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Willdenow verwandelt den Botanischen Garten in eine Forschungsstätte
ОглавлениеNachdem Willdenow 1801 Direktor des Königlichen Botanischen Gartens geworden war, unternahm er mehrere Maßnahmen zu dessen Umgestaltung. Noch im selben Jahr setzte er beim Akademiedirektorium die Verabschiedung eines neuen Reglements durch, das die wissenschaftliche Funktion des Gartens stärker betonte. Der Botanische Garten diene vorwiegend der „Erweiterung der Pflanzenkunde“ und der „Anstellung von Versuchen mit ökonomisch, technologisch und medicinisch wichtigen Gewächsen“ hieß es darin, ungeachtet der Tatsache, dass ein Teil von ihm weiterhin als Anbaufläche für Obstbäume genutzt werden und der Verkauf von Obst, Holzabfall und Heu weiterbetrieben werden solle. Das Reglement definierte den Botanischen Garten somit sowohl als Ort der botanischen Naturforschung als auch der praktisch nützlichen Forschung. Mit der Festlegung dieser akademischen Doppelfunktion knüpfte Willdenow an ein früheres Konzept seines Onkels an. Gleditsch hatte ehemals die Absicht erklärt, den Botanischen Garten „zum gemeinschaftlichen Nutzen der Botanik, Experimentalphysik und Medicin in eine recht solide Verfassung zu setzen und darin zu erhalten“.51
Das Kultivieren fremdländischer Pflanzenarten setzte die sorgfältige Bearbeitungen des Bodens, seine Düngung, Bewässerung und unzählige weitere Kunstgriffe voraus, die im Zuständigkeitsbereich des Gärtners und seiner Gehilfen lagen. Für die tropischen Pflanzen ließ Willdenow die vorhandenen Gewächshäuser umbauen und neue hinzubauen. All dies kostete Geld, aber dem neuen Direktor gelang es, über die Akademie der Wissenschaften eine bessere Finanzierung des Gartens durchzusetzen. Parallel zu seinen gärtnerischen Umgestaltungen arbeitete er an einer Neuausgabe und Verbesserung von Linnés Species plantarum, einem Werk, das er bereits 1797 begonnen hatte und 1810 mit dem fünften Band abschließen würde. Willdenow hielt am künstlichen Linnéschen System fest, weil es für die Praxis der Klassifikation brauchbar war, und er überdies glaubte, die Zeit sei noch nicht reif für ein natürliches System.
Um den Berliner Botanischen Garten in eine moderne Forschungsstätte zu verwandeln, die Voraussetzungen bot, das Linnésche System zu verfeinern, baute Willdenow ein weit verzweigtes internationales Korrespondentennetz von Botanikern auf, über das er auch den kostenlosen Austausch von Pflanzensamen organisierte. Auf diese Weise erhielt er Zugang zu Pflanzensamen aus Schweden, Sibirien, dem Kaukasus, der Krim, Ungarn, Italien, der Schweiz und Frankreich sowie aus außereuropäischen Ländern wie Indien, Nord- und Ostafrika und Nordamerika. Willdenow verhandelte überdies mit den großen Londoner Samenhändlern und kaufte wiederholt Samen seltener Pflanzenarten hinzu. Von seinen eigenen Exkursionen nach Österreich, Norditalien, Holland und Frankreich brachte er ebenfalls Samen mit. Auf diese Weise gelang es ihm, die Zahl der Pflanzenarten im Botanischen Garten gezielt und kontinuierlich zu vermehren. Während er bei seinem Amtsantritt im Jahr 1801 rund 1200 Pflanzenarten vorgefunden hatte, listete er sieben Jahre später in seinem Gartenkatalog Enumeratio Plantarum Horti regii botanici Berolinesis 6351 Arten auf, und 1812, in seinem Todesjahr, war diese Zahl auf 7700 gestiegen.
Willdenow leitete den Königlichen Botanischen Garten in Berlin wie den Mittelpunkt einer globalen Pflanzenwelt, aus deren entferntesten Winkeln er Pflanzensamen bekam. Auch sein Freund Humboldt schickte ihm während seiner Amerikareise zwischen 1799 und 1804 wiederholt Pflanzensamen zu. 1810 erhielt Willdenow den ersten Lehrstuhl für Botanik an der neu gegründeten Berliner Universität Unter den Linden, womit die Verwaltung des Botanischen Gartens an die Universität überging. Noch im selben Jahr reiste Willdenow nach Paris, um Humboldt bei der Identifikation und Klassifikation der von der Amerikareise mitgebrachten Pflanzen zu helfen. Schwer erkrank kehrte er von dieser Reise zurück und verstarb zwei Jahre später im Alter von 47 Jahren. Der Lehrstuhl für Botanik an der Universität blieb auch nach seinem Tod mit der wissenschaftlichen Leitung des Botanischen Gartens verbunden.