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Der neue preußische Staatsbeamte
ОглавлениеHumboldt äußerte zu keiner Zeit eine scharfe Kritik an Heinitz, die mit seiner prinzipiellen Kritik am preußischen Behördenwesen und Machtapparat vergleichbar gewesen wäre. Dazu waren die Gemeinsamkeiten mit den Zielen des Ministers zu stark und dessen Erfolge zu offensichtlich. Unter der Leitung von Heinitz hatte der preußische Bergbau einen deutlichen Aufschwung erlebt, und in seiner Behörde waren inzwischen drei naturwissenschaftlich gebildete, sachkundige Beamte beschäftigt: der ältere Oberbergrat und Mineraloge Carl Abraham Gerhard, der 1792 zum Bergrat beförderte Mineraloge Dietrich Ludwig Gustav Karsten und Humboldt selbst. Das Ideal im Kreis um Heinitz war der tatkräftige, naturwissenschaftlich-technisch gebildete Staatsbeamte, der dem Gemeinwohl diente. Auch im Oberbaudepartment und dem 1791 reorganisierten Department für Gewerbe, Handel und indirektes Steuerwesen, das Minister Carl August von Struensee (1789–1804) unterstand, zeichnete sich eine Wende im Wertesystem ab.145
Minister Ludwig Philipp Freiherr vom Hagen (1724–1771), der das Bergwerksund Hüttendepartment und das Oberbaudepartment gegründet hatte, und die Minister Heinitz und Struensee konnten durchaus Erfolge ihres Reformprogramms verbuchen, auch wenn diese im absolutistischen Preußen nach außen hin wenig sichtbar waren. Wie der Historiker Wolfgang Neugebauer gezeigt hat, verfügte das Potsdamer Kabinett sowohl unter Friedrich II. als auch seinen beiden Nachfolgern über nahezu unbegrenzte Machtbefugnisse.146 Der Spielraum für die reformorientierten Minister war somit klein, aber Geduld und geschicktes Taktieren führte dennoch zu Teilerfolgen.
Unter allen Reformhindernissen spielte das Geld eine entscheidende Rolle. Im 18. Jahrhundert floss der weitaus größte Teil der preußischen Staatsausgaben in den Militärhaushalt, der unter Friedrich II. zeitweise mehr als 80 Prozent des Gesamtetats umfasste. Im Rechnungsjahr 1754/55 zum Beispiel betrugen die staatlichen Gesamtausgaben 10,8 Millionen Taler. Davon wurden 83 Prozent, also fast 9 Millionen Taler, für das Militär verwendet und nur 11 Prozent für das Hofwesen und den Ziviletat.147 Diese Proportionen änderten sich auch in den nachfolgenden Jahrzehnten kaum. So verschlang der rund zweieinhalbjährige Krieg gegen das revolutionäre Frankreich (1792–95) einen Staatsschatz von nahezu 50 Millionen Talern. Dagegen erscheinen die Kosten von rund 4 Millionen Talern für die Meliorationsarbeiten zwischen 1763 und 1775 in Teilen Pommerns und im Oder-, Netze- und Warthebruch als moderat. Ungleich bescheidener waren jedoch die Ausgaben für die Förderung der Natur- und Technikwissenschaften. Die Größenordnung, um die es bei den Verhandlungen zwischen dem König und den Ministern über die Gründung der Berg- und Bauakademie oder die Einrichtung eines Laboratoriums ging, belief sich nicht auf Millionen, sondern auf einige hundert oder bestenfalls einige tausend Taler. Die königlichen Entscheidungen über derartige Projekte wurden dennoch oft auf die lange Bank schoben und bestenfalls mit einem reduziertem Budget genehmigt. Wie wir noch sehen werden, mussten die preußischen Naturforscher und Mathematiker einen erheblichen Teil ihrer Forschung und Lehre aus eigner Tasche finanzieren.