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Ein unentschlossener Arzt

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Doktor Troplowitz, Oberarzt der Hellwigschen Heilanstalten in Magersdorf, hat die Visite im schweren Haus beendet. Er muß nur noch zum Baron Dahl hinein, um ihm den Brief seiner Tochter Alice abzugeben, einen liebenswürdigen, vielleicht harmlosen Brief, der aber von der Sekretärin Fräulein Hoffmeyer, von Troplowitz und vom Geheimrat Hellwig selbst gelesen und für verdächtig befunden ist.

Troplowitz steht unentschlossen am Fenster des langen Ganges, die Abendsonne brennt durch die dicken Glasscheiben in sein Gesicht. Er blinzelt, drückt seinen schütteren Kinnbart in den Westenausschnitt und versucht zu überlegen. Es fällt ihm aber nichts Gescheites ein. Teils, weil er nicht an die Fluchtabsichten Dahls glaubt (es wird wieder eine Wichtigtuerei des Geheimrats sein, murrt er), teils, weil er sich endlich eingesteht, daß er den Baron nicht hindern wird zu fliehen.

Natürlich, wenn er jetzt aus der Tür kommt, meditiert er, muß ich ihn festhalten. Aber wenn er zum Beispiel da hinten über den Hof läuft, ins Wirtschaftsgebäude oder ins Gästehaus, dann werde ich mich nicht beeilen.

Er nickt erleichtert. Pflicht und Überzeugung sind sauber getrennt, und er kann die Wahl zwischen beiden dem Augenblick überlassen.

Vom Wirtschaftsgebäude her hört man Geschirr klappern, Geschrei der Köche und Wärter. Die ersten Abendbrotplatten werden über den Hof getragen. Es schlägt sieben. Troplowitz dreht sich langsam um. Die Sonne brennt nun angenehm in den Nacken. Zum hundertsten Male liest er die Visitenkarte, die Dahl an seiner Tür angeklebt hat:

Alfred baron dahl

Herr auf Jedelbach +

Rittmeister der Landwehr +

Die Kreuze hinter „Herr auf Jedelbach“ und hinter „Rittmeister der Landwehr“ sind kalligraphisch ausgeführt. Man sieht, sie werden oft nachgezogen. Neu aber ist ein blasses, hingewischtes Todeszeichen hinter Dahl. Troplowitz ist eigentlich erschrocken, aber er will es nicht zugeben. Wie er auch nicht zugeben will, daß der Brief wichtig ist. Es ist eine Spielerei Dahls, sagt er sich gegen seine Überzeugung. Er zieht den Schlüssel aus der Tasche des Kittels, schließt auf, klopft mit dem Knöchel des Mittelfingers kurz an die Tür und tritt ein.

Zehn Jahre, zehn Tage

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