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III

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Am zweiten Tag seiner Regentschaft wurde der junge Osson von Lärm im Hof des Palastes geweckt. Kurz darauf erschien Meno, bis vor kurzem Diener seines Vaters, sichtlich erregt und erschrocken in den Gemächern.

»Herr, verzeih, dass ich dich behellige, aber an den Hof ist Seko gekommen, der persönliche Samurai des verstorbenen Shoguns. Er möchte sich dir anvertrauen, bevor er in der Frühe Seppuku begeht und sich zu seinem Herrn gesellt.«

Osson nickte zustimmend und die Wache führte den Angekündigten herein.

»Was ist es, das dich so sehr quält, dass du jetzt kommen musstest?«

»Herr, ich schäme mich, das einzugestehen. Seit dem Tag, an dem unser Shogun ermordet wurde, verstecke ich mich. Wegen meiner Ohnmacht gegenüber dem, was ich gesehen habe und wegen meiner Feigheit; werde ich in der Morgendämmerung aus diesem Körper entweichen. Ich möchte, dass du meine Zeugenaussage als Ersatz für meine Angst annimmst.« Er reichte dem Shogun einen zu einer Rolle geformten Brief, der zugebunden und versiegelt war.

»Ich bitte dich aber, ihn erst nach meinem Tod zu öffnen. Ich wollte dir in die Augen sehen, um sicher zu sein, dass du ihn erhalten hast. Ich würde dich nicht mit meiner Anwesenheit beleidigen, wenn der Brief nicht wichtig wäre. Mögen dir andere besser dienen als die Vormaligen des toten Herrschers. Leb wohl.«

Seko verneigte sich und ging hinaus.

Am Morgen setzte Meno den jungen Osson davon in Kenntnis, dass der Samurai sein Gelübde verwirklicht hatte.

Der Brief enthielt sehr unangenehme Fakten über die letzten Stunden im Leben des Shoguns; er trug die Unterschrift des Samurai Seko. Im ersten Moment verschlug es dem jungen Osson die Sprache, und dann überkam ihn eine unmäßige Wut. Er rief Meno zu sich und befahl die Zuführung des Samurai Senzaki durch die Palastwache. Dieser befand sich im Gefängnis, weil er mit weiteren Männern verdächtigt wurde, an der Ermordung des alten Shoguns und seiner Familie beteiligt gewesen zu sein.

Er sprach kurz mit Senzaki, danach erteilte er seinen Heerführern den Befehl, dass die Zusammenkunft, die er für heute mit seinen aufständischen Herrschern einberufen hat, ohne dass er selbst auftauchen werde, nicht ein einziger Daimyö lebend verlassen dürfe. Bis zum Ende des Tages sickerte in der Residenzstadt die schreckliche Geschichte von der Köpfung aller Statthalter des einstigen Shoguns durch.

Am nächsten Tag verkündete Osson seine Entscheidung, dem Samurai Senzaki den Prozess zu machen.

Als dieser einige Tage später begann, waren alle Anwesenden verwundert, dass auch Osson kam, der erklärte, dem ganzen Prozess beiwohnen zu wollen.

Zunächst wurde die Anklageschrift verlesen, in der Senzaki der grässlichen Folter des Herrschers bezichtigt wurde, die zu dessen Tod geführt habe. Die Anwesenden waren schockiert. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass die Schändung eines Shoguns nicht zulässig ist.

Im Brief des Samurai Seko wurde die Foltermethode des Anführers mit einem bis dahin unbekannten Mittel beschrieben. Man hatte den Shogun auf eine fest eingelassene Bank gelegt und ihn auf dem Bauch liegend darauf festgebunden. Die Bank hatte zwei Vertiefungen: eine runde für den Bauch und eine zweite, etwas engere, in Höhe der Augen des Shoguns, sodass er die Bodenfläche unter sich sehen konnte. Exakt unter die Öffnung für den Bauch pflanzten die Soldaten einen Bambussetzling und zogen sich dann zurück. Senzaki blieb in der Nähe, um die Wuchsrichtung des Bambusstängels zu kontrollieren. Aus der Erde schoss ungezügelt der schnell wachsende, in Japan von allen Arten am meisten verbreitete Madakebambus seinem Ziel entgegen. Zur Überwindung der Distanz von sechzig Zentimetern bis zur Bank brauchte er etwa zwölf Stunden. Ein aufmerksamer Beobachter, und ein solcher war Senzaki als auch der sich versteckt haltende Seko, konnte sehen, wie der Setzling gedieh. Als der Shogun Zeichen des Schmerzes zu zeigen begann, ließ Senzaki die Wache nach den Daimyōs schicken. Der Setzling bahnte sich mit seiner scharfen Spitze fast zwei Stunden lang einen Weg durch den Körper des Shoguns. Bis der Bambus den Rücken durchbohrt hatte, war der Shogun lebendig. Mit letzter geballter Kraft verkürzte er seine Qualen, indem er seinen Kopf auf die Bank aufschlagen ließ. Das war das Ende.

Senzaki gab die Tat, wegen der Anklage gegen ihn erhoben worden war, nicht zu. Er wiederholte, dass der Shogun ohne Folter umgebracht worden sei und dass er die Todestrafe ausgeführt habe, auf Befehl der Daimyös. Weder die eine noch die andere Wahrheit ließ sich beweisen: Der Körper des Shoguns wurde nicht gefunden.

Das Gericht verurteilte Senzaki zum Tode.

Das Buch vom Bambus

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