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Nachhaltige Forstwirtschaft
ОглавлениеGleditsch hatte in Leipzig Philosophie, Mathematik und Medizin studiert und sein Studium mit einer medizinischen Promotion abgeschlossen. Bereits 1744, zwei Jahre nach seiner Promotion, wurde er als Botaniker in die Preußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Nach weiteren zwei Jahren stellte ihn seine Ernennung zum Direktor des Königlichen Botanischen Gartens vor die erste große Bewährungsprobe. Noch im selben Jahr wurde er Professor für Botanik am Berliner Collegium medico-chirurgicum, der im Dezember 1723 gegründeten Ausbildungsstätte für preußische Chirurgen und Militärchirurgen.
1768 wandte sich Gleditsch der Forstwirtschaft und dem brandneuen Gebiet der Forstwissenschaften zu. Hauptaufgabe der staatlich geregelten, in Preußen seit 1770 durch ein eigenständiges Forstdepartment gelenkten Forstwirtschaft war die langfristige Sicherung der Forstnutzung und Verhinderung von Raubbau. Holz war im 18. Jahrhundert der wichtigste Baustoff und Energielieferant. Der Hausbau und die Konstruktion von Wagen, Schiffen, Brücken, Maschinen und Möbeln verschlangen Millionen an Festmetern von Holz. Hinzu kam der Holzverbrauch für private und gewerbliche Heiz- und Produktionszwecke, der in Hüttenwerken, Glashütten sowie Keramik- und Porzellanmanufakturen besonders hoch war.
Zur nachhaltigen Sicherung dieser wichtigen natürlichen Ressource stellten die verbeamteten preußischen Förster systematisch alle Befunde über Waldschäden und ihre Ursachen zusammen. Ihre Versuche der Ökonomisierung der Natur schlossen auch den Anbau neuer, schnell wachsender und anspruchsloser Bäume wie der aus Nordamerika eingeführten Robinie ein. Das systematische Sammeln forstwirtschaftlich relevanten Wissens erfolgte zuerst im Rahmen der allgemeinen Kameralwissenschaften und von Mitte des 18. Jahrhunderts an durch die „Forstwissenschaft“. Auch der Begriff der „nachhaltigen Nutzung“ des Waldes kam damals in Umlauf. Bereits 1713 hatte der kursächsische Oberberghauptmann Hannß Carl von Carlowitz gefordert, dass man „eine continuirliche beständige und nachhaltende Nutzung“ des Holzvorrats der Wälder anstreben müsse.36 Für die ökonomischen Gesellschaften der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gehörte diese Forderung bereits zum programmatischen Kernbestand.
Im Oktober 1770 begann Gleditsch, im Auftrag des Bergwerks- und Hüttendepartments Vorlesungen für angehende Bergbeamte über Forstwissenschaft und Botanik zu halten. Anstatt sich wie seine Kollegen an den Universitäten auf Vorlesungen zu beschränken, organisierte er Exkursionen in die Berliner Forste und machte seine Schüler auf aktuelle forstwirtschaftliche Sachverhalte aufmerksam. Zu diesem Zweck besorgte er sich amtliche Unterlagen, die Aufschluss über Feuer- und Sturmschäden, Dürreperioden und Schädlingsbefall gaben. So erging im Juni 1771 an den Registrator Schultz im Bergwerks- und Hüttendepartment der Auftrag, Gleditsch behilflich zu sein. Dieser habe „angezeigt, daß er bey seinen Vorlesungen über die Forst-Wirthschaft Gebrauch von gewißen Vorfällen machen wolle, wie nemlich Forsten durch Feuer, Wasserschaden, Sturm, Dürre, Ungeziefer verwüstet, und welche Anstalten dagegen gemacht worden“ seien. Er habe insbesondere um Zugang „der von dergleichen Fällen handelnden Acten wie um Mitheilung solcher Nachrichten gebethen (hat), welche über die heimliche Zerstöhrung der Bäume durch Fäulniß, Brand, Krebs, Wurmstich und dergleichen gesamelt worden“ sind. Schultz sollte diese forstwirtschaftlichen Akten für Gleditsch besorgen, „damit er solche inspiciren und den nöthigen Gebrauch davon machen könne.“ 37
Abb. 4 Porträt Johann Gottlieb Gleditsch. Staatsbibliothek zu Berlin PK
Bereits 1774 veröffentlichte Gleditsch den ersten Band eines zweibändigen Werks über die Forstwissenschaft. Zehn Jahre später würde der Berliner Verleger Friedrich Nicolai in seiner Berliner Chronik berichten, Gleditsch lehre „alle zum Forstwesen nöthige Kenntniß der Bäume, ihrer Pflanzung, Besämung und Kultur“. Er führe seine Zuhörer „in die benachbarten Wälder, um ihnen alles in der Natur zu zeigen.“ 38