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5. Ersatz von Importen – Achards Rübenzuckerprojekt

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Über viele Jahrzehnte verfolgte der preußische Staat eine merkantilistische Wirtschaftspolitik, die darauf angelegt war, importierte Waren wie Kaffee, Tabak, Rohrzucker, Seide, Porzellan, Blaufarbe oder schwedisches Eisen durch einheimische Produkte zu ersetzen und so den Geldfluss ins Ausland zu drosseln. Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften ließ Maulbeerbäume setzten und Seidenraupen züchten, ihre Botaniker pflanzten Tabak, Tee und Kaffee an, und ihre Chemiker ersetzten importierten Rohrzucker durch Rübenzucker und arbeiteten an der Verbesserung preußischen Porzellans und Eisens. Die ökonomischen und patriotischen Gesellschaften der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts unterstützten diese Bestrebungen durch Aufklärungsarbeit in öffentlichen Vorträgen, Zeitschriften und Buchpublikationen.

Im Sommer 1791 gründete der Aufklärer und Gutsbesitzer Friedrich Eberhard von Rochow die Märkische Ökonomische Gesellschaft zu Potsdam, die nach dem Modell anderer ökonomischer und patriotischer Gesellschaften der deutschen Staaten die landwirtschaftliche Produktivität intensivieren und zu diesem Zweck nützliches Wissen verbreiten sollte.

Das Bevölkerungswachstum in Preußen während des 18. Jahrhunderts hatte zu einer Steigerung des Nahrungsmittelbedarfs geführt, dem der Staat seit Jahrzehnten durch große Meliorationsprojekte und die Gewinnung zusätzlicher landwirtschaftlicher Nutzflächen nachzukommen versuchte. Die zweite Strategie – die bessere und intensivere Nutzung vorhandener Agrarflächen – war in Preußen jedoch lange vernachlässigt worden. Während Landgewinnungen durch Trockenlegungen das Vermessungs- und Bauwesen vor neue technische Herausforderungen stellten, implizierten die Versuche der Ertragsteigerung der Landwirtschaft die Suche nach neuen landwirtschaftlichen Methoden und Wissensformen, unter denen die Botanik an vorderster Stelle rangierte. Die Märkische Ökonomische Gesellschaft setzte an dieser Stelle an. Sie rekrutierte sich vorwiegend aus protestantischen Landpfarrern, Beamten, Kaufleuten und Vertretern der gebildeten Mittelschicht. Zu ihren 69 ordentlichen Mitgliedern im Gründungsjahr 1791 gehörten auch die Berliner Naturforscher Bode, Achard und Hermbstaedt. Auch Klaproth hielt Vorträge auf ihren halbjährlichen Sitzungen.

Die Märkische Ökonomische Gesellschaft verfolgte das explizite Ziel, die Nahrungsmittelproduktion durch Einführung neuer Methoden zu steigern und die Landwirtschaft insgesamt zu reformieren. In ihrer Satzung hieß es wörtlich, sie beschäftige sich „nach dem Beispiele anderer [Gesellschaften] ihrer Art, mit allen den Gegenständen, die zur Aufnahme und Beförderung der einheimisch-ländlichen und städtischen Nahrungsgeschäfte dienen.“52 Zu diesen „Gegenständen“ gehörten landwirtschaftliche Maschinen wie die um 1780 in Deutschland eingeführte gusseiserne Pflugschar, die Techniken des tieferen Pflügens, die Verbesserung der Dreifelderwirtschaft durch Änderungen der Fruchtfolge, die Düngung des Bodens und der Anbau neuer Pflanzenarten wie Kartoffeln und Klee. Im Idealfall hoffte man, einen ökonomischen Kreislauf zu etablieren, bei dem die Intensivierung der Futterpflanzenproduktion zu einer Verbesserung der Tierzucht und diese wiederum zu einer Steigerung der Düngererzeugung führen würde, die dann der Bodenverbesserung und der Pflanzenzucht zugute komme.53

Eine gute naturwissenschaftliche Bildung galt den ökonomischen Gesellschaften als notwendige, wenn nicht ausschlaggebende Voraussetzung jeglicher landwirtschaftlicher Innovationen. Die Mitglieder der ökonomischen Gesellschaften Deutschlands versuchten daher, empirisches Expertenwissen unter den Beamten der Territorialverwaltungen, Gutsbesitzern und Pächtern zu verbreiten und das Bildungsniveau der einfachen Landbevölkerung zu heben.54 Zu diesem Zweck gab die Märkische Ökonomische Gesellschaft zwei Periodika heraus, die Annalen der Märkischen Ökonomischen Gesellschaft zu Potsdam und das Gemeinnützige Volksblatt. Währen die Annalen vor allem Expertenwissen verbreiteten, das sich auf Datensammlungen zur Landwirtschaft und die sogenannte „Experimental-Ökonomie“, das heißt Anbauversuche auf Mustergütern, stützte, richtete sich das Gemeinnützige Volksblatt an einfache Bauern. Achard zum Beispiel, der selbst Mitglied der Potsdamer ökonomischen Gesellschaft war, hatte bereits 1782 ein Landgut bei Kaulsdorf erworben, um dort Zuckerrüben zu züchten und somit zum Reformprojekt beitragen zu können. Wie wir weiter unten noch sehen werden, erwarb er Anfang der 1790er-Jahre ein zweites Landgut, auf dem er im Sinne ökonomischer Gesellschaften „Kunstwiesen“ für die Kultivierung neuer Futterpflanzen anlegte.

Der Historiker Marcus Popplow hat überzeugend argumentiert, die historische Bedeutung der ökonomischen Gesellschaften liege weniger in ihren ganz unmittelbaren praktischen Erfolgen als in ihrem systematischen Beitrag zur Entwicklung innovationsorientierten Wissens und einer langfristigen intensiven Ressourcennutzung in den deutschen Staaten. Er versteht die systematische Gewinnung neuen landwirtschaftlichen Expertenwissens und die „ökonomische Aufklärung“ insgesamt als Teil einer umfassenden Strategie, die erst langfristig Erfolge zeitigte.55 Ähnliche langfristig angelegte Strategien der Innovation lassen sich im Bergbau und den Bergwerkswissenschaften des späten 18. Jahrhunderts sowie einigen weiteren Felder identifizieren, auf die wir später zu sprechen kommen.

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