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Zucker aus Ahornsirup

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Dem Rübenzucker stellte sich bald ein einheimischer Konkurrent entgegen.69 Noch während Achard auf seinem Gut in Französisch Buchholz mit der Züchtung ertragreicher Zuckerrüben beschäftigt war, unterstützte Minister Carl August von Struensee (1735–1804) den alternativen Versuch, Zucker aus Ahornsirup zu gewinnen. Struensee, der 1782 als Geheimer Oberfinanzrat und Direktor der Preußischen Seehandlung nach Berlin gekommen war, hatte unter Friedrich Wilhelm II. eine steile Karriere durchlaufen. Von 1791 an leitete er in Personalunion das neu kombinierte Fabriken-, Handels- und Akzisedepartment im Generaldirektorium und war damit mächtiger und einflussreicher als Minister von Heinitz. 1796 setzte er mit Unterstützung Wöllners seine Übernahme der General-Salzadministration durch, die seit 1786 Heinitz unterstanden hatte. Das von ihm geförderte Ahornzuckerprojekt bedeutete einen weiteren potenziellen Schlag gegen Heinitz, dessen Ministerium das Rübenzuckerprojekt unterstützte. Nicht immer arbeiteten die reformfreudigen preußischen Beamten und Minister zusammen, auch wenn sie aus einer größeren historischen Perspektive letztlich am selben Strang zogen und demselben soziokulturellen Bündnis angehörten, das sich für technische Verbesserungen und die Hebung des Gemeinwohls engagierte.

Die Tatsache, dass Ahornbäume und vor allem der Zuckerahorn (Acer saccaharum) Zucker enthielten, war seit langem bekannt. Die Indianer Nordamerikas hatten bereits Zucker aus Ahornsirup gewonnen, und die amerikanischen und kanadischen Quäker und Herrnhuter nutzten diese Zuckerquelle noch im 18. Jahrhundert. Minister von Struensee hatte davon im September 1796 durch eine schriftliche Eingabe des Geheimen Forstrats Friedrich August Ludwig von Burgsdorf (1747–1802) erfahren.


Abb. 7 Porträt Friedrich August Ludwig v. Burgsdorf. Staatsbibliothek zu Berlin PK

Burgsdorf, dessen Arbeitssitz sich in der Tegeler Oberförsterei befand, hatte damals schon auf eigene Initiative mit der Anpflanzung von Zuckerahornbäumen begonnen. Sein Handel mit Baumsamen, der sich bis nach Nordamerika erstreckte, diente gleichzeitig seinen wissenschaftlichen Ambitionen als Botaniker und Forstwissenschaftler. 1780 hatte er seine erste große forstwissenschaftliche Schrift veröffentlicht, 1782 wurde er Mitglied der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin und 1789 folgte seine Aufnahme in die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften. Von 1787 an hielt er überdies öffentliche Vorlesungen über Botanik und Forstwissenschaft, die zuweilen als „Forstakademie“ bezeichnet wurden.70

Nachdem Minister von Struensee im Herbst 1796 von Burgsdorf über das Vorkommen von Zucker in Ahornbäumen informiert worden war, zögerte er nicht lange mit der genaueren Exploration dieser Möglichkeit der Zuckergewinnung. Er zog weitere Erkundigungen über das Vorkommen von Zuckerahorn in Preußen ein und beauftragte überdies die Königliche Seehandlung mit dem Ankauf von Samen nordamerikanischen Zuckerahorns in London, um neue Pflanzungen anzulegen. Die chemisch-technische Seite des Projekts, das in Versuchen der Zuckergewinnung aus Ahornsirup bestand, übertrug er dem Apotheker-Chemiker Sigismund Friedrich Hermbstaedt (1760–1833), der gerade Beamter seiner Behörde geworden war. Hermbstaedt verstand sich ausgezeichnet mit einem anderen Beamten seiner Behörde, seinem engen Vertrauten Gottlob Johann Christian Kunth (1757–1829), dem ehemaligen Erzieher der Gebrüder Humboldt, der ebenfalls ein vehementer Anhänger des Ahornzuckerprojekts war.

