno 1954) begründeten maßgeblich diese Auffassung.

Es gibt aber auch ein ganz anderes, nämlich ein glorifizierendes Bild von Musikpädagogik. In ihm wird Musikpädagogik mit Heilserwartungen und Hoffnungen auf eine Humanisierung der Gesellschaft oder gar einer Veredlung der Menschheit aufgeladen. Die Grundbehauptung lautet: Durch Musik und Musizieren werden Menschen sozialer, offener, toleranter, sensibler, ausdauernder, glücklicher … Bildungs- und Kulturpolitiker beschwören gern solche Kräfte und Wirkungen von Musik. Musikpädagogen fungieren nach dieser Sichtweise als Spender humanisierender musikalischer Energien und als Wegbereiter einer besseren Welt. Beispiele und Ideale solcher glorifizierenden Vorstellungen von Musikpädagogik finden sich in realen oder fiktiven pädagogischen Einrichtungen und Szenarien, real etwa in Modellschulen von El Sistema und in Szenarien des Dokumentarfilms Rhythm Is It!, fiktiv im Musikfilm Die Kinder des Monsieur Matthieu. Gewiss kann intensives Musizieren humanisierende Wirkungen haben. Gleichzeitig aber muss die durch solche und andere Projekte genährte Hoffnung, durch Musik in großem Stil politische und gesellschaftliche Missstände kompensieren zu können, ins Reich unerfüllbarer Utopien verwiesen werden. Musikpädagogik kann verantwortungsvolles politisches Handeln nicht ersetzen.

Instrumentalpädagogik in Studium und Beruf

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