Читать книгу Verstellte Wegzeichen - Walter Buchenau - Страница 7

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4.

Er besaß also mit Steve zusammen eine Firma. Nichts Weltbewegendes, aber etwas Eigenes! Und es war stetig aufwärts gegangen, seit sie eigentlich aus einer Bierlaune heraus sich selbstständig gemacht hatten. Frank kannte Steve schon eine Weile von diversen Partys und Uni-Veranstaltungen her. Sie waren sich auf Anhieb sympathisch gewesen. und seit zwei Jahren wohnten sie im gleichen Studentenheim. An einem Abend, gegen Ende der Studienzeit, saßen sie wieder einmal gemeinsam im „Kuckucksnest“, ihrer Stamm-Studentenkneipe und Steve war richtig verärgert. Er studierte Maschinenbau, war bald fertiger Diplomingenieur wie der Abschluss damals noch hieß und regte sich über die Arroganz und Ignoranz einiger Firmen auf. Und Frank hatte mal wieder Kummer mit seiner damaligen Freundin, einem sehr hübschen und bei dem Frauenmangel in Aachen sehr umworbenen Mädchen, das aber äußerst anspruchsvoll und kapriziös war. Die Tatsache, dass Maschinenbau in aller Regel von Männer studiert wird, während die Studentinnen nur etwa ein knappes Drittel der Kommilitonen an der Uni ausmachen, nutzte das Mädchen genüsslich aus. Jetzt wollte sie unbedingt nach Mallorca in Urlaub fliegen, was selbstverständlich er finanzieren sollte. Das Studium schien sie sowieso nicht allzu sehr zu interessieren, während Frank ziemlich genervt in den letzten Zügen seines Abschlusses lag. Deshalb war der Krach mit ihr schon programmiert. Bei Steve ging es um einige Firmen, die er angeschrieben und denen er sein neuartiges Ventil angeboten hatte. Diese eigene Entwicklung war gleichzeitig seine Diplomarbeit. Sie eignete sich für alle Anwendungen besonders gut, wo große Mengen Flüssigkeit bewegt werden mussten. Das Ventil war genial einfach, wartungsfreundlicher und verschleißfester als alle gängigen auf dem Markt, wie er Frank erklärte. Trotzdem wollte es keiner haben. Dabei hatte er schon eine gehörige Summe in die Patentanmeldung gesteckt. „Solche Idioten!“, beschied Frank. Darin war er sich mit Steve einig und sie bestellten die nächste Runde. In Steve gärte es immer noch und er setzte sein Glas heftig auf dem Tresen ab. „Dabei ist das auch noch billiger herzustellen als der andere Schrott, weil es weniger bewegliche Teile gibt!“, erklärte er und schüttelte ungläubig den Kopf. „Idioten! Sag ich doch!“, wiederholte Frank und nahm die bestellte Runde in Empfang. „Kannst du es nicht selber verkaufen?“ „Wie denn?“ Steve wackelte mit dem Kopf und hielt hilflos seine offenen Hände in die Luft. „Ich verstehe ja vielleicht was von Technik, eventuell auch noch von Produktionsabläufen, aber von der Vermarktung und dem ganzen anderen Kram habe ich keinen Schimmer. Und wer weiß, was das kostet!“ Beide schauten eine Weile ins Glas. „Also“, stellte Frank fest, „den anderen Kram könnte ich!“ Frank studierte BWL und Business Administration. Die Vorstellung einmal einen Betrieb zu leiten, zu organisieren, neue Strategien zu erproben und dergleichen hatte ihn schon immer gereizt. „Man müsste nur einen finden, der das Ding herstellt, dann verticken wir das gemeinsam!“ Beide schwiegen wieder, tranken anschließend die Gläser leer und machten sich etwas unsicher auf den Beinen auf den Weg in ihre Studentenbuden. Zwei Tage später begegneten sie sich zufällig in der Teeküche. Frank war noch verärgerter als im Kuckucksnest. Seine Freundin hatte angekündigt, dass sie kurzerhand mit einem anderen ihre Urlaubspläne verwirklichen wolle, wenn er nicht mitkäme. Woraufhin er ihr erklärte, dass sie ruhig fliegen und dann am besten auch gleich auf Malle bleiben solle. Da gäbe es bestimmt noch mehr Deppen, die sie ausnützen könnte! Das war's dann mit der Beziehung. Nachdem Frank seinen Dampf abgelassen hatte, begann Steve langsam mit einem: „Hör mal, ich habe ein bisschen nachgedacht wegen dem, was wir im Kuckucksnest geredet haben. So dumm ist das gar nicht!“ Er wartete auf Franks Reaktion, aber der war in Gedanken noch bei seiner Exfreundin. „Was meinst du?“ „Die Firma! Wenn wir wirklich eine Firma gründen würden. Ich habe mich ein bisschen umgehört. Für „Start-ups“ gibt’s sogar ganz ordentliche Förderungen.“ Frank wurde hellhörig. „Und eine bestimmte Summe könnte ich auch beisteuern,“ meinte Steve. Die Idee breitete sich langsam in Franks Fantasie aus. „Lass uns mal in Ruhe darüber sprechen,“ schlug er Steve vor.

