Читать книгу Der Henker von Rothenburg: Inquisiton in Rothenburg - Werner Diefenthal - Страница 11

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1. Kapitel

Als Marie vor die Tür trat, wurde ihr Schwindel etwas schwächer. So viel Wein hatte sie noch nie getrunken. Sie schüttelte den Kopf, als ob sie damit ihren Gedanken wieder eine geordnete Richtung geben könnte.

Zu viel war auf sie eingestürmt. Das Wiedersehen mit den Menschen, bei denen sie aufgewachsen war. Dann noch der Besuch am Grab ihrer Mutter, als sie und Matthias im Rauschen der Blätter einen Namen zu erkennen glaubten. ›Elsa‹, so hatte es sich angehört.

Aber am schlimmsten war die Offenbarung der alten Lotte gewesen. Eckhard Steiner, der ehemalige Vogt von Rothenburg, war ihr Vater!

Ausgerechnet der Mann, den sie nach den Beschuldigungen von Elsa Steiner, der Frau des jetzigen Vogtes, mittels Hexenkraft getötet haben sollte. Diese Wahrheit hatte Marie im Wein zu ertränken gesucht, aber der einzige Erfolg, den sie hatte, war, dass sie von Schwindel geplagt wurde. Und dass ihr schlecht war. Sie hielt sich an einer Mauerecke fest. In ihrem Kopf drehte sich alles.

»Ich bin die Schwester des Vogtes«, brabbelte sie. »Die Schwester des Kerls, der mich köpfen lassen wollte.«

Sie rülpste laut vernehmlich.

»Scheißwein«, plapperte sie. »Aber der Vogt kann es nicht gewusst haben. Glaub ich nicht. Es war nur seine Frau.«

Zumindest hoffte Marie das. Der Gedanke, dass der Vogt vielleicht ebenfalls eine unliebsame Miterbin hatte loswerden wollen, war zu viel. Sie beugte sich vor und übergab sich.

»Matthias, wo bist du?«, wimmerte sie, nachdem sie sich den Mund abgewischt hatte. »Ich brauch dich jetzt!«

Der Henker war seiner Frau gefolgt, er machte sich Sorgen um sie. Zu viel war an diesem Abend auf sie eingestürzt, dazu der Wein, dem sie mehr als reichlich zugesprochen hatte.

An der Hausecke sah er sie, wie sie sich nach vorne beugte und hörte, wie sie würgte. Schnell eilte er zu ihr, hörte, wie sie nach ihm rief.

»Ich bin hier«, sagte er leise und streichelte ihren Rücken.

Marie richtete sich auf.

»Da bist du ja, mein geliebter Henker.«

Sie kicherte.

»Ich glaub, ich bin betrunken.«

Matthias lachte.

»Nein, du bist nicht betrunken, du bist besoffen wie ein Maultiertreiber.«

Sie drohte ihm schelmisch mit dem Finger.

»Das lass mal nicht meinen Bruder hören, den ollen Vogt von Ri… Ra… Rothenburg.«

Matthias starrte sie an. War sie wirklich nur betrunken? Oder was steckte dahinter?

»Was soll das, Marie? Komm, ich bring dich in dein Bett.«

Sie richtete sich auf.

»Du meinst in dein Bett. In das mein eigener Bruder mich gelegt hat.«

Er wich zurück. Es war wie ein Stich ins Herz. Aber Marie war noch nicht fertig.

»Matthias, ich liebe dich … aber«, sie kicherte wieder, »ein wenig mehr Respekt bitte.«

»Marie, hör jetzt auf. Was wird das?«

Sie starrte ihn an. In ihrem Kopf arbeitete es. Die Situation, in der sie sich befand, überforderte sie.

»Was das wird? DU fragst mich, was das wird? Ich sage dir, was das wird: Wir werden schön unsere Klappe halten und keinem Menschen etwas von dem, was wir heute Abend herausgefunden haben, sagen.«

»Marie!«, rief Matthias erstaunt. »Das können wir nicht tun! Wenn das nicht klargestellt wird, haben wir nie Ruhe. Elsa wird immer hinter uns her sein und versuchen, uns zu beseitigen.«

Die Blonde winkte ab.

»Mit Elsa werden wir schon fertig. Aber was ist, wenn der Vogt selbst genauso raffgierig ist wie sein Weib? Dann überlegt er es sich womöglich noch einmal anders mit der gewährten Gnade und befiehlt dir, es zu Ende zu bringen.«

Matthias erkannte, dass seine Frau nicht mehr Herr ihrer Sinne war, und trat auf sie zu, wollte sie in den Arm nehmen. Sie stieß ihn von sich.

»Marie, bitte. Ich würde dich niemals hinrichten.«

»Niemals?«

Sie starrte ihn an. In ihrem Kopf war alles durcheinander.

»Wem willst du denn das erzählen? Wenn der Vogt dem Gnadengesuch nicht nachgegeben oder ich nicht eingewilligt hätte, dann hättest du mir ohne zu zögern den Kopf abgeschlagen. Obwohl du nicht geglaubt hast, dass ich schuldig war. Wenn das überhaupt so stimmt. Vielleicht ist das auch alles nur gelogen! Geh doch weg von mir!«

Sie schwankte, beugte sich vor und erbrach sich erneut. Matthias traute seinen Ohren nicht. Er kniff die Augen zusammen. Er erkannte seine eigene Frau nicht wieder, die ihn beschimpfte und ihn der Lüge bezichtigte.

»Marie. Ist es wirklich das, was dich beschäftigt, oder ist das eine Ausrede? Willst du mir eigentlich sagen, dass ich nicht mehr gut genug für dich bin? Ist es das, was du mir erklären willst? Dass du jetzt, wo du zu den Vornehmen gehörst, den Henker aus dem Bett und deinem Leben wirfst? Wenn das so ist, dann geh einfach.«

Ihm stiegen die Tränen in die Augen. Marie sah ihn wieder an. Die Gedanken wirbelten in ihrem Kopf, wollten sich nicht einfangen lassen. Sie machten keinen Sinn.

»Denk doch, was du willst«, schrie sie ihn an.

Damit drehte sie sich um und rannte davon. Einen Moment lang blieb Matthias schockiert stehen, dann folgte er ihr, so schnell er konnte. Trotz seiner Eile war sie verschwunden. Er suchte zuerst in ihrem Zimmer, doch dort war sie nicht. Auch in allen anderen Räumen des Gutes war sie nicht zu finden.

»Marie! Wo bist du?«, rief er in die Dunkelheit, aber er bekam keine Antwort.

Der Henker von Rothenburg: Inquisiton in Rothenburg

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