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Telefongespräche

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Am Abend dieses zweiten Tages kommt Brinkmeyer von der Posthilfsstelle Rödeln nicht zum ruhigen Abendessen. Ein Gespräch nach dem andern muß abgefertigt werden, und es gibt zwischen den gewöhnlichen Kartoffelverkäufen und Schweineangeboten ein paar Telefonate, die höchst aufregend, wenn auch zum Teil unverständlich sind.

Zunächst spricht der Inspektor v. Viersen aus Jedelbach mit dem Justizrat Reiß in Hirschberg. Er will nicht mit dem Juristen verhandeln, sondern mit dem alten Jagdfreund. Er spricht ohne Auftrag des Barons, aber im Interesse der engeren und weiteren Familie, ja eigentlich im Interesse des deutschen Adels.

Der Justizrat ist mehr im Bilde, als er verraten darf. Auf die Frage, ob er den Flüchtling gesehen hat, verweigert er die Antwort. Viersen kann sich ja denken, wie stramm das Berufsgeheimnis gewahrt werden muß. Immerhin fühlt sich der Justizrat in erster Linie als Anwalt der Familie, ohne allerdings seinem Mandanten in dieser Notlage die Hilfe verweigern zu können. „Imponderabilien“, sagt er, „müssen in so schwierigen Fällen beachtet werden.“

Viersen versteht seine schwierige Lage. Die Meinung des Justizrats über Dahl? Unbedingt, zweifellos nach wie vor anstaltsreif. Zu machen ist aber im Augenblick gar nichts. Ein Vertreter des Geheimrats Hellwig ist übrigens gerade da gewesen. Ein Dr. Troplowitz, unsympathischer, stark jüdischer Typ, der auch nur Bekanntes bestätigen konnte.

Kurz danach wird von Jedelbach aus ein Telegramm aufgegeben.

Baronesse Alice Dahl buchstabiert es persönlich. Es lautet:

„Wolf von Haacke, Florenz, Vicolo San Marco Vecchio. Wissen nicht weiter. Komm! Hagungogagee. Dahl.“

Zehn Minuten später erregtes Gespräch zwischen Geheimrat Hellwig, Magersdorf, und dem alten Baron Dahl. Hellwig kann immer nur „Jawohl, Herr Baron“ sagen. — „Zur Verantwortung ziehen. Gewissenlos. Schadenersatz. Prestigesache.“ — Was soll man darauf erwidern? Kaum daß Zeit bleibt, die Schuld ganz und gar auf Doktor Troplowitz abzuschieben und dessen Besuch in Jedelbach anzukündigen.

Sieben Uhr zwanzig — Gespräch aus Hirschberg: Dr. Troplowitz meldet sich für den nächsten Morgen an. Antwort durch Hausmeister Mohr: Man erwartet ihn mit dem Frühzug. Wagen wird an der Bahn sein.

Sieben Uhr fünfunddreißig Anruf aus Rödeln nach Jedelbach. Hausmeister Mohr in Jedelbach am Apparat. Rödeln meldet sich nicht.

Sieben Uhr vierzig dieselbe Stimme aus Rödeln. Jetzt spricht Alice Dahl in Jedelbach. Sie behauptet, an der gedämpften Sprechweise Stiefs zu erkennen, daß jemand mithört. Brinkmeyer läßt seinen Mithörstöpsel errötend sinken, wodurch ihm die Verabredung zwischen Alice und Jens Peter Dahl auf zehn Uhr abends entgeht.

Sieben Uhr fünfundvierzig vertrauliches Gespräch des Inspektors v. Viersen mit dem Landrat in Hirschberg. Brinkmeyer wagt nur probeweise mitzuhören. Es ist viel von einem Flüchtling die Rede und den Belangen der Familie Dahl. Alles soll vertraulich und nichtamtlich behandelt werden.

Sieben Uhr fünfzig amtliches Gespräch des Landrats mit der Gendarmeriestation Jedelbach. Der Landrat verlangt Bericht über aus- und eingehende Personen im Hause der Baronin Henriette Dahl, geb. Kagen, in Rödeln. Streng vertraulich! Nicht zu den Akten!

Kurz vor acht, als Brinkmeyer gänzlich erschöpft schließen will, kommt ein amtliches Bahngespräch von der Station Rödeln. Die Baronesse Jella Dahl wird verlangt.

Sie kommt an den Apparat und wird zu ihrer namenlosen Verwunderung mit „Hallo“ und „Du“ begrüßt. Sie weiß in ihrer Verwirrung nicht gleich, was los ist. „Wer ist da?“ ruft sie ängstlich, und gleich darauf: „Ach, wie ist deine Stimme verändert. Wann kommst du?“

Die Stimme von der Station gibt zögernde Auskunft. Es ist alles unbestimmt. Morgen. Übermorgen. Es läßt sich nichts übersehen. Woher das Gespräch kommt, darf nicht verraten werden. Jedelbach unterbricht plötzlich auf der Jagd nach einem Privatgespräch über Amtsapparat.

Jella Dahl in Jedelbach, Alfred Dahl auf Block zwölf zwischen Rödeln und Jedelbach stehen an ihren Apparaten. Jeder hat noch seinen Hörer in der Hand, ruft, aber niemand antwortet.

„Acht Uhr“, sagt der alte Kagen und hängt ein. „Acht Uhr“, sagt Mohr in Jedelbach und nimmt der gnädigen Baronesse den Hörer ab.

Zehn Jahre, zehn Tage

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