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Achard züchtet Zuckerrüben

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Rohrzucker war im 18. Jahrhundert wegen der hohen Zölle und langen Transportwege aus der Karibik eine Kostbarkeit, die sich nur Wohlhabende leisten konnten. In Deutschland wurde er zwar schon jahrhundertelang als Medikament verwendet, doch erst im 17. Jahrhundert setzte er sich auch als Genussmittel durch, parallel zur Verbreitung von Kaffee und Tee. Damit nahm auch die Zahl der Zuckersiedereien in den großen Hafenstädten Europas zu, in denen der braune Rohzucker zu weißen Zuckerwaren raffiniert wurde. In Berlin gründete der Unternehmer David Splitgerber zwischen 1749 und 1753 drei große Zuckersiedereien, die zuerst fast ganz Preußen mit weißem Hutzucker belieferten und somit verhinderten, dass preußisches Geld nach Hamburg, dem Zentrum der mitteleuropäischen Zuckerraffination, abwanderte. Bis 1791 kamen zwei weitere Zuckersiedereien hinzu, aber zu dieser Zeit war die Gesamtzahl von Zuckersiedereien in ganz Preußen schon auf rund 1000 gestiegen. Für die große Mehrheit der Bevölkerung blieb weißer Zucker jedoch noch lange unerschwinglich. Nur der Siedereisirup fiel für sie als neues Süßmittel ab.

1747 entdeckte der Berliner Akademiechemiker und Apotheker Andreas Sigismund Marggraf, dass einheimische Rübenarten einen Zucker enthielten, der völlig identisch mit Rohrzucker war. 35 Jahre später startete Marggrafs Schüler Achard ein technologisches Projekt, das diese Entdeckung in eine industriell nutzbare Erfindung umwandelte. Die Vorarbeit an dieser Erfindung dauerte jedoch rund zwanzig Jahre. Achard hatte nämlich zuerst eine hohe landwirtschaftliche Hürde zu überwinden: die Züchtung von „Zuckerrüben“, also solcher Rübenarten, deren hoher Zuckergehalt für eine wirtschaftliche Zuckergewinnung rentabel war.

Im August 1782 kaufte Achard ein Landgut in dem östlich von Berlin gelegenen Dorf Kaulsdorf, in dem er mithilfe von Landarbeitern die Züchtung von Zuckerrüben aufnahm.62 In den folgenden drei Jahren experimentierte er mit insgesamt 22 verschiedenen Rübenarten und selektierte die Pflanzenarten mit dem höchsten Zuckergehalt. Er unternahm Düngeversuche, chemische Bodenuntersuchungen und experimentierte mit neuen Methoden der Bodenbearbeitung. Diesen landwirtschaftlichen Versuchen schlossen sich auch schon erste Versuche zur Zuckergewinnung aus Rübensaft an. Durch einen Brand auf dem Gut im September 1783, bei dem mehrere Gebäudeteile vernichtet wurden, gerieten diese Versuche jedoch ins Stocken und wurden schließlich ganz eingestellt. Im Herbst 1785 verkaufte Achard sein Gut. Erst um 1790 ergab sich für ihn wieder eine Gelegenheit, in Französisch Buchholz, einer Hugenottensiedlung östlich von Berlin, ein neues Gut zu erwerben, in dem er seine Kultivierungsversuche fortsetzen konnte.63

Nach rund acht Jahren waren Achards Versuche zur Kultivierung von Zuckerrüben abgeschlossen, sodass er die zweite Phase seines Großprojekts einleiten konnte, die der Extraktion von Zucker aus dem Rübensaft im großtechnischen Maßstab. Mit diesen Extraktionsversuchen, die im eigens umgebauten Laboratorium der Akademie der Wissenschaften vom Frühjahr 1799 bis Sommer 1800 stattfanden, werden wir uns weiter unten noch beschäftigen. Schließlich kaufte Achard ein Gut im schlesischen Cunern, auf dem er eine Zuckerrübenfabrik gründete und im Frühjahr 1802 die Rübenzuckerproduktion aufnahm.

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