Читать книгу Der Henker von Rothenburg: Inquisiton in Rothenburg - Werner Diefenthal - Страница 17
ОглавлениеMarkus rannte vom Kirchplatz zum ›Goldenen Schwan‹. Er musste unbedingt mit Magdalena reden und fand sie in der Küche, wo sie gerade das Gemüse putzte.
»Was ist denn mit dir los, Junge?«, fragte sie ihn, als er atemlos hereinstürzte.
Er erzählte ihr, dass man den Schreiber gepfählt in der Kirche gefunden hatte. Magdalena wurde bleich.
»Und ausgerechnet jetzt, wo Matthias nicht da ist«, murmelte sie.
»Vielleicht gerade deswegen«, warf Markus ein.
»Wie meinst du das?«
Magdalena sah ihm mit großen Augen an.
»Na, wenn er nicht da ist, dann ist die Gefahr für den Mörder wesentlich kleiner, oder?«
»Du meinst, Matthias würde ihn finden?«
Markus nickte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es irgendetwas gab, was sein Lehrherr nicht schaffte.
»Ja, das denke ich.«
Magdalena kratzte sich am Kopf. Der Junge liebte seinen Meister, das sah man. Aber übertrieb er nicht? Auf der anderen Seite … wäre es denkbar, dass auch dieses Verbrechen in einem Zusammenhang mit den anderen Vorfällen stand? Und war es nicht seltsam, dass ausgerechnet jetzt auch der Chirurg, der sich bestens auskannte, nicht hier war?
»Aber wir können jetzt nichts tun«, sagte sie zu Markus.
»Doch!«, erwiderte dieser. »Ich werde seine Augen sein, seine Ohren. Ich werde alles Sehen und Hören, was er wissen muss.«
Mit diesen Worten rannte er wieder aus der Küche.
Magdalena sah ihm nach.
»Was hat das zu bedeuten?«, murmelte sie nachdenklich.
Nach der unruhigen Nacht schlief Marie an der Seite ihres Mannes bis zum frühen Abend. Niemand störte sie und die junge Frau erwachte erst, als der Geruch nach Abendessen durchs Haus zog. Vorsichtig stand sie auf. Matthias regte sich nicht einmal, atmete weiterhin tief und ruhig. Der Sud, den sie ihm auf Nikolaus von Brümmes Rat gegeben hatte, machte müde und sorgte dafür, dass seine Wunden schneller heilten.
Als sie ihn so schlafend betrachtete, liebte Marie ihren Mann mehr als je zuvor. Es tat ihr noch immer leid, dass sie ihm mit ihrem Misstrauen so weh getan hatte. Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange, störte ihn dann aber nicht weiter und verließ leise das Zimmer.
Aus der Gaststube hörte Marie schon auf der Treppe Stimmengewirr, aber sie verstand erst, worum es ging, als sie an der Tür war. Natürlich konnten die Männer über nichts anderes reden als die fünf Wölfe, mit deren Häutung die Knechte heute den ganzen Tag beschäftigt gewesen waren.
»Habt ihr gesehen, wie riesig der Leitwolf ist? Er hat solche Zähne!«
Ein Zahn von einer Länge wurde angezeigt, der nicht einmal im Maul eines Löwen Platz gefunden hätte.
»Und ganz allein hat er sie alle erledigt!« Der Ausspruch war von einem der Soldaten gekommen. »Der Henker muss wirklich Kräfte wie ein Bär haben … ach, was red ich … zwei Bären!«
Als Marie in den Raum trat, wandten sich ihr alle zu, fragten wie aus einem Mund:
»Wie geht es ihm?«
Die Besorgnis der Männer rührte Marie - wenn sie daran dachte, wie Matthias in der Stadt behandelt wurde, war dies eine wahre Freude. Sie wusste, dass der Henker in ihren Augen eine Heldentat begangen hatte, als er das Wolfsrudel alleine besiegt hatte. Sie kannten ja seinen Beweggrund nicht, und Marie hatte nicht vor, es ihnen zu verraten. Sie lächelte.
