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3. Weichenstellungen

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Im April 1789 machte sich Humboldt in Begleitung seines ehemaligen Erziehers Gottlob Johann Christian Kunth auf den Weg nach Göttingen. Die 1737 gegründete Göttinger Universität galt in Aufklärerkreisen als beste deutsche Universität, und den Preußen war es nun endlich erlaubt, auch außerhalb des Landes zu studieren. Humboldt hatte vor allem vor, Beckmanns Vorlesungen über ökonomische Botanik und Technologie zu hören. Nur ein einziges Semester lang hatte er an der Frankfurter Universität Kameralwissenschaften studiert. Im Frühjahr 1789 ahnte er noch nicht, wie schnell ihn auch die Göttinger Universität enttäuschen und dass er ihr bereits im März 1790 wieder den Rücken kehren würde.

Der Göttinger Professor Johann Beckmann (1739–1811) hatte 1765 bei dem schwedischen Botaniker Carl von Linné in Uppsala studiert. Auf seiner Göttinger Professur für Ökonomie, die er seit 1766 innehatte, baute er den Ansatz Linnés mit seiner charakteristischen Verquickung von systematischer Botanik und Ökonomie weiter aus.19 Um seine Vorlesungen mit praktischen Übungen verbinden zu können, ließ er einen „ökonomischen Garten“ anlegen. 1777 veröffentlichte er eine Schrift mit dem Titel Anleitung zur Technologie, die den Terminus „Technologie“ im deutschsprachigen Raum fast schlagartig bekanntmachte.20

Unter „Technologie“ verstand Beckmann systematisch zusammengestelltes, beschreibendes Wissen über das zeitgenössische Gewerbe, einschließlich der Landwirtschaft. Vermittelt über letztere, integrierte die „Technologie“ auch nützliches Wissen der Botanik. Als Bindeglied zwischen Handwerk und Landwirtschaft fungierten dabei die „Materialien“, denen Beckmann eine wirtschaftliche Schlüsselfunktion einräumte. Die Technologie hatte es demnach vorwiegend mit Materialen zu tun – sowohl mit unverarbeiteten Rohmaterialien wie im Bergbau oder der Landwirtschaft als auch mit gewerblich weiterverarbeiteten Stoffen.21

Beckmanns Technologieverständnis war durch die baconische Tradition der Experimentalgeschichte (experimental history) geprägt, die auch in Frankreich mit zwei umfassenden, der Beschreibung der handwerklichen Künste gewidmeten akademischen Projekten fortgesetzt worden war.22 Der Sammlung handwerklichen Wissens und Beschreibung aller Gewerbe stellte Beckmann aber auch eine erklärende Funktion der Technologie zur Seite. Diese sollte nicht nur „die Kentniß der Handwerke “ lehren, sondern auch „die bey der Verarbeitung vorkommenden Erscheinungen erklären“.23 Auch die Betonung eines Einheit stiftenden Bindeglieds aller handwerklichen und landwirtschaftlichen Gewerbe – der Materialien – kann als vorsichtiger Versuch einer Theoretisierung der Technologie gewertet werden. Wie die sich gleichzeitig herausbildenden Bergwerkswissenschaft, Forstwissenschaft und andere „nützliche Wissenschaften“ brachte auch der Terminus Technologie eine Tendenz zur Ausdifferenzierung der Kameralwissenschaften und Bildung neuer Disziplinen zum Ausdruck, die sich mit speziellen technischen Objektbereichen befassten.

In der technikbegeisterten Generation Humboldts galten Beckmanns Vorlesungen als unbedingtes Muss. Friedrich Karl von Fulda (1774–1847), der spätere Autor einflussreicher landwirtschaftlicher Schriften und Professor der Kameralwissenschaften an der Universität Tübingen, studierte bei Beckmann in den 1790er-Jahren ebenso wie Friedrich Casimir Medicus (1736–1808), der Gründer der Kameralhohen-Schule in Kaiserslautern und Direktor der Kurpfälzischen Ökonomischen Gesellschaft. Humboldt selbst scheint jedoch von Beckmanns Vorlesungen eher enttäuscht gewesen zu sein. Entgegen seiner sonstigen Mitteilsamkeit, hinterließ seine Begegnung mit ihm kaum Spuren, abgesehen von einer Rezension, die er für dessen Physikalisch-ökonomische Bibliothek schrieb.24

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