Das war der Anfang der Firma 'Ebert & Preuß.' Sie mieteten gemeinsam eine größere Wohnung, weil Steve sowieso aus dem Studentenheim ausziehen musste und starteten ihre Aktivitäten Es fand sich auch ein Hersteller, der die Apparatur produzieren konnte und Frank kniete sich voller Elan in die Vermarktung. Manchmal war es eng und es mussten Aushilfsjobs herhalten, wenn das Geld mal wieder nicht langte, aber sie ließen nicht locker. Nach einer Durststrecke von etwa einem Jahr kam über einen Exkommilitonen von Bayer die erste wirklich gute Anfrage. Das war ihre Chance und sie nutzten sie! Während Steve zu Beginn ihrer Firma noch an der Uni experimentieren konnte, weil er an seiner Doktorarbeit schrieb, wurde die Arbeit jetzt mehr und er ließ die Promotion fallen. Notgedrungen machte er seine eigene Entwicklungsabteilung in einer Halle in der Nachbarschaft auf. Der erste Ventil-Typ reichte für die Nachfrage auch nicht mehr aus. Bald werkelte er mit interessierten Studenten von der RWTH an neuen Entwicklungen. Dann brauchte Frank Hilfe bei der Vermarktung und nach zwei Jahren zogen sie um in einen kleinen Gebäudekomplex im Industriegebiet einer Nachbarstadt.

Zu der Zeit lernte er Veronica näher kennen und lieben und kein Jahr später waren sie verheiratet! Sie stellte das genaue Gegenteil seiner ehemaligen Freundin dar. Zwar war sie ihm schon während der Uni-Zeit aufgefallen, aber es hatte eben gedauert, bis es richtig funkte. Veronica war nicht unansehnlich, obwohl keine der landläufigen Schönheiten, aber sie hatte ein ganz besonderes Flair. Sie war locker und offen, ohne übermäßig zu fordern. Jemand, den man einfach gerne um sich hatte. Damals arbeitete sie bei einem Medienkonzern mit sehr unterschiedlichen Arbeitszeiten und wenig Freizeit. Umso mehr genossen sie es, wenn sie beide einmal Zeit für sich fanden.

Die Firma machte sich. Die Abwicklung der Aufträge war mit ein paar Aushilfen bald nicht mehr zu schaffen. Neue Mitarbeiter kamen hinzu, nur Frank tat sich schwer, die Arbeit zu delegieren. Neben der Qualität der Produkte, die Steve penibel überwachte, waren die korrekte und pünktliche Abwicklung der Aufträge ihnen besonders wichtig. Die Neuzugänge im Betrieb hatten es deswegen ziemlich schwer, bis sie diese Prinzipien angenommen und Frank durch ihre Leistung überzeugt hatten. Danach genossen sie aber mehr Freiheiten und bessere Bezahlung als irgendwo sonst.

Franks Kinder wurden geboren, erst Florian, dann zwei Jahre später Caspar. Veronica hörte auf zu arbeiten. Frank und Steve arbeiteten dafür immer noch täglich an die 12 Stunden wie zu Firmenbeginn. Nur die Sonntage hielten sie eisern frei zur Erholung und für die Familie.

Die Ventile von 'Ebert & Preuß' wurden mittlerweile in vielen deutschen Chemiewerken eingesetzt. Mit einer neuen Generation von Produkten legten sie sich erstmals auch eine eigene Fertigung zu. Sie streckten ihre Fühler auch ins Ausland aus, zum Beispiel zu Werften in Frankreich oder in Asien, wo die größten existierten. Von gelegentlichen kleinen Schwankungen einmal abgesehen, ging es stetig aufwärts.

Veronica bekniete Frank, doch etwas kürzer zu treten, denn die Kinder würden größer und sähen ihren Vater kaum. Er beteuerte immer, dass er dazu bereit wäre. Aber dann kam wieder etwas Unverhofftes dazwischen und warf den Vorsatz über den Haufen. Nicht dass Frank seine Kinder nicht liebte. Wann immer möglich machte er Ausflüge mit ihnen, veranstaltete zu den Geburtstagen Schnitzeljagden im Park, ein Wettrudern auf dem Rursee in der Eifel oder Ausflüge in eine Kletterhalle und so weiter, aber das war doch zu selten. Florian, der ältere, war der ernstere der beiden. Frank erkannte sich voll und ganz in ihm wieder. Und Caspar, sein Zweiter glich nicht nur im Aussehen seiner Mutter, sondern auch seinem Wesen nach: er war der Sunnyboy der Familie. Als sein eigentliches 'Baby' aber empfand Frank eben die Firma. Sich daraus zurück zu ziehen, wenn auch nur ein bisschen, fiel ihm ausgesprochen schwer. Das belastete seine Ehe und es kam gelegentlich darüber zum Streit, etwas, was sie beide früher nie gekannt hatten.

