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XIII

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Das tägliche Verrichten der rituellen Handlungen, angefangen vom morgendlichen Schlagen auf die Holzplatte, das Zeichen zum Aufstehen, bis hin zum abendlichen Niederlegen auf den harten Boden des gemeinsamen Schlafraums, hatte meine Bewegungen auf die wesentlichen beschränkt. Ihre Wiederholung schuf in mir ein mechanisches und zugleich enges Verhältnis zu den Dingen, die ich im Blickfeld hatte oder in den Händen hielt. Ich hatte den Eindruck, dass ich auch mitten in der Nacht, falls ich aufwachte, wüsste, was war und mit welchem Gegenstand sich welche Gefühle verbanden. Jede Sache barg neben ihrem Gebrauchswert nämlich auch ein gewisses Maß an Gedanken, das sich im Kontakt mit ihr zeigte. Jede Zeremonie für sich hatte zum Zweck, den Geist auf eine bestimmte Denkweise auszurichten. Hatte man sich an diese gewöhnt, konnte man einfach an nichts anderes mehr denken als an eine bestimmte Art von Dingen. Niemand schrieb vor, worüber man zu welcher Tageszeit und bei welcher Arbeit nachzudenken hatte, aber um sich leichter konzentrieren zu können, fand jeder für sich heraus, welche Gedanken ihn am einfachsten und schnellsten in den gewünschten Zustand versetzten.

Selbst unsere Mahlzeiten waren immer gleich, um auch in unserem Organismus Disziplin walten zu lassen. Zum Frühstück hatten wir drei Schüsseln vor uns: In der ersten war Reisbrei, in der zweiten Takuan, sauer eingelegter Rettich, und in der dritten Wasser, mit dem wir unsere Hände und die benutzten Schüsseln wuschen. Das Mittagessen bestand hauptsächlich aus mit Reis vermengtem Weizen, Gemüsesuppe und Takuan. Zum Abendessen gab es außerdem noch gekochtes Gemüse. Was die Mahlzeiten, von außen sichtbar, begleitete, war die Rezitation der Sutras vor und nach dem Essen. Ansonsten hatte völlige Stille zu herrschen. War die Mahlzeit beendet, sammelten der Oshō oder ein damit beauftragter Schüler von jedem ein paar Reiskörner ein, die den hungrigen Geistern (Gaki) dargeboten, eigentlich aber den Vögeln zum Fressen überlassen wurden. Die Stille während der Mahlzeiten schloss Nachdenken nicht aus. Das Ritual brachte aber einen jeden von uns dazu, bei einem Problem zu verweilen, das mit dem Leben hier zu tun hatte, nicht mit dem, das wir einst gelebt hatten. So ließ das zu jeder Handlung gehörende Zeremoniell jeden von uns beständig Fortschritte machen.

Seit ich angefangen hatte, meine Gedanken und meinen Körper stärker zu spüren, nahm ich einige äußere Veränderungen weniger wahr. Erstens besuchten von Zeit zu Zeit Leute das Kloster, die ausschließlich vom Daishi und vom Rōshi empfangen wurden und zu denen wir keinen Kontakt hatten. Wir servierten ihnen nur manchmal auf Bitten des Meisters Tee, ohne jedoch an der Teezeremonie teilzunehmen. Zweitens hatte ich erst beim letzten Baden und Rasieren des Kopfes bemerkt, dass es einen Schüler gab, der seit kurzem häufiger in meiner Nähe war als andere: Wenn wir uns morgens wuschen, mussten wir einander helfen, und er war oft derjenige, der mir den Wasserkübel reichte. Dasselbe tat er auch, wenn wir badeten. Beim Essen saß er entweder neben mir oder mir gegenüber. Wenn ich es mir genau überlege, rasierten wir uns oft auch gegenseitig. Bis jetzt hatte er das alles wortlos getan. Beim letzten Rasieren begann er zu sprechen und fragte mich, ob ich etwas dagegen hätte, dass er mich rasiert und kein anderer. Ich schüttelte den Kopf und ertappte mich dabei, eine Bewegung und kein Wort gebraucht zu haben – als kämen auch mir die Worte nicht mehr leicht über die Lippen. Das nächste Mal kam er auf mich zu, als wir am Shikunichi vormittags frei hatten und unsere Wäsche wuschen, weil wir nicht zu den Schülern gehörten, die sich den Kōan-Übungen mit dem Meister unterzogen. Ich war gerade dabei, mein zerschlissenes Gewand zu flicken (in welchem ich mich nicht von den anderen unterschied), als er sich zu mir setzte. Er verneigte sich und stellte sich vor.

»Ich bin Unsui Ryokai.«

»Ich bin Unsui Cao.« Ich wartete.

