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Enttäuscht von der Universität

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Wenn Humboldt ein Lob für die Göttinger Professoren übrig hatte, so galt dies jemand anderem, dem klassischen Philologen und Archäologen Christian Gottlob Heyne (1729–1812). Dieser sei „ohnstreitig der hellste Kopf“ der Universität, schrieb er an Wegener. Sein Vortrag sei zwar „holprig und stottrig“, aber „äußerst philosophisch“.25 Humboldt besuchte selbstverständlich auch die Vorlesungen Georg Christoph Lichtenbergs, Johann Friedrich Gmelins, Abraham Gotthelf Kästners und Johann Friedrich Blumenbachs. Mit Blumenbach würde er noch viele Jahre korrespondieren. Aber auch die Vorlesungen dieser berühmten Göttinger Professoren waren ihm kaum eine Erwähnung wert.

Das Universitätsleben in Hörsälen, Bibliotheken und der Studierstube war nicht Humboldts Sache. Alles habe hier „einen affektirten Fleiß“ klagte er dem Freund Wegener. Dem Helmstedter Mathematikprofessor Johann Friedrich Pfaff schrieb er, es sei ein „niederschlagender Anblick“, so viele Gelehrte zu sehen, die „keine andere Mittheilung als durch die Feder oder vom Katheder“ kennen. Auch die „Bekanntschaft so vieler gelehrter Männer“ mache dies nicht wett.26

Im 18. Jahrhundert spielte sich der universitäre Lehrbetrieb noch weitgehend im traditionellen Rahmen der Vorlesung ab. Die Professoren verlasen am Katheder stehend einen Text und die Studenten schrieben eifrig mit. Diskussionen außerhalb der nach rigiden Regeln ablaufenden Disputationen waren ungewöhnlich und bestenfalls bei geselligen Zusammenkünften in der Professorenwohnung erlaubt. Praktische naturwissenschaftliche Übungen, wie sie sich Humboldt erhofft hatte, waren auch an einer Reformuniversität wie Göttingen selten. Und anders als an der modernen Universität war auch das Alltagsleben der Studenten durch universitäre Sitten und Rituale geprägt.

Humboldt versuchte, der sterilen Atmosphäre des Universitätslebens durch eigene Lektüre und Selbststudien zu entfliehen. In den Berliner Textilmanufakturen hatte er unlängst die neuen, aus England importierten Spinnmaschinen kennengelernt, die ihn ebenso faszinierten wie die englischen Dampfmaschinen. Im Habsburg-ungarischen Bergrevier von Schemnitz hatte man schon in den 1730er-Jahren die ersten Dampfmaschinen eingeführt. Der preußische Minister v. Heinitz hatte 1785 den Bau einer Dampfmaschine für den Kupferschieferbergbau im mansfeldischen Hettstedt organisiert, dann bei der Firma Boulton und Watt eine Dampfmaschine für den Bleibergbau im schlesischen Tarnowitz in Auftrag gegeben, und nun verhandelte er erneut mit Boulton und Watt, um Dampfmaschinen für die Saline Schönebeck und die Kohlenwerke in Wettin und Rothenburg zu erwerben.27 Im Mai 1789 schrieb Humboldt an einen Freund: „Wer mit dem Maschinenwesen in den Manufakturen und beim Bergbau nur ein wenig bekannt ist, wird bald aus deren Anwendung, bald aus dem Mangel gewisser Einrichtungen die Vortheile der höheren Mechanik, den Schaden, den Unkunde darin bringt, einsehen lernen.“28 Also setzte er die theoretische Mechanik und Mathematik auf seinen Arbeitsplan. Um sich in die mathematische Analysis einzuarbeiten, studierte er die Anfangsgründe der Analysis des Unendlichen (Berlin und Stralsund 1770) des Berliner Artillerieoffiziers, Mathematikers und Newtonanhängers Georg Friedrich L. von Tempelhoff (1737–1807).

Wenn Humboldt durch solche Studien immer noch an die Studierstube gefesselt war, so boten ihm botanische und mineralogische Exkursionen eine höchst willkommene Abwechslung. Die Mineralogie und Geologie rückten nun näher ins Zentrum seiner Interessen, was nicht zuletzt eine Folge seiner Bekanntschaft mit Georg Forster (1754–1794) war. Der berühmte Naturforscher, Weltumsegler und Schwiegersohn Heynes machte ihn mit dem brandneuen mineralogischen Thema des Ursprungs der Basalte vertraut. Nachdem Humboldt die erste Basalthöhle am Rhein besichtigt hatte, zögerte er nicht lange und verfasste im Winter 1789/90 eine wissenschaftliche Publikation, Mineralogische Beobachtungen über einige Basalte am Rhein, die Forster gewidmet war.

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