Als Florian zu studieren anfing und nach Münster zog, wurde es Veronica zu Haus zu langweilig. Und Caspar, der jüngere, brauchte auch keine Gouvernante mehr, wie er seiner Mutter erklärte. Also heuerte sie halbtags in der Firma als Mädchen für alles an. Sie sprang bei Krankmeldungen ein, machte als Aushilfe den Job manchmal besser als die Festangestellten, ordnete Vorgänge neu und gab Steve und Frank gelegentlich Ratschläge wegen des äußeren Erscheinungsbildes der Firma. Frank war davon nicht so begeistert, doch Steve empfand sie als 'den guten Geist im Betrieb'.

Nach Franks plötzlichem Totalausfall, ging es in der Firma drunter und drüber. Es rächte sich, dass er die Fäden zu straff in seinen Händen gehalten hatte. Nun fehlte es den Verbliebenen teils am geschäftlichen Überblick, teils an konkreter Anleitung und Koordinierung. Steve war überfordert. Auch fehlte ihm die fachliche und emotionale Unterstützung von Veronica. Sie hatte sich in den ersten Wochen nach dem Ereignis verständlicherweise aus der Firma zurückgezogen und jeden Tag am Krankenbett ihres Mannes verbracht. Die Entfremdung, die sich mit den Jahren bei ihnen eingeschlichen hatte, spielte dabei keine Rolle. Doch je länger Franks Koma dauerte und je weniger Aussicht auf baldige Besserung auszumachen war, umso mehr fehlte ihr ein Ausgleich zu dem belastenden Einerlei. Steve hatte zwar schon vor Wochen nachgefragt, ob sie nicht wiederkommen wolle, er brauche sie, doch erst langsam wurde ihr klar, wie wichtig auch für sie die Arbeit in der Firma war.

Der erste Tag ihrer Rückkehr zeigte ihr sogleich wie durcheinander alle und alles noch waren. Und sie zögerte nicht lange und packte entschieden an. Ihre verschiedenen Tätigkeiten vorher, der Einblick in die Planung und Firmenführung kamen ihr dabei sehr zupass. Die neue Stellung, die Steve ihr stillschweigend zugeschanzt hatte, - mehr oder minder die Position von Frank - verlangte aber bei weitem mehr von ihr als die Aushilfsarbeit vorher. Es ging nicht nur um den Gesamtüberblick der üblichen Abläufe im Betrieb, sondern - wichtiger noch - eine vorausschauende Planung. Veronica krempelt bildlich gesprochen die Ärmel hoch. Rascher als gehofft merkte sie sich die Namen der Lieferanten und Geschäftspartner, deren Besonderheiten und Vorlieben und ebenso deren Schwächen. Das war sehr von Vorteil schon bei den ersten Verhandlungen, die sie noch zusammen mit Steve führte. In erstaunlicher Geschwindigkeit entwickelte sie auch ein Gespür für Strategien und erkannte aktuelle Trends. Nur das Rechnungswesen, die Buchführung und der ganze notwendige Kleinkram, um den sich Frank gekümmert hatte, gingen ihr gegen den Strich. Aber sie hatte eine geschickte Hand bei der Auswahl von neuen Kollegen. Sie fand eine Frau, die eine besondere Vorliebe für die ungeliebten Zahlen zu haben schien, folgte ihrem Bauchgefühl und nach kurzer Einarbeitung konnte sie der Neuen freie Hand lassen. Sie war den ungeliebten Bereich los! Trotzdem blieb Ihre Zeit mehr als ausgefüllt und die Besuche bei Frank traten etwas in den Hintergrund. Die Firma beherrschte mehr und mehr ihr Denken. Bei neuen Ideen für die Vermarktung und Außendarstellung der Firma kam ihr die Medienerfahrung von früher sehr zu Hilfe.

Steve schaute anfangs des Öfteren in ihrem Büro vorbei und erkundigte sich, ob er helfen könne. Doch das wurde immer seltener. Bald war Veronica routiniert genug für alle Alltagsaufgaben und ging daran mit Hilfe einer Werbeagentur das ganze Erscheinungsbild der Firma auf den Kopf zu stellen nach Plänen, die sie früher schon im Kopf gehabt hatte. Zum neuen Image gehörte ein neuer Internetauftritt, Präsenz in den sozialen Netzwerken und ein neues Logo, das die Firmenphilosophie betonten sollte: Drei stilisierte Hände, die sich jeweils am Handgelenk anfassten. Sie sahen aus wie eine Art Zahnrad und sollten für größtmögliche Qualität der Produkte, Wohlgefühl und Wertschätzung bei und für die Mitarbeiter sowie besondere Kundennähe stehen. Wenn es irgendwo auf der Welt Problemen mit dem Produkt gäbe, garantierte „E&P“ schnellstmögliche Behebung jederzeit und überall. Das galt selbst für Korea, eine Geschäftsverbindung, die Frank schon vor ihrer Zeit angeknüpft hatte. Zum Schluss ihrer Offensive wurden in einem Rundbrief die alten und potentielle neue Kunden über alle Veränderungen informiert und Steves jüngste Entwicklungen vorgestellt. Schon nach zwei Monaten brachte ihr Vorstoß der Firma einen ersten Schub. Steve war sehr erstaunt und erfreut.

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