Читать книгу Der Pferdeversteher - Uwe Weinzierl - Страница 32
Stadtflucht und Landliebe
ОглавлениеIch muss an Bine denken, bittersüße Erinnerungen. Ein Jahr lang ging es gut mit uns. Man könnte auch sagen, ein Jahr lang ging es, und dann war es vorbei. Ich hatte sie beim Trampen in Kreuzberg kennengelernt. Und noch bevor ich auch nur ein Wort mit ihr gewechselt hatte, eigentlich schon bevor ich in ihren alten Mercedes-Kombi eingestiegen bin, war es um mich geschehen, und ich hatte mich in sie verliebt. Bine und ich waren ein echtes Kreuzberger Traumpaar, das dachte ich zumindest damals: sie Kostümbildnerin, ich Szenekabarettist. Dazu zwei heranwachsende Kinder von zwei verschiedenen Vätern, keines von mir.
Beide wollten wir unbedingt irgendwann aufs Land ziehen.
Bevor wir zusammenkamen, hatte ich lockere Affären am laufenden Band, berauschte mich regelmäßig mit Bier, Wein und Champagner – und nicht selten auch mit härteren Drogen. Ich war am Abend euphorisiert und am nächsten Morgen gerädert und verkatert, kostete meine unzähligen Liebesabenteuer in vollen Zügen aus und war doch zerrissen und innerlich getrieben. Das alles entsprach meiner Vorstellung von sexueller Freiheit und Selbsterfahrung, wie sie in Künstlerkreisen gelebt wird. Alle Schattenseiten, alle zermürbenden Zweifel nahm ich in Kauf. Schließlich befeuerten auch sie meine Kreativität, davon war ich zumindest überzeugt. Ein Klischee.
Doch dann verknallte ich mich in meine Ostberliner Künstlerin, und sie fegte alles weg. Mehrere Geliebte? Für Bine kein Problem. Trotzdem, oder gerade deshalb, verloren andere Frauen plötzlich ihre Anziehungskraft. Schließlich packten wir die Kinder und unsere Habseligkeiten in einen schrottreifen VW-Bus und zogen nach Osthessen aufs Land. Gerade noch rechtzeitig, bevor uns die bald darauf einstürzende Berliner Mauer im engen Kreuzberg hätte erschlagen können.
Als ich auf Nando saß und ein krankes kleines Zicklein im Arm hielt, spürte ich ein ungewohntes Glücksgefühl.