»Es geht ihm gut, er schläft.«
»Gut so«, brummte Nikolaus von Brümme zufrieden. »Er braucht den Schlaf, um wieder gesund zu werden. Du solltest ihn nicht wecken, bevor er von selbst aufwacht.«
Während des gesamten Abendessens war einzig Matthias´ Kampf gegen die Wölfe Thema, und obwohl keiner dabei gewesen war, überboten die Männer sich gegenseitig mit Geschichten, wie es wohl gewesen sein konnte. Marie schmunzelte in sich hinein. Sie konnte sich jetzt schon vorstellen, wie sie nach Matthias´ Genesung wie kleine Kinder um ihn herumsitzen und sich erzählen lassen würden, wie er die Tiere erlegt hatte.
Mitten beim Essen wandelte sich jedoch plötzlich das Gesprächsthema.
»Müssen wir jetzt, da die Wölfe erlegt sind, eigentlich wieder nach Rothenburg zurück?«
Er hörte sich nicht begeistert an. Marie war klar, dass es auch den Männern hier in der Natur gefiel und dass es ihnen nichts ausmachte, einmal keine Wachdienste schieben zu müssen.
»Auf keinen Fall!«, empörte Lotte sich sofort. »Erst müssen wir abwarten, ob nicht noch genug von den Biestern übrig bleiben, um wieder unser Vieh zu stehlen. Außerdem braucht unser Wolfsjäger da oben noch eine gewisse Zeit, bis er sich erholt hat.«
»Das sehe ich genauso«, mischte sich Nikolaus von Brümme ein. »Bevor die Wunden nicht verheilt sind, ist an die Rückreise nicht zu denken. Zumal ich erst wieder einen Fuß in diesen von Banditen verseuchten Wald setze, wenn Meister Wolf wieder völlig genesen und kräftig genug ist.«
Marie entspannte sich. Ihr gefiel der Gedanke, noch eine Weile hierzubleiben. Sie hoffte, dass sie und Matthias ein wenig Zeit füreinander finden würden, ganz ungestört und ohne die Gefahren der Stadt. Hier waren sie sicher.
»Außerdem muss ich noch die Kräuter suchen, über die Meister Wolf mit mir gesprochen hat«, riss die Stimme des Chirurgen Marie aus ihren Gedanken. »Ich werde wohl heute Abend losgehen und sie pflücken. Angeblich soll ihre Heilkraft am besten sein, wenn man sie in der Dämmerung sammelt.«
Er lachte.
»Sicher Aberglaube, aber was kann es schaden?«
Maries Frage kam kurz entschlossen und aus dem Bauch heraus. »Habt Ihr etwas dagegen, wenn ich Euch begleite? Ich würde gern mehr über die Pflanzen lernen.«
Freudig überrascht von Maries Interesse nickte der Chirurg.
»Natürlich, gerne. Komm nur mit.«
Wenig später, nachdem Marie sich noch einmal vergewissert hatte, dass Matthias tief und fest schlief, streifte sie mit Nikolaus von Brümme an dem kleinen Bach entlang über die Obstwiesen. Die Grillen zirpten und Glühwürmchen schwirrten um sie herum. Marie dachte, dass sie unbedingt mit Matthias einen Spaziergang machen musste, sobald seine Verletzungen etwas geheilt waren. Es war ein wirklich romantisches Fleckchen.
Nikolaus hatte Marie beschrieben, wie die Pflanzen aussahen, nach denen er suchte - Lungenkraut und Bibernelle - und sie bemühte sich redlich, die richtigen zu finden, wenn sie auch eigentlich ganz andere Pläne hatte.
»Ihr schätzt meinen Mann sehr, nicht wahr?«, wollte sie unverfänglich wissen.
»Freilich …«, antwortete Nikolaus, ohne