Читать книгу Der Pferdeversteher - Uwe Weinzierl - Страница 26
DIE INITIATION
ОглавлениеWarum fällt es mir frühmorgens nur immer so schwer, Entscheidungen gut zu finden, die ich am Vorabend aus vollem Herzen getroffen habe?
Beim Essen hatte mich der Schäfer gefragt, ob ich nicht Lust hätte, ihm am nächsten Tag für ein paar Stunden zur Hand zu gehen. Durch den überraschenden Wintereinbruch müssten die 150 Ziegen, die er neben seinen 1.000 Schafen hielt, in den heimischen Stall geführt werden. Ich hatte begeistert zugesagt; das würde bestimmt ein toller, erlebnisreicher Tag an der frischen Luft werden. Mit einer Flasche Bier und lakonischem Smalltalk ließen wir den Abend ausklingen.
Nur wenige Stunden später reißt mich der Wecker aus meinen unruhigen Träumen. Leicht verkatert reibe ich mir die Augen, schäle mich aus den Federn und trotte zehn Minuten später, die Hände tief in den Taschen meiner Jacke vergraben, durch die klirrende Kälte Richtung Schäferhof. Es schneit noch immer, und ich spüre die winzigen, stechenden Schneekristalle auf Kinn und Wangen. In vielen Scheunen und Häusern, die an meinen müden Augen vorbeiziehen, brennt bereits Licht. Die Landbevölkerung ist längst wach und fleißig, wie könnte es anders sein. Ich gähne und sehne mich nach meinem warmen, weichen Bett.
Doch es ist nicht nur mein Lebensrhythmus, der mich von den Einheimischen unterscheidet. Ein Nachbar hatte einst angehalten, als ich ihm auf dem Gehweg entgegenkam. Ich war damals noch fremd im Ort, also grüßte ich ihn zuerst. So habe ich das eben als Kind von meinen Eltern gelernt. Daraufhin sah er mich mit schiefem Grinsen an und meinte: »Ich hab nichts gegen Berliner.« Dann machte er eine Kunstpause. »Aber ich finde, sie sollten in Berlin bleiben.« Dörflicher Humor.