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VIII

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Bei Senzakis Mord an dem Gefängniswärter war jemand zugegen. Als Wache verkleidet, hatte er auf das Vorgehen Senzakis gewartet. Niemand vermochte die unverhoffte Freilassung des Samurai Ishi, Aufseher in den Bambushainen des Daimyō Bonzon, mit Menos Zeugenschaft in diesem Mord zu verbinden. Meno würde für eine derartige Information mehr als ein einfaches klägliches Leben geben.

Ishimatsus Gefolge begleitete er bis zum Schiff und wartete auf deren Rückkehr an dieselbe Stelle, von der aus er sie verabschiedet hatte, aber diesmal umgeben von einhundert Soldaten. Sobald das Schiff geankert hatte, betraten sie es. Nach Besichtigung der Ladung befahl Meno, lediglich die Köpfe der Diebe für den Shogun aufzubewahren. Nach Senzaki fragte Meno Ishimatsu gar nicht erst. Da er nicht mehr unter ihnen war, wusste er, was der Kommandant getan hatte. Er rief ihm lediglich zu: »Jetzt wirst du ihm Gesellschaft leisten!« Das waren die letzten Worte, die Ishimatsu vernahm. Danach entließ Meno das Gefolge, beließ es bei nur wenigen ihm persönlich zugetanen Männern, mit denen er das Schiff in eine ihnen bekannte Richtung manövrierte.

Meno erstattete vor dem Shogun und den Heerführern Bericht über seine geheime Mission. Zur Ansicht hatte er die Überreste der Verräter mitgebracht, zuzüglich der Information über die Ermordung Senzakis durch den Gefängniskommandanten. Über die Ladung wurde kein einziges Wort verloren. Er tat kund, dass das Schiff gesunken sei.

»Du hast deine Aufgabe gut erledigt. Morgen wirst du verkünden, dass der Peiniger des Shoguns hingerichtet worden ist. Du wirst belohnt werden.«

Meno hatte sich selbst schon mehr als üppig mit der reichen Fracht belohnt. Auf eine solche Gelegenheit hatte er so viele Jahre gewartet; er war sich sicher, dass sich ihm irgendwann eine Chance bieten würde. Sein ganzes Leben hatte er im Schatten von Osson dem Älteren verbracht, hatte blinden Gehorsam geübt, den er aus lauter Gewohnheit nie in Frage stellte. Die einzige Art und Weise, sein Leben völlig einem anderen zu schenken, besteht in einem kleinen, doch tief verborgenen Geheimnis, das vielleicht unwesentlich erscheint, das sich aber niemandem und niemals erschließt. Es ist der Strohhalm für das ganze Bangen, für die Erniedrigungen, für den Schmerz, die Entbehrungen und die Ungerechtigkeit, die man durchmacht. Es ist auch der Retter und der Geliebte in der Einsamkeit, im Traum, dann, wenn man in den Abgrund scheinbaren Stillstands sinkt, wenn man die Verbindung zu sich selbst und erst recht zu anderen verliert. Man küsst es wie niemanden sonst, denn es gehört zu unserer, einzig zu unserer Körperlichkeit. Es ist nicht nur in der Seele; wenn das so wäre, verflöge es unter der Großhirnrinde wie die abendliche Schale Sake. Es ist die Königin, die exakt für so viele Jahre eingesetzt wird, wie uns noch bleiben.

Meno litt, denn er wusste, dass er niemals, auch wenn er selbst auf die Suche ginge, einen besseren Lehrmeister für das Hüten eines Geheimnisses, seine Verwirklichung, für Rücksichtslosigkeit und Erfolg fände als den Herrscher Osson. Sobald er spürte, was sein Gebieter vorhatte, jubelte er über das Wohl der gerade geborenen Idee, denn Osson hatte damit untadelig Erfolg. Und als er begriff, dass der Vater für seinen Sohn eine Position in Thronnähe des Shoguns plante, erschrak er nicht vor dem dreisten Begehren, sondern half seinem Herrn selbstlos und ohne Widerspruch, indem er all seine – wie andere sagen würden – Launen, befriedigte. Nur er wusste, dass Osson der Ältere ein Mann ohne Launen war. Alles, auch das anscheinend Närrischste war Teil eines gut durchdachten Plans. Meno kämpfte lediglich darum, mit seiner unaufdringlichen Anwesenheit zu erfahren, worin der Plan bestand. Da wurde er der eisige, gefühllose verlängerte Arm des Herrschers, der vor nichts zurückschreckte, um das Befohlene auszuführen. Osson hatte grenzenloses Vertrauen zu ihm, obwohl er sich das nicht vollständig erklären konnte. Wenn er ihm einen Auftrag erteilte, gab er niemals eine Empfehlung für die Methode, wusste er doch, dass der Diener eine entwickeln würde, selbst wenn es scheinbar keine gab. Ein solches Vertrauen zwischen Herrscher und Diener schuf ein Verhältnis, in welchem nicht ein einziges Mal Liebe als Grundlage für das Handeln eine Rolle spielte. Es existierte eine nur ihnen bekannte Verbindung, die man nicht einmal mit größerer Lebenserfahrung zu erkennen vermochte. Wer konnte sich schon vorstellen, dass Mut und Kühnheit der beiden das Resultat gegenseitiger Unterstützung waren?

Als Osson der Jüngere die Herrschaft übernahm, begriff Meno gänzlich die unbegrenzte Macht seines Herrn Osson des Älteren, der das offenbar als Endziel aller gewonnenen Kämpfe ansah und Meno mitteilte, dass er nun diese Welt verlassen könne. Der Vater starb noch am selben Abend; am Kopfende seines Lagers durfte einzig sein Diener verweilen. Er nahm ihm das Versprechen ab, fortan seinem Sohn zu dienen.

»Diene ihm, solange er kein Guter wird. Sollte es dazu kommen, würde ich mich von ihm lossagen. Wenn er im Bösen nachlässt, wird keine Zeit sein, dass ihn jemand warnt. Er wird verschwinden, als hätte es ihn nie gegeben.«

Meno fragte sich, ob Osson der Ältere auch ein Prophet war, ohne dass er selbst es wusste.

Das Buch vom Bambus

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