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Die „mephitische“Atmosphäre Berlins
ОглавлениеHumboldts Unbehagen in der Berliner Bergbehörde war nicht nur dem Fehlen praktisch-technischer Betätigungsmöglichkeiten und einem veralteten Wertesystem in der Beamtenschaft geschuldet, sie hatte auch politische Ursachen. Mit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms II. im Spätsommer 1786 hatte der Rosenkreuzer Johann Christoph von Wöllner erheblichen politischen Einfluss erlangt.142 Er war zuerst persönlicher Ratgeber des Königs, Justizminister und Chef des „geistlichen Departments“ und rückte schließlich auch an die Spitze des Finanzwesens auf. 1788 war er mit einem Religionsedikt gegen die Berliner Aufklärer zu Felde gerückt. Der junge Humboldt hielt sich damals, von der Universität Frankfurt/Oder zurückgekehrt, in seiner Heimatstadt auf – in dem „großen, aufgeklärten!! königlichen Berlin“, wie er dem Studienfreund Wegener ironisch mit zwei Ausrufungszeichen schrieb. Und er wünschte sich nichts sehnlicher, als sich möglichst weit weg von Berlin, in den „entferntesten, einsamsten Winkel“ der Welt zurückziehen zu können. Humboldt war ein genauer und kritischer Beobachter des politischen und kulturellen Wandels in Berlin. Dem Züricher Arzt und Botaniker Paul Usteri schrieb er aus Freiberg, „die Geistliche Inquisition“ mache die „Berliner Atmosphäre immer mephitischer“. „Die politischen Ränke nehmen mit jedem Jahre zu und wehe dem, den die Familienverhältnisse zwingen, mitten in den Wirbel zu treten“, fügte er ahnungsvoll hinzu.143
Nur wenige Monate später befand er sich im Epizentrum dieses politischen Wirbels. Seine Skepsis gegenüber der Staatsmacht wurde keineswegs durch die Vorzugsbehandlung abgemildert, die Minister von Heinitz ihm angedeihen ließ. Vielmehr fand er es „unbillig“, dass dieser ihm unter Umgehung der üblichen Regeln eine Assessorenstelle mit Stimmrecht verschaffte, ungeachtet der Tatsache, dass es mehrere bürgerliche Amtsanwärter gab, die seit langem auf eine Anstellung hofften. Die „Lobsprüche“, mit denen ihn der Minister überdeckte, hielt er für unaufrichtig und übertrieben: „Durch den vielen unverdienten Weihrauch leiden endlich die Geruchswerkzeuge“, spöttelte er in einem Brief an seinen Vertrauten Freiesleben.144 Humboldt verehrte Heinitz, aber mit dessen Bevorzugung adliger Bewerber und seinem militärisch straffen Führungsstil vermochte er sich nur schwer anzufreunden. Wenige Monate später würde ihm dieser Führungsstil noch erheblich mehr zu schaffen machen.