Читать книгу Verraten - Vanessa S. Kleinwächter - Страница 18
Dreizehn
Оглавление„Ha! So gut hab ich das noch nie hinbekommen!“ Anerkennend reckte ich den Daumen in Richtung des leichten Flimmerns vor mir, das mit sehr viel Konzentration und Fantasie den Umriss meines besten Freundes hatte. Wer ihn nicht erwartete und nicht genau hinsah, würde gar nicht merken, dass er da war – und genau das war auch das Ziel. Damit er sich noch ein wenig vom Alltag in der Stählernen Burg erholen konnte, wir aber auch nicht der nach wie vor miesen Stimmung im Camp der Dhi Mal ausgesetzt waren, würden wir Jake für die letzten Tage der Ferien zurück ins Kullë Guri schmuggeln. Natürlich hätten wir auch einfach fragen können, ob Doktor Haxxley ihm ein paar Tage Unterschlupf bieten würde. Aus irgendeinem Grund jedoch schien Jake der Gedanke, noch einmal mit seinem ehemaligen Schulleiter reden zu müssen, überhaupt nicht zu gefallen. Naja gut, im Grunde war das auch keine allzu große Überraschung, wenn man bedachte, wie der ihn zu seiner Zeit an unserer Schule behandelt hatte. Also würden wir nicht fragen, sondern einfach mal machen. Dass Jakes Anwesenheit auffallen würde, bezweifelten wir ohnehin, war die Schule doch beinahe leer und Doktor Haxxley selten außerhalb seines Büros zu sehen – höchstens auf dem Weg zur oder von der Kampfhalle zurück.
„Manchmal wünschte ich, wir könnten einfach wie früher abends zusammen am Wasser sitzen und Flusssterne zählen“, ertönte ein nachdenkliches Murmeln neben mir, als wir dem Litar folgten und das Schulgelände betraten. „Ich auch“, gab ich zurück, ohne zu wissen, ob ich Jake gerade ins Gesicht sah oder genau an ihm vorbei. Er hatte recht: So gut hatte selbst er den Chamäleon-Zauber vorher noch nie gewirkt. Im Unterricht hatte ich seinen Körper zumindest noch erkennen können, ganz so, als habe ihn jemand in den Farben seiner Umgebung angemalt. Nun verschmolz er wirklich gänzlich mit ihr. Was für ein schräges Gefühl! „Tja, aber so ist das nunmal. Wer irgendwo hinwill, muss irgendwo gehen“, kam Jakes Stimme aus dem Flimmern neben mir. So ganz wollte mir immer noch nicht in den Kopf, dass dieses „irgendwo“ ausgerechnet die Stählerne Burg hatte sein sollen. Doch gerade war nicht der richtige Zeitpunkt, das auszuführen.
Wenig später waren wir auch schon ins Schulgebäude gehuscht und schlossen leise kichernd die Tür meines Schlafzimmers hinter uns. Erleichtert ließ ich mich auf mein Bett fallen und sah wenig später dabei zu, wie neben mir eine zweite menschliche Gestalt wieder deutliche Formen annahm. „Das war ja fast schon wieder witzig!“, schmunzelte Jake und ich nickte, einen Lachanfall unterdrückend: „Ziemlich witzig sogar. Stell dir mal vor, was Haxxley für Augen machen würde, wenn er wüsste, dass an seiner Schule etwas passiert, was er nicht ausdrücklich genehmigt und besiegelt hat!“ Bei der Vorstellung musste ich dann doch laut loslachen. „Ella“, unterbrach Jake meinen Lachanfall und sah mich unvermittelt ernst an, „solltest du irgendwann mal nichts mehr von mir hören, denk bitte daran: Freundschaft kann Wege finden, wo keine zu sein scheinen.“ Mein Gelächter wich einem irritierten Stirnrunzeln: „Äh, okay… Schön formuliert. Aber verrätst du mich auch, was genau du mir damit sagen willst?“ Er zögerte einen Moment, dann schüttelte er fast unmerklich den Kopf und schien vom einen Moment auf den anderen ein ausgeprägtes Interesse an unserer Sternen-Decke entwickelt zu haben. Nicht, dass das jetzt gerade sonderlich zur Auflösung meiner Verwirrung beigetragen hätte, doch ich ließ mich darauf ein. Im Moment hatten wir ja ohnehin noch immer wieder Kontakt, obwohl wir unsere Tage in unterschiedlichen Bildungseinrichtungen verbrachten. Die Tatsache, dass Jake nun hier war, war der beste Beweis dafür.
Als es langsam Abend wurde, beschwor Jake uns ein köstliches Abendessen herauf und wir setzten uns zusammen an den Fluss. Rücken an Rücken saßen wir da – Jake hatte erneut den Chamäleon-Zauber angewendet, sodass es aussah, als wäre ich allein. So ganz hatte ich mich an diese Art des Zusammenseins immer noch nicht gewöhnt, aber es war besser als gar nichts. Und zur Beruhigung konnte ich mich ja gegen ihn lehnen und seine Schultern gegen meinen spüren. „Schade, dass Nathan gar nicht da ist! Da will man einmal die Normalsterblichen besuchen…“, lachte er. Ich rollte mit den Augen. Cabrysz mochte seine Burg für eine tolle Elite-Akademie halten, aber das musste Jake mir ja nicht so auf die Nase binden. Zu spät fiel mir ein, dass er mein Augenrollen natürlich gar nicht sehen konnte. Ich schluckte, überlegte, noch was zu sagen, ließ es dann aber doch bleiben. War schließlich nur ein schlechter Witz gewesen. Würde Jake sich wirklich für etwas Besseres halten, wäre er nicht hier. Und das war er. Beinahe fühlte es sich wieder an wie früher. Ich entspannte mich und schloss die Augen, um dem Plätschern des Litar zu lauschen. „Meinst du, wir kriegen es irgendwie hin, dass ich die Glitzerwolke mal wieder sehen kann? Das hat mir damals echt gutgetan.“ Die Glitzerwolke war unsere Chorleiterin und so ganz nebenbei auch die angenehmste Lehrperson, mit der ich an diesem Internat bisher in Berührung gekommen war. Sie trug stets weite Kleider und glitzernde Schals, die ihr nachflatterten, wenn sie gut gelaunt in den Raum geschneit kam. Für gewöhnlich schaffte sie es, uns alle mit ihrer lockeren Art und ihrer guten Laune anzustecken, die sich nie zu erschöpfen schien, aber auch nie aufgesetzt wirkte. Brauchte jemand ein offenes Ohr für Probleme, wurde sie hingegen sofort ernst und hörte zu. Schon als Jake noch am Kullë Guri gewesen war, hatte sie auch ihm hin und wieder mit Ratschlägen zur Seite gestanden, obwohl er nicht sang. Ich konnte mir gut vorstellen, dass sie in dieser Situation auch einmal darüber hinweg sehen würde, dass er überhaupt nicht mehr auf ihre Schule ging. „Bestimmt! Ich richte ihr von dir aus, dass du sie treffen möchtest, dann kommt sie sicher mal nach Siguri oder so.“ „Danke.“ „Klar doch. Du kannst aber auch jederzeit mit mir reden, das weißt du, oder?“ Jake drehte sich um und zog mich in eine innige Umarmung, die von außen wie eine verwirrende Verrenkung meinerseits aussehen musste: „Ja, das weiß ich.“