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Die Flucht

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Troplowitz kommt gegen elf. Er steht unentschlossen neben Dahl, sieht in sein Gesicht, fühlt seinen Puls. Schüttelt ihn. Dahl wacht nur schwer auf.

„Es wäre gut“, sagt der Arzt, „wenn Sie um vier Uhr am Gästehaus spazierengingen. Es ist dann für den Sonntagsdienst ein neuer Pförtner da, und hier ist ein alter Passierschein für Herrn Hermann Brause, Berlin. Sie können ihn ruhig abgeben. Der Pförtner kennt weder Sie noch ihn.“

Dahl nickt. Er möchte überschwenglich danken. Aber das Kommende steht zu dicht und drohend vor ihm.

„Ich habe schlecht geschlafen“, sagt er entschuldigend und muß gähnen. Troplowitz geht. Der Baron verbeugt sich formell und drückt ihm heftig die Hand. Der Arzt ist ganz verwirrt. Zum erstenmal zweifelt er an Dahls Verstand.

Gegen zwei Uhr kommen Wolken. Stehen eine Weile über dem Gebirge. Die Ebene wird dunkel. Um halb vier setzt mit langsamem, leichtem Tropfen Regen ein.

Dahl erscheint um dreiviertel vier im Park, im langen Mantel, mit Stock und Hut, unterhält sich kurz mit einem der Leichtkranken, geht noch den Weg an den Tennisplätzen vorbei, auf denen ein paar rabiate Spieler umherspringen. Fünf Minuten vor vier betritt er das Gästehaus.

Er kennt den Weg genau, weil er Alice das letztemal begleitet hat: zweimal geht der Gang um die Ecke. Dann kommt die Pförtnerloge. Er legt den Passierschein vor den Pförtner hin. Wartet noch ein paar Sekunden, ob er was sagen wird. Hofft vielleicht darauf, denn dann braucht er die Flucht erst gar nicht zu beginnen. Aber der Pförtner legt nur die Hand an die Mütze. Zwei Schritte noch. Eine Tür. „Nicht zumachen“, liest Dahl, „schließt von selbst.“

Dann ist er auf der Straße, geht langsam, wie er sich hundertmal vorgenommen, zum Walde hinüber, steigt einen kleinen Hügel hinauf und läuft dann, von entsetzlicher Angst gepeinigt, besinnungslos nach links durch feuchtes Gebüsch über regenglitschiges Laub in einen Talgrund hinein, läuft, bis er atemlos ist und nur noch stöhnend, röchelnd weitergehen kann.

Zehn Jahre, zehn Tage

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