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Achards Versuche mit Raygras
ОглавлениеAuf seinem Gut in Französisch Buchholz setzte Achard seine früheren Versuche der Kultivierung von Zuckerrüben fort und experimentierte erstmals auch mit Raygras und einigen anderen ausländischen Grasarten. Zu diesem Zweck legte er Kunstwiesen und Gärten an und ließ Gewächshäuser errichten, in denen er Versuche mit Samen und Stecklingen vornahm. Zu seinen neuen Versuchsobjekten gehörte nun auch das Zuckerrohr, da er die Reinigungsverfahren für den Presssaft aus Zuckerrohr mit denjenigen für Rübenzucker vergleichen wollte.
Achards neue Züchtungsversuche mit Samen hunderter verschiedener Pflanzenarten dienten neben Zielen der praktischen Nützlichkeit auch der Erweiterung botanischen Wissens. 1796 veröffentlichte Achard einen Katalog mit 2311 Pflanzenarten, die er in seinem Garten anbaute und „den Liebhabern der Botanik“ zum Tausch gegen andere Pflanzen und Samen anbot.77 Botanische und landwirtschaftliche Versuche waren nun aufs engste verflochten.
Der Historiker Hans-Heinrich Müller hat nachgewiesen, dass Achards Kultivierungsversuche von Raygras auf Kunstwiesen in engem Zusammenspiel mit den brandenburgischen Kammern stattfanden. Die Kammern griffen seine Versuchsergebnisse auf und empfahlen sie interessierten Gutsbesitzern und Domänenpächtern zur Nachahmung. Umgekehrt ließ sich Achard die amtlichen Berichte über die Erfahrungen der Gutsbesitzer zustellen und verarbeitete diese in einer 1798 veröffentlichten Schrift, die er dem König mit der Bemerkung überreichte, er hoffe, „der vaterländischen Ökonomie nützlich geworden zu sein“. In einem weiteren Brief an Friedrich Wilhelm III. schrieb er, es sei sein „heißester Wunsch“, durch seine „Arbeiten gemeinnützig zu werden“.78 „Gemeinnützigkeit“ war in den Jahren um 1800 die Tagesparole nahezu aller preußischen Naturforscher. Auch der junge Humboldt würde im Frühjahr 1791 Minister von Heinitz versichern, er habe das Ziel, seinem Vaterlande nützlich zu werden.
Im Frühjahr 1798 fasste Achard das Vorhaben ins Auge, auf seinem Gut eine Lehranstalt für „praktische Ökonomie“ mit einem botanischen Schwerpunkt zu gründen. Der König erhielt einen entsprechenden „Unterrichtsplan“. Die landwirtschaftliche Praxis des Pflanzenanbaus, argumentierte Achard, müsse „mit der Theorie so unzertrennlich verbunden werden“, dass daraus ein „solides Gebäude“ entstehe.79 Ähnlichen Argumenten über die Notwendigkeit der Verbindung von „Theorie und Praxis“ und der Ausarbeitung neuer Wissenschaftsformen begegnen wir in dieser Zeit auch im Zusammenhang der Gründung von Forst-, Berg- und Bauakademien. Achard wollte mit seiner Lehranstalt Gutsbesitzer, Pächter landwirtschaftlicher Domänen und alle Beamten, die „als Ökonom, Kameralist oder in Fabriken sich zum Dienst des Staates bilden wollen“, erreichen. Sein Plan sah vor, im Sommer und an Sonntagen zu unterrichten, um sich „dem Geschäfte der Belehrung sowohl im Hause als im Garten oder auf dem Feld zu widmen, wie der abzuhandelnde Gegenstand es erfordert.“80 In den technischen Sachdepartments des Generaldirektoriums und in den Kammern der Provinzen benötigte man schließlich landwirtschaftliche Experten.
Zur Realisierung seiner Unterrichtspläne blieb Achard jedoch nicht die notwendige Zeit. Von 1799 an erforderten seine technologischen Versuche zur Rübenzuckergewinnung, auf die wir in Kapitel 24 zurückkommen, seine Anwesenheit in Berlin und seine ganze Aufmerksamkeit. 1800/01 verkaufte er schließlich das Landgut in Französisch Buchholz. Nur sechs Jahre später gelang es Albrecht Daniel Thaer auf seinem Gut in Möglin, ein landwirtschaftliches Lehrinstitut zu gründen, das ganz ähnliche Ziele verfolgte.