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Thaers Musterlandwirtschaft
ОглавлениеAls Achard sein erstes Gut in Kaulsdorf erwarb, züchtete der nur ein Jahr ältere Stadtarzt Albrecht Daniel Thaer (1752–1828) noch Blumen in seinem Celler Garten. Thaer hatte 1774, nach einem Medizinstudium in Göttingen, die väterliche Arztpraxis in seiner Heimatstadt Celle übernommen. 1778 war er zum Stadtphysikus und zwei Jahre später zum „Hofarzt“ des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg ernannt worden, ein Amt, das mit der Übertragung der Aufsicht über die Celler Apotheken und Hebammen verbunden war. Um diese Zeit begann er, sich für Landwirtschaft zu interessieren. 1784 wurde er Mitglied der „Königlichen Landwirtschafts-Gesellschaft“ in Celle, dem Sammelpunkt ortsansässiger Protagonisten der ökonomischen Aufklärung. Zwei Jahre später kaufte er sich ein eigenes Grundstück für landwirtschaftliche Versuche, auf dem er ein Wirtschafts- und Wohnhaus errichtete und von nun an die Sommer verbrachte. Die „Botanik war mir zu steril; das Blumenbeet war mir zu kleinlich; ein Garten zu enge und zu einförmig“ geworden, erklärte er diesen Schritt zur Landwirtschaft. Später berichtete er über diese Zeit, er habe begonnen, die Landwirtschaft „zuerst als ein Handwerk, dann als Kunst und Wissenschaft zu betreiben.“81 Thaer verwandelte seinen Celler landwirtschaftlichen Betrieb innerhalb weniger Jahre in eine „Muster- und Lehrwirtschaft“, die den Gutsbesitzern der Umgebung die „rationale“ Landwirtschaft vorführen sollte. In den ersten zehn Jahren erzielte er Ernteergebnisse, die rund 30 Prozent über denen seiner Nachbarn lagen. 1791 veröffentlichte er seine erste landwirtschaftliche Schrift Unterricht über den Kleebau und die Stallfütterung in Fragen und Antworten für den Lüneburgischen Landmann. Spätestens nach der Veröffentlichung des ersten Bands seiner Englischen Landwirtschaft galt er als führende Autorität der „Landwirtschaftswissenschaften“ in Deutschland. 82
Abb. 8 Porträt Albrecht Daniel Thaer, Stich von Halle nach einem Bild von J. J. Lose (1803). Aus Klemm und Meyer (1968)
In dem ersten, 1798 erschienen Band seiner Englischen Landwirtschaft argumentierte Thaer für die Notwendigkeit einer wissenschaftlich fundierten Ausbildung der Landwirte, insbesondere der Gutsbesitzer und landwirtschaftlichen Verwalter. Durch die Gründung landwirtschaftlicher Akademien, die an Muster- und Experimentalwirtschaften angeschlossen wurden, sollten Theorie und Praxis vereinigt werden. Vier Jahre später, war dieses Ziel ein gutes Stück näher gerückt. Im Frühjahr 1802 gründete Thaer ein landwirtschaftliches Lehrinstitut in Celle, das eine öffentliche Vorlesungsreihe über Landwirtschaftswissenschaften und ausgewählte Gebiete der Naturkunde, Chemie und Botanik anbot.
Noch im selben Jahr besuchte Hardenberg, der Thaer schon mehre Jahre kannte und umworben hatte, das Celler Unternehmen. Anfang 1804 übermittelte er ihm schließlich das offizielle Angebot Friedrich Wilhelms III., mithilfe königlich-preußischer Gelder eine Musterwirtschaft und Lehranstalt in Preußen aufzubauen. Thaer ging auf das Angebot ein und erwarb im Juni 1804 das Gut Möglin in der Nähe von Bad Freienwalde im Oderbruch. Er ahnte damals nicht, dass sich die zugesagte staatliche Hilfe auf eine Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften, die noch im März 1804 erfolgte, die Verleihung des Professoren- und Geheimen Ratstitels und ein Schutzversprechen beschränken und ihm die finanzielle Unterstützung versagt werden würde. Nur seine erfolgreiche Schafszucht würde es ihm später ermöglichen, das Gut weiterzuführen und sein Lehrinstitut zu finanzieren.
Im Frühjahr 1806 begann Thaer mit der Errichtung eines Lehrgebäudes, für dessen Finanzierung er Aktien herausgab. Dabei hoffte er, die Aktien durch die Studiengebühren seiner Studenten, die auf dem Gut auch wohnen sollten, absichern zu können. Bei insgesamt 30 eingeplanten Studenten, von denen jeder einzelne jährlich 350 bis 600 Taler Studiengebühr entrichten würde, wäre eine ansehnliche Summe zusammengekommen. Diese Rechnung erwies sich jedoch bald als Trugschluss, denn die Baukosten waren höher als geplant, es wurden nicht alle Aktien verkauft, und wegen des Kriegs gegen die napoleonische Armee trafen im Herbst 1806 nur drei Studenten ein. Trotz großer und fortdauernder finanzieller Schwierigkeit nahm Thaer den Lehrbetrieb im November 1806 auf. Während die meisten Studenten, deren Zahl sich bis Juni 1807 auf 20 erhöht hatte, aus Grundbesitzerund Verwalterfamilien stammte, waren einige auch angehende Staatsbeamte, die in den technischen Sachdepartments des Generaldirektoriums oder den Kammern der Provinzen Anstellung suchten.
Anders als im Celler Institut, in dem er nur einige Vorlesungen angeboten hatte, entwarf Thaer für sein Mögliner Institut ein verpflichtendes Lehrprogramm für ein einjähriges Studium. Die naturwissenschaftlichen und mathematischen Vorlesungen fanden vormittags, im Winter teilweise auch nachmittags statt, und während des Sommerhalbjahrs war die zweite Tageshälfte mit praktischen landwirtschaftlichen Arbeiten ausgefüllt. 1810 wurde Thaer außerordentlicher Professor für Kameralwissenschaften an der neu gegründeten Berliner Universität, wo er von da an im Winter unterrichtete.