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Teil II Faustische Ambitionen 6. Humboldt betritt die Welt der Berg- und Hüttenwerke (1791)

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Humboldt hatte insgesamt drei Semester lang an Universitäten studiert, er kannte sich in den Kameralwissenschaften aus, hatte eigenständig botanische und mineralogische Studien betrieben und sich zudem mit Mechanik, Mathematik, Altertumswissenschaften, Völkerkunde, Philologie, Geschichte und Philosophie befasst. Er hatte vielfältige Interessen, doch im Frühjahr 1791 stand sein Entschluss fest: Er wollte „dem Vaterland“ dienen, nicht als Offizier, sondern als wissenschaftlich gebildeter, praktisch tätiger Bergbeamter. Im Sommer wollte er an die Freiberger Bergakademie gehen, um sich das nötige Rüstzeug zu verschaffen. Dann würde er als preußischer Bergbeamter in die Praxis einsteigen, die Bergtechnik voranbringen und gleichzeitig mineralogische und geologische Naturstudien betreiben.

Am 14. Mai 1791 schrieb Humboldt einen Brief an den preußischen Minister Friedrich Anton von Heinitz (1725–1802), in dem er ihm den „Entwurf“ seines „künfttigen öffentlichen Lebens“ vorstellte. „Ich stehe in dem Alter“, so der 21-Jährige, „in dem ich wünschen muss in einen bestimmten Wirkungskreis zu treten, und durch die geringen Kräfte, die ich in mir fühle, meinem Vaterlande nützlich zu werden“. Weiter heißt es: 83

▷Entschiedene Neigung zur Mineralogie, zur Salz- und Bergwerkskunde und noch mehr die schmeichelhafte Hoffnung, dereinst vielleicht zur Ausführung der großen und wohlthätigen Plane mitzuwirken, durch welche Ew. Excellenz seit einer langen Reihe von Jahren, unserem Staate bald neue Quellen des Nationalreichthums eröfnen, bald die schon gefundenen nach den philosophischen, sich immer gleichen Principien der Staatswirthschaft benuzen lehren – diese Gründe veranlassen den Wunsch, unter Ew. Excellenz näheren Befehlen in hochdero verschiedenen Departments mich vollends ausbilden zu dürfen.◁

Heinitz war damals schon 14 Jahre lang preußischer Minister und Leiter des zentralen preußischen Bergwerks- und Hüttendepartments, und seit 1786 war er auch für die Akademie der Künste, das Salzdepartement und die Königlich Preußische Porzellanmanufaktur verantwortlich. Für die Generation Humboldts verkörperte er den öffentlich wirksamen Mann höheren Standes, den patriotischen Kämpfer in der Behörde und den praktisch erfolgreichen Kameralisten, der sich für eine nachhaltige Innovationsstrategie des absolutistisch-merkantilistischen Staates, eine effektivere Verwaltungsstruktur und mehr Sachwissen in den Behörden einsetzte. Für die Durchsetzung seiner Ziele braucht er zuverlässige Helfer, Staatsdiener mit wissenschaftlich-technischer und ökonomisch-administrativer Kompetenz, und Humboldt brannte darauf, in seinen Kreis einzutreten. Auch andere junge Adlige fühlten sich von den Idealen eines von Heinitz, die mit der bürgerlichen Werteordnung harmonierten, angezogen. Einer der ersten Studenten an der Freiberger Bergakademie war Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra (1740–1819), der nach kurzem Studium zum Bergmeister im Bergamt Marienberg ernannt wurde. Ende der 1790er-Jahre studierte Novalis (Friedrich von Hardenberg, 1772–1801) in Freiberg. Naturforschung, technische Verbesserungsversuche und Dienst für das Vaterland bildeten in den Augen dieser jungen Adligen eine untrennbare Einheit. Die Freiberger Bergakademie war für sie eine Pilgerstätte und der Staatsdienst die beste Möglichkeit, ihre faustischen Ambitionen zu verwirklichen.

Zwei Wochen nach dem Schreiben seines Bewerbungsbriefs sandte Heinitz eine positive Antwort an Humboldt. Sie war mit dem Hinweis verbunden, nach seinem Freiberger Studium solle er für die preußischen Salinen zuständig werden. Nach einer Einarbeitungsphase würde er als erstes die Salzwerke im preußischen Schönebeck und Halle inspizieren und danach eine Reise zu auswärtigen Salinen unternehmen, um Anregungen für technische Verbesserungen zu sammeln. Für Humboldt war dies ein Anreiz, noch während seines Studiums in Freiberg Salinen zu besichtigen und sich intensiv mit der Salzgewinnung zu beschäftigen. Nach weniger als einem Jahr, Anfang 1792, würde er dem Minister einen detaillierten Aufsatz über die Methoden der Salzgewinnung vorlegen, der auch wichtige Überlegungen über „nützliche Wissenschaften“ und ihre Förderung enthielt.84

Die wenigen Wochen vor seiner Abreise nach Freiberg verbrachte Humboldt hauptsächlich mit seinem Freund Willdenow, aber er traf auch andere Berliner Naturforscher. Klaproth lud ihn in sein Apothekerlaboratorium ein und zeigte ihm, wie man Mineralien analysierte.85 Der neue Hofapotheker und Chemiker Sigismund Friedrich Hermbstaedt lud ihn ebenfalls ein, und mit dem fast gleichaltrigen Mineralogen und Bergassessor Dietrich Ludwig Gustav Karsten (1768–1810) schloss er in kurzer Zeit Freundschaft. Karsten, der seit langem durch Heinitz gefördert und 1789 von ihm in die Berliner Bergbehörde geholt worden war, kannte die Freiberger Bergakademie durch ein vierjähriges Studium aus eigener Erfahrung. Sein Werdegang, seine praktische Arbeit als Bergbeamter und sein gutes Renommee als Mineraloge müssen Humboldt wie die Projektion der eigenen Zukunft erschienen sein. Wenig später würde er ihm aus Freiberg schreiben:86

▷Unsere künftige Carriere, und eine bergmännische wünsch’ ich mir doch, wird uns nahe, sehr nahe zusammenrükken. Ich verspreche mir einen großen Genuß davon, Genuß für meine Wißbegierde und mehr noch (denn die Empfindung trohnt bei mir über alles), mehr noch für mein Herz.◁

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