Читать книгу Verstellte Wegzeichen - Walter Buchenau - Страница 16

Оглавление

13.

Sobald sich Veronica entschlossen hatte nach Korea mitzureisen, recherchierte sie intensiv im Internet über das Land und seine Sitten und las vor allem, was alles nicht ging in diesem Land. Zum Beispiel gerade heraus „Nein“ zu sagen. Lieber verpassten Koreaner einen Termin, zu dem sie genötigt worden waren, als dass sie ihrem Gegenüber eine Abfuhr erteilt hätten. Daher galten sie oft als unzuverlässig, was aber nur ihrer Scheu entsprang, jemanden zu verletzen oder ihm „das Gesicht zu rauben“. Das ging unter keinen Umständen. Haltung war das Schlüsselwort. Zu lautes Lachen war ebenfalls ein Tabu - man könnte meinen, es würde über den anderen gelacht! Allein lächeln war angesagt, zu allem und jedem. Das schaffe eine freundliche Distanz und jeder kann denken, was er will, es schadet nicht. Über das Essen las sie, über die Stäbchen, mit denen sie sich wahrscheinlich nur hungrig essen würde. Zum Glück konnte man auch die Finger nehmen oder Messer und Gabel, die gäbe es natürlich auch. Auf keinen Fall dürfe man aber die Stäbchen in den Reis stecken, das tat man nur bei Totenzeremonien, war also ebenfalls tabu.

Kopfschmerzen bereitete ihr noch, wie sie sich in der von Männern dominierten Geschäftswelt verhalten muss. Die Frauen sorgten in dem eher konservativen Land noch immer bevorzugt für Haus und Familie, zumindest in der Vorstellung der älteren Männer, mit denen sie wahrscheinlich zu tun haben würde. Denen müsste sie aber selbstbewusst als gleichberechtigte Geschäftspartnerin gegenübertreten. Dass die jüngeren Frauen heutzutage auch in diesem Land schon längst gut ausgebildet und meist finanziell unabhängig waren, spielte in der Gedankenwelt der Alten kaum eine Rolle. Wie sehr sich die Bilder gleichen, dachte Veronica. Man brauchte sich bei uns nur einmal an einem Stammtisch umzuhören, in Bayern oder Sachsen oder irgendwo anders, schon klang das hier genauso. Auf jeden Fall könnte es für ihren Auftritt in Korea nicht schaden, sich ein paar Vokabeln einzuprägen, überlegte sie. Zum Beispiel als Begrüßung sagt man: „Joh eum a chum“, das heißt „guten Tag,“ was sich auf You tube wie Tschom à Tschum anhörte. Oder :„Cheon ma ne - yo“, was „Bitte“ bedeutet. Und: „Danke“: „Gamsahamnida.“ Das klang lustig und sie merkte es sich sofort.

Steve schlug vor neue Visitenkarten für sie drucken zu lassen. In Korea schätzte man so etwas. Man überreichte sie am besten mit zwei Händen, die linke unterstütze dabei die rechte. Veronica, die das sofort ausprobierte, hatte tatsächlich das Gefühl, dass sich das etwas wertiger anfühlte, wie eine Gabe, die man jemandem überreicht, nicht nur ein Stück bedruckten Karton. Trotzdem, die tausenderlei geheimen Regeln und Konventionen dort machten ihr Angst, es schien unmöglich für einen Europäer nicht gegen die eine oder andere zu verstoßen. Schließlich ging es bei ihrem Besuch um einen großen Deal. Steve beruhigte sie, es wäre alles halb so schlimm und die Koreaner seien sehr höflich und deswegen auch nachsichtig mit den unbedarften Ausländern. Deshalb ließe es sich ausgezeichnet mit ihnen auskommen. Von der letzten Reise her kannte er schon Herrn Jega Taehyung, einen stellvertretenden Verkaufschef bei Hyundai Heavy Industries und war von ihm sogar zum Essen nach Haus eingeladen worden, eine große Ehre. Man säße natürlich am Boden, meisten auf einem etwas erhöhten Podest, das man aber keinesfalls mit Schuhen betreten dürfe. Und wenn man sich setze, dann solle man aufpassen, dass man dem Gegenüber nicht die Fußsohlen zeige – das wäre kränkend. Außerdem müsse man immer mittrinken, wenn der Hausherr trinke. Sein Gastgeber hätte damals so einiges vertragen, was nicht folgenlos geblieben wäre. Veronica horchte auf. Schon zu Beginn des Abends, erzählte Steve, gab es Soyu – Branntwein - und zwar einen ganz besonderen aus Reis und dreizehn Kräutern, der Tamiangs heißt und nach aufwendigem, geheimem Verfahren hergestellt wird. Nur eintausend Flaschen produziere die Firma im Jahr. Es war also schon eine Ehre, so etwas kredenzt zu bekommen. Dann ging es weiter mit Maekju, mit Bier. Das kam zwar aus Tsingtau in China, der Brauerei, die die Deutschen vor dem ersten Weltkrieg dort errichtet hatten, schmeckte aber ordentlich. Der Abend wurde zunehmend lustiger und alle koreanische Steifheit ging schließlich in Fröhlichkeit und Gelächter unter. Nach Steves Bericht fühlte sich Veronica schon etwas erleichtert und freute sich jetzt auf die Reise. Steve bestand dann noch darauf, dass sie sich neu einkleidete, auf Geschäftskosten versteht sich. Das dürfe schon etwas kosten, - so etwas bemerke man in Korea! Also ging Veronica zum ersten Mal seit langem wieder in Düsseldorf shoppen und stellte fest, dass man mittlerweile auch für ein ganz normales Outfit ein Vermögen ausgeben konnte. Doch Geschmack musste ja nicht unbedingt exorbitant teuer sein. In einem kleineren Laden in einer Seitenstraße der Kö erstand sie ein Kostüm in dunklem Graublau aus einem sehr schönen Tuch und raffiniert einfach geschnitten, dazu zwei Seidenblusen und noch ein Kleid für den Abend, sollten sie in Ulsan ausgehen. Das Ganze ging dann zu einem annehmbaren Preis über die Theke, was ihr finanzielles Gewissen beruhigte. Privat hätte sie sich nie so teure Kleidung gekauft.

Ein paar Tage später überraschte Steve sie mit den neuen Visitenkarten. Die Gestaltung war zwar vorher abgesprochen, doch Steve hatte sich eine kleine Textänderung erlaubt. Sie nahm eine der Karten aus der Packung und las, grau auf altrosa Karton: Veronica Ebert, Master of Arts, Kaufmännische Direktorin, darunter das neue Geschäftslogo von 'Ebert&Preuß'. Überrascht schaut sie Steve an. „Kaufmännische Direktorin?!“ „Das bist du doch längst! Ist es dir nicht recht?“ „Doch, schon,“ sagte Veronica. Es fühlte sich gut an „Trotzdem überraschend, das schwarz auf weiß zu lesen, beziehungsweise grau auf altrosa!“

Verstellte Wegzeichen

Подняться наверх