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Eine von dreitausend Nächten

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Alfred Dahl bleibt die halbe Nacht schlaflos. Er hat sein Bett ans Fenster gerückt. So ist die dunkle Freiheit des Sternenhimmels über ihm, ein Baumast nah, der über die Mauer streicht, wenn der Wind kommt.

Er sitzt halb aufrecht, in Bettdecke und Reiseplaid so eingewickelt, daß nur der Kopf heraussieht. Sein Gesicht bleibt die ganze Nacht unverändert, mit Querfalten zwischen den Brauen und Längsfalten über die schmale Stirn, mit festgeschlossenem Mund und halb heruntergelassenen Lidern über den blanken Augen, die allein noch Leben verraten.

In dreitausend Tagen und Nächten ist Zug um Zug starr geworden. Wenn keiner die Gedanken hinter der Stirn ernst nimmt, wie kann die Stirn wachsen? Wenn keiner nach den Worten hört — Worte von Kranken gelten ja nicht —, wie können die Lippen lebendig bleiben! Seltsam nur, daß man nicht das Sehen verlernt zwischen den immer gleichen Mauern, den paar Bäumen, der Ebene.

Im Anfang der Nacht ist Dahl sehr unruhig. Er hat Sehnsucht nach Alice. Er fürchtet für sie. Welche Veränderung in den letzten Bildern aus Florenz! Er spürt auch, daß der junge Mann mit der Baskenmütze und dem Auto seinen Anteil daran hat. Alice braucht mich, denkt Dahl, Alice braucht mich! Sein Herz klopft so stark, daß die Bettdecke sich bewegt. Gut, daß er es verlernt hat, gegen die Wände zu rennen und aus dem Fenster zu springen.

Gegen drei Uhr wird er ruhiger. Er spürt, daß er entkommen wird — und eine Leere dahinter. Er ist nahe daran, zu wissen, daß das nichts ändern wird. Eine Stunde noch sitzt er und kämpft gegen die betäubende Unentschlossenheit. Als der Frühnebel fällt, die Ebene dampft, steckt er eine Zigarette an. Mit dem kalten Mundstück zwischen den verkniffenen Lippen schläft er ein.

Zehn Jahre, zehn Tage

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