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Ein Zicklein im Schoß

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»Pass mal auf«, sagt der Schäfer. Er hält ein Zicklein in den Armen, die Vorderhufe in seine linke, die Hinterbeine in seine rechte Hand geklemmt. »Die schafft das nicht zu Fuß.« Mit diesen Worten landet die junge Ziege auf meinem Schoß, und ich greife reflexartig nach dem knochigen Tier, bevor es herunterfällt.

Bestimmt wird sie gleich zappeln, um sich aus meiner Umklammerung zu befreien? Doch dafür ist das Zicklein schon zu schwach.

Auch Nando stört sich nicht an dem neuen Passagier auf seinem Rücken, und so geht es im Schritttempo weiter Richtung Dorf und Stall. Ich spüre ein ungewohntes Glücksgefühl. Es gleicht einer tief versunkenen Erinnerung, die plötzlich wach wird, zu strampeln beginnt und dann auftaucht: Ich sitze auf einem Pferd, dessen kraftvolle Schritte unter mir durch den Schnee pflügen. Ich halte ein Zicklein im Arm, das sich friedlich an meinen Bauch schmiegt. Wir wärmen uns gegenseitig, und ohne dass wir es verabredet hätten, steuern wir im Hier und Jetzt auf unser gemeinsames Ziel zu.

Dieses Glücksgefühl, so empfand ich das damals, kam dem sehr nahe, was ich mir von meinem Leben erhoffte. Die meiste Zeit hatte ich es schwer, mich mit der menschlichen Existenz anzufreunden, und noch heute erscheint mir häufig alles sinnlos, fragwürdig, verlogen und irgendwie traurig. Zu wenige Lichtblicke in einem viel zu langen Tunnel. »Und nur manchmal eine Blume und der Duft einer Nacht, aber meistens … nichts, nichts, nichts«, heißt es in einem Lied aus meiner Feder. Doch in diesem Moment, im bitterkalten Morgengrauen des 14. Dezember 1990, war alles gut. Wie aus dem Nichts war plötzlich Nando gekommen und hatte mir einen Lichtblick verschafft. Und auf einmal wusste ich, dass ich den Rest meines Lebens mit Pferden verbringen möchte.


Auf Nando fühlte ich mich wie neugeboren: Plötzlich wusste ich, worum es im Leben geht.

Der Pferdeversteher

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