Bereits im Winter 1796/97 begab sich Hermbstaedt in Begleitung eines Forstreferendars in den Berliner Tiergarten, um erste Zapfversuche an Ahornbäumen vorzunehmen. Im Tiergarten wuchs zwar kein Zuckerahorn, aber der zuckerhaltige Saft des dort wachsenden gemeinen Ahorns und Spitzahorns genügte vorerst für die nachfolgenden Versuche der Zuckerextraktion aus dem abgezapften Saft. Nachdem es Hermbstaedt während der Vegetationsperiode im darauffolgenden Frühjahr gelungen war, im Tiergarten größere Mengen Ahornsaft zu gewinnen, kontaktierte er die Zuckersiederei der Gebrüder Schickler & Co. mit der Bitte um die Eindampfung des Safts. Der Versuch ergab nahezu ein Pfund Zucker. Im September 1797 setzte Hermbstaedt seine Zapfversuche mit Zuckerahornbäumen fort, die sich im Park von Harbke am westlichen Rand der Magdeburger Börde befanden, und erhielt aus deren Saft bedeutend größere Zuckermengen. Seine Berechnungen ergaben, dass sich aus 1000 Bäumen rund 3281 Pfund Rohzucker gewinnen ließen. Begeistert hielt er fest:71

▷ Auf allen Fall lässt sich vorläufig urtheilen, dass einst der Staat von dieser Unternehmung einen sehr reelen Vortheil ziehen kann, wenn Ahorn-Plantagen angelegt werden, und das Ganze im großen finanziell betrieben wird. ◁

Hermbstaedt versuchte zu dieser Zeit auch, Zucker aus anderen Pflanzenarten zu gewinnen, darunter aus Weintrauben, Birken, Mais, Russischem Bärenklau, Mohrrüben und auch der Runkelrübe. Dabei war er sich der Konkurrenz mit Achards Rübenzuckerprojekt durchaus bewusst. „Da ich aber höre, dass Herr Achard sich jetzt mit ähnlichen Arbeiten beschäftigt“, schrieb er im Dezember 1798 in einem amtlichen Abschlussbericht an Struensee, halte er es für seine Pflicht, dem Minister über seine eigenen, gleichwohl noch unfertigen Versuchsresultate zu berichten, „um nicht zu spät damit einzulaufen“.72 Hermbstaedt favorisierte schließlich, ebenso wie Struensee und Kunth, die Ahornzuckergewinnung und legte gemeinsam mit Kunth alles darauf an, die Skeptiker in der Behörde auf die eigene Seite zu ziehen.

Kunth unterstützte das Ahornzuckerprojekt nicht nur verbal, sondern unternahm auch eigene Versuche zur Anpflanzung von Zuckerahorn auf dem Tegeler Anwesen der Familie Humboldt. Ausgestattet mit Samen kanadischen Zuckerahorns, den die Preußische Seehandlung im Auftrag ihres Leiters Struensee in London aufgekauft hatte, begann er Ende der 1790er-Jahre mit der Anpflanzung einer größeren Zuckerahornplantage in Tegel. 15 Jahre später, im April 1814, würde er Wilhelm von Humboldt in einem Brief jedoch eingestehen müssen, dass nur wenige der rund 1200 Bäume die notwendige Wachstumsperiode von 20 Jahren, die für eine ökonomisch profitable Saftgewinnung erforderlich waren, überdauert hatten. Denn die meisten Bäume waren gefräßigen Hasen zum Opfer gefallen.

Der Brief wirft ein bezeichnendes Licht auf die Erfolgsaussichten des Zuckerahornprojekts, das schließlich am 19. März 1799 mit einer Kabinettsorder des Königs für beendet erklärt wurde. Den Befürwortern des Rübenzuckerprojekts um Minister von Heinitz war es gelungen, starke ökonomische und technische Gründe gegen den Zuckerahorn ins Feld zu führen. Man hätte nicht nur relativ große Anbauflächen für die Bäume benötigt, sondern auch mindestens 20 Jahre abwarten müssen, bis diese das Alter für eine technisch rentable Saftgewinnung erreicht hatten. Bis dahin war es jedoch möglich, dass der Zuckerpreis auf dem Weltmarkt wieder erheblich gefallen war. Dagegen war Achards Rübenzuckerprojekt ungleich schneller und mit geringerem Aufwand umsetzbar.

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