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Vorwort

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Die Nikomachische Ethik ist einer der wirkungsreichsten Texte der Philosophiegeschichte. Kein anderer Text des Aristoteles hat so viele Kommentierungen erfahren, und nur wenige antike Texte sind heute noch in ihrem sachlichen Beitrag so aktuell. Zu Recht schreibt Jonathan Barnes in seiner Einführung in die Philosophie des Aristoteles: „Die Ethik … kann man in der Tat als ein historisches Dokument lesen – als Zeugnis für den Zustand der praktischen Philosophie im vierten vorchristlichen Jahrhundert. Man kann sie aber auch als Beitrag zur gegenwärtigen Debatte lesen, und moderne Philosophen behandeln Aristoteles immer noch als einen brillianten Kollegen“ (Barnes 1982, 87).

Worin die Aktualität der Nikomachischen Ethik besteht, erläutert Otfried Höffe mit folgenden Worten: „Ob es Philosophen oder Juristen, ob Moraltheologen, Sozialethiker oder Sozialwissenschaftler sind – wer auch immer sich für eine Theorie moralischer bzw. humaner Praxis interessiert, findet hier eines der wenigen bis heute einschlägigen Grundmodelle“ (Höffe (Hrsg.) 1995, 1). Ein Grundmodell enthält die Nikomachische Ethik insbesondere deswegen, weil Aristoteles anders als die spätere Philosophie das Praktische nicht auf die Moraltheorie beschränkt, sondern eine umfassende Theorie des guten Lebens, richtigen Handelns und vernünftigen Überlegens entwickelt, die darüber hinaus in eine Theorie des Politischen eingebettet ist. Eine Begrifflichkeit, die dieses gesamte Feld durchdringt, ist mit einer ähnlichen Erschließungskraft selten hervorgebracht worden, und daher können wir uns bis heute mit Gewinn an ihr abarbeiten.

Trotz seiner Aktualität ist der Text nicht immer leicht zu verstehen. Er ist spröde und oft sehr knapp formuliert. Erörtert wird eine Vielzahl verschiedenster Themen (Glück, Handlungsfreiheit, Gerechtigkeit, Lust, Freundschaft, um nur einige zu nennen), die jedes für sich Gegenstand eines umfangreichen Buchs sein könnten und in der Tat fast alle Gegenstand selbständiger Kommentare und verzweigter Debatten in der Literatur geworden sind. Hinzu kommt, dass die kontinentale praktische Philosophie stärker als die angelsächsische von der Lehre Kants geprägt ist, die sich deutlich von derjenigen des Aristoteles unterscheidet und daher den Zugang zur aristotelischen Konzeption leicht verstellt.

Ziel der folgenden Kapitel ist es, diesen Zugang so zu erleichtern, dass der Text auch ohne Vorkenntnisse der antiken Philosophie verständlich wird. Sie folgen der Vorgabe, eine „Werkinterpretation“ zu liefern. Es wird also vorausgesetzt, dass die Leserin oder der Leser eine Übersetzung des Textes vor sich hat und eine Interpretationshilfe wünscht. Angesichts des Textumfangs und der schon erwähnten Themenvielfalt musste zugunsten der Herausarbeitung der größeren Linien auf die fortlaufende Erläuterung jedes Details verzichten werden. Von den zahlreichen Kontroversen in der Sekundärliteratur konnten nur die wichtigsten erwähnt und teilweise in den Anmerkungen diskutiert werden. Auch eine Darstellung der Wirkungsgeschichte war in diesem Rahmen nicht möglich.

Zu diesem Buch hat die Mitarbeit zahlreicher Personen beigetragen. Eva Burkhart und Dorothee Puhr haben bei der Literaturbeschaffung geholfen, die Bibliographie und die Anmerkungen in Ordnung gebracht und Korrektur gelesen. Eva Burkhart hat außerdem die mühsame Arbeit übernommen, die Stellennachweise zu überprüfen und die Konkordanz der Übersetzungen der Grundbegriffe anzufertigen. Andreas Heil hat das Manuskript kritisch durchgesehen und insbesondere im Hinblick auf philologische Fragen geprüft. Friedo Ricken hat wichtige Kommentare zu Teilen der Kapitel 8 und 9 beigetragen. Peter Berggren und Daniel Friedrich haben sich intensiv mit dem Manuskript auseinandergesetzt und sich so sehr hineingedacht, dass sie manchmal nicht nur Aristoteles, sondern auch meine Entwürfe besser verstanden haben als ich selbst und ich eine Reihe ihrer Formulierungsvorschläge übernehmen konnte. Daniel Friedrich hat außerdem darauf geachtet, dass das Buch für Studentinnen und Studenten, die noch nicht in der antiken Philosophie zuhause sind, verständlich bleibt. Marita Sellmann hat besonders sorgfältig Korrektur gelesen und mich während der Schreibphase vor dem Chaos in meinen sonstigen Angelegenheiten bewahrt. Ihnen allen möchte ich sehr herzlich danken.

Mannheim, März 2002

Aristoteles

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