»Ich bin seit zwei Jahren hier.«

»Und ich halb so lange. Nicht einmal.«

»Das muss nicht viel bedeuten. Ich kenne Schüler, die schneller vorangekommen sind als andere, die schon viel länger hier waren.«

»Was heißt ›vorangekommen‹?«

»Na, dass sie die Buddhaschaft erlangt haben. Erleuchtet wurden.«

»Und wo sind sie jetzt?«

»In anderen Klöstern, als Lehrer.«

Ich schwieg. Vorsichtig tasteten wir uns aneinander heran. Dann sprach er weiter.

»Über einen von ihnen habe ich gehört, dass er mit seiner Erkenntnis unzufrieden ist. Es heißt, er wolle nicht mehr unterrichten und stattdessen zu unserem Rōshi zurückkehren, um wieder Schüler zu sein.«

»Ist das denn keine Schande für unseren Meister?«

»Nein. Jeder Rōshi ist stolz auf solch einen Schüler. Aber es kommt selten vor, dass jemand den Mut aufbringt und offen zugibt, unzufrieden mit dem zu sein, was er verstanden hat.«

»Er fühlt sich also schuldig, weil er glaubt, die Lehre nicht richtig verstanden zu haben?«

»Er ist mutig, weil er nicht aufgibt, selbst nachdem er schon den Titel erhalten hat. Denn viele, die mit sich – oder öfter noch mit anderen – unzufrieden sind, geben noch als Schüler auf und verlassen das Kloster. Es gibt auch solche, die nicht aufgeben, es aber irgendwie nicht schaffen, sodass der Rōshi sie aus dem Kloster ausschließen muss. Und manchmal gibt es auch welche mit niederen Trieben, die sich etwas Schwerwiegendes zu Schulde kommen lassen: etwas stehlen oder ins Dorf abhauen. Solche werden sofort hinausgeworfen.«

Mein neuer Bekannter gefiel mir. Er sprach seine eigenen Worte mit kindlichem Staunen aus, so als ob sie ihm von jemandem mitgeteilt worden wären und er sie zum ersten Mal hörte. Er war zierlich, klein und knochig. Seine dichten, schwarzen Augenbrauen passten nicht recht zum rasierten Kopf und dem zerbrechlichen Körper. Jeden Satz beendete er mit einem Schmunzeln und machte dann eine Pause bis zum nächsten Satz. Er tat das nicht, um seinen Worten Bedeutung zu verleihen, sondern um seinen kleinen Augen Zeit zu geben, Eindrücke von seinem Gegenüber aufzunehmen. Er war ein sanfter junger Mann. Ich hatte ihn nie zuvor mit jemandem sprechen sehen. Andere taten das untereinander viel öfter. Seine Offenherzigkeit gefiel mir.

Ich erinnerte mich an die Leinwand mit der abstrakten Zeichnung und den kalligraphischen Zeichen auf der Veranda des Zendō, deren Bedeutung sich mir nicht erschlossen hatte. Da ich neben ihr Stunden um Stunden zugebracht hatte, als ich auf die Aufnahme ins Kloster wartete, hatte sich mir eingeprägt, was ich als Einziges lesen konnte. Auf der Leinwand war eine Unterschrift zu sehen gewesen: Ryokai.

»Ist die Zeichnung neben der Besucherglocke von dir?«

»Ja. Hast du sie bemerkt?«

»Und ob! Man muss blind sein, um nicht alles um sich herum aufzunehmen, bis man endlich seine Lernbegierde bewiesen hat. Ich habe nur die kalligraphischen Zeichen nicht verstanden. Chinesische sind es nicht.«

»Die Zeichen sind erfunden. Sie bedeuten nichts. Ich habe die Zeichnung in meiner Freizeit angefertigt, und du weißt ja jetzt selbst, dass man die nur an Shikunichi-Tagen hat. Nur so für mich, denn mit Schweigen befasse ich mich schon seit Jahren. Und dann hat jemand dem Rōshi davon erzählt, und er ist eines Tages zu mir gekommen und hat mich gebeten, ihm zu zeigen, was ich mache. Er hat sich die Bilder lange angesehen, dann dieses ausgesucht und gebeten, dass ich es dem Kloster schenke. Ich war überglücklich. Stell dir nur vor, wie ich am nächsten Tag gestaunt habe, als ich es gerahmt und an einer solchen Stelle sah! Man hat mir erzählt, dass der Rōshi persönlich den Rahmen gebaut hat. Der Tag, als du im Hof aufgetaucht bist, war auch der erste Tag, an dem sich die Leinwand dort befand. Ich weiß nicht warum, aber was dich betraf, war ich mir an diesem Tag sicher, dass du in Dabu-ji aufgenommen wirst. Wir haben also einen wichtigen Tag gemeinsam. Ich möchte dich deshalb bitten, dass auch du dir einmal meine Zeichnungen ansiehst. Außer dem Rōshi habe ich sie noch niemandem gezeigt.«

Ich freute mich über diesen Zufall, obwohl ich aus seinen Worten schloss, dass er das Ganze nicht für einen Zufall hielt. Ich war ihm dankbar für die Ehre, die er mir erwies.

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