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Augustus

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Nach der Machtübernahme durch Augustus gab es, wie bei Cäsar, Leute, die den Verlust der Freiheit beklagten. Doch das war nicht das Volk, das seit mehr als hundert Jahren keine Freiheit und Geborgenheit mehr gekannt hatte – das waren die vornehmsten Geschlechter. Augustus suchte sich anfangs seine Mitarbeiter in anderen Kreisen, heiratete jedoch bereits im Jahre 38 durch eine Ehe mit Livia in eines der ältesten Geschlechter, das claudische, ein. Er wiederholte Cäsars souveränen Irrtum des Begnadigens und Beleidigens nicht, sondern jagte den Mächtigen am Anfang einen Schreck ein und stimmte sie danach versöhnlich durch die Revision von Cäsars Senat und die Rückgabe der Privilegien an den Senatsadel. Bereits im Jahre 27, vier Jahre nach dem Sieg über Antonius, konnte er es wagen, den Staat, res publica, der ja genauso hieß wie die Republik, für wiederhergestellt zu erklären und seine außerordentlichen Machtbefugnisse abzugeben – nur um sie unter anderen Namen vom Senat zurückzuerhalten. Danach konnte er behaupten, er habe keine größere Macht, sondern – als Augustus – nur größere Autorität als andere. Er besaß nicht den Titel eines Kaisers – Cäsar war ja sein Name –, sondern den Status als erster Mann des Senats, als princeps, woher die Bezeichnung der Römer für das Kaisertum, das Prinzipat, kommt.

Bis 23 v. Chr. war Augustus jedes Jahr von der Volksversammlung zum Konsul gewählt worden. Als er in jenem Jahr die Wahl ausschlug, rief das im Volk, das den Konsultitel offenbar für entscheidend hielt, Unruhe hervor. Für das Volk hieß es noch immer: Augustus oder Chaos. Deshalb schien es nicht ganz so sinnlos, wie es eigentlich war, daß Augustus dafür die Wahl zum Volkstribun auf Lebenszeit annahm. Formal schützte er in dieser Stellung das Volk vor Machtmißbrauch, real verlieh ihm die Tribunengewalt die Macht über die gesamte Gesetzgebung.

Im Jahre 27 hatte der Senat ihm zudem das imperium, d. h. die oberste zivile, militärische und richterliche Gewalt, in allen Grenzprovinzen übertragen. Das war nur eine formale Bestätigung der Tatsache, daß die Macht des Augustus sich auf das in den Grenzprovinzen stationierte Heer gründete. Augustus hatte vor der Auseinandersetzung mit Antonius das Heer einen persönlichen Treueeid leisten lassen. Da eine Hauptursache des Bürgerkriegs darin zu suchen war, daß die Heere allmählich zu groß wurden und zu eng an ihre Führer gebunden waren, war es eine dringliche Aufgabe, sie auf ein Mindestmaß zu begrenzen und das enge Verhältnis zwischen den Legionen und ihren Offizieren zu verhindern. Letzteres strebte Augustus durch zeitlich begrenzte Ernennungen und häufige Versetzungen an, ersteres machte eine Grenze der Expansion an den natürlichen Grenzen erforderlich. Einige haben gemeint, Augustus sei in seinen Bemühungen um die Reduzierung des Heeres und seiner Macht geradezu zu weit gegangen; in einer prekären Situation, wie sie während eines Aufstands in einigen östlichen Provinzen im Jahre 6 n. Chr. vorliegen sollte, habe „sich das Fehlen einer starken zentralen Truppenreserve als nahezu verhängnisvoll“ erwiesen.44

Die Erinnerung an das Heer, das Pompejus seinerzeit in Rom hatte einrücken lassen, wirkte abschreckend. In Rom wollte man die Illusion bewahren, daß die Autorität des Friedensfürsten sich nicht auf das Heer stütze. Doch da das Fehlen einer Ordnungsgewalt in Rom sich ebenfalls als fatal erwiesen hatte, ließ Augustus die kaiserliche Prätorianergarde in der Umgebung der Stadt in Garnison gehen. In Rom selbst befehligte ein Stadtpräfekt, der bei Abwesenheit des Kaisers als dessen Stellvertreter auftrat, die drei „Stadtkohorten“, eine Art Militärpolizei, und ein zweiter Präfekt, der praefectus vigilum, ein Feuerwehr- und Wächterkorps. Die Präfekten kamen aus dem Ritterstand und unterstanden dem Kaiser direkt. Das galt auch für den Präfekten von Ägypten, das im Gegensatz zu den übrigen Provinzen die „private“ Domäne des Kaisers war. Die kaiserlichen Grenzprovinzen wurden von Augustus’ persönlichen Legaten verwaltet, während die übrigen Provinzen unter die Zuständigkeit des Senats fallen und von Statthaltern, in der Regel ehemaligen Konsuln, verwaltet werden sollten, die – im Gegensatz zu früher – hoch bezahlt wurden, so daß sie auf die Ausbeutung ihrer Provinzen nicht ganz so versessen waren. Da Augustus die Verwaltung der Senatsprovinzen außerdem durch seine persönlichen Prokuratoren überwachen ließ, den Zöllnern das Recht der Steuereintreibung nahm und es den lokalen Beamten überließ, wurde die Ausblutung der Provinzen begrenzt, und ihr Wohlstand erhöhte sich, der Zustand des Reiches verbesserte sich zusehends, die meisten fühlten sich geborgener, die wenigsten fühlten sich weniger frei.

Die politische Genialität des Augustus bestand darin, daß er an den alten Formen festhielt und sich mit einer Veränderung der Realitäten „begnügte“. Obwohl der Senat dem Kaiser unterlegen war und die Volksversammlung keinerlei Macht besaß (und unter Tiberius völlig aufhörte zu existieren), funktionierten die alten Institutionen wieder; offiziell war nicht nur der Staat, sondern auch die Republik wiedererrichtet worden. Diese Zweideutigkeit war der Grund dafür, daß man sich unter Augustus durchaus erlauben konnte, „Pompejaner“ zu sein, und daß die Erinnerung an Julius Cäsar zwar in Ehren, aber allmählich auch etwas im Hintergrund gehalten wurde. Als Cäsar zum Gott erhoben und seiner clementia ein Tempel gewidmet worden war, hatte Octavian den Namen Divi filius, Sohn des Göttlichen, angenommen und auf diese Weise seinen rechtmäßigen Anspruch auf Cäsars Kraft und Klientel betont. Doch als Augustus distanzierte er sich in seinem ganzen Lebensstil von seinem Vorgänger: waren Cäsar und der Staat identisch gewesen, so repräsentierte Augustus die Institution des Staates oder war derjenige, der zugunsten des Staates bescheiden beiseite trat. Er betonte dies, indem er die Residenzstadt, ehemals eine Stadt aus Ziegeln, zu einer Stadt aus Marmor machte, ohne daß er seine eigene Residenz auf dem Palatin in einen Palast verwandelte.

Im Alltag renommierte Augustus nicht mit kaiserlichem Pomp und Gepränge, sondern trat lieber als altrömischer Familienvater auf, ein Vorbild auf dem Pfade der Tugend zurück zu den Sitten der Vorväter, ernsthaft beschäftigt mit der Schaffung häuslicher Zucht in der römischen Familie, was er mit seinen Gesetzen gegen Unzucht und Luxus zu erreichen suchte. Er gebot den römischen Männern auch, eine Familie zu gründen; wollten die römischen Bürger ihre Privilegien in Verwaltung und Heer bewahren, dann mußte es genug römische Bürger geben (in bezug auf das Heer mußte man das Problem dadurch lösen, daß man den Soldaten in den Legionen ganz einfach das römische Bürgerrecht verlieh). Augustus, der die Aristokraten entthront hatte, war selbst eher ein Bürger als ein Fürst, und es mag verwundern, daß er in den Augen der Untertanen gleichzeitig göttlich war. Es gehörte wohl sehr viel Geschick dazu, bürgerliche Prunklosigkeit mit göttlicher Gewalt zu vereinen.

Am letzten Tag seines Lebens im Jahre 14 n. Chr., in dem Monat, der nach ihm benannt wurde, soll er seine Freunde gefragt haben, ob er seine Rolle nicht gut gespielt habe. Darin möchten einige ihre Auffassung bestätigt sehen, daß Augustus sich seiner politischen Rolle bewußt gewesen sei, jedoch nicht an seine göttliche Sendung geglaubt habe. Wenn es so wäre, müßte Augustus hoch über die Vorstellungswelt seiner Zeitgenossen erhaben gewesen sein, und nichts deutet darauf hin, daß er so souverän war. Ronald Syme, von dem das klassische Werk über die römische Revolution45 stammt, die zum Prinzipat führte (die seiner Meinung nach eine Klassenrevolution war, da sie den Senatsadel entmachtete – freilich übernahm keine andere Klasse die Macht), ist so sehr darum bemüht, das so wenig Souveräne an Augustus zu betonen, dem er seine Schwächlichkeit sogar übel zu nehmen scheint, daß es völlig unbegreiflich wird, wie dieser schwächliche, heuchlerische Mensch in dieser harten Welt überhaupt etwas habe leisten, geschweige denn den Grundstein zu einem Weltreich legen können, das mit seinen angeborenen Schwächen doch immerhin ein halbes Jahrtausend überdauerte. Syme muß zu der unwahrscheinlichen Erklärung greifen, dies habe auf einer Reihe unwahrscheinlicher Glücksfälle beruht.

Auch wenn dies die Erklärung sein sollte, so war das Glück, fortuna, für den Römer eine Schicksalsmacht, die dem Kühnen beistand; Glück stand nicht im Gegensatz zu persönlichem Verdienst, sondern war dessen Lohn. Die Grenze zwischen menschlich und göttlich war im Altertum nicht so wissenschaftlich bestimmt wie in neuerer Zeit. Wer Großes schuf, der tat dies nach der Bestimmung des Schicksals, mit der Billigung der Götter und kraft des Göttlichen in ihm selbst, deshalb wurden Cäsar und Augustus nach ihrem Tode zu Göttern erhoben. Augustus glaubte wohl kaum, daß es nur sein eigenes Verdienst gewesen sei, daß bei der Schaffung des Friedens das Glück auf seiner Seite gestanden hatte, nicht umsonst wurde auf dem Marsfeld in Rom, dem Zentrum der Bautätigkeit des Augustus, nicht nur ein Altar für den Frieden, sondern auch einer für das Glück, die fortuna, errichtet. Augustus hatte Glück bei der Friedensstiftung; das war sein Verdienst und der Wille des Schicksals, deshalb konnte er sich in aller Bescheidenheit als Werkzeug der Götter fühlen, und das tat er sicher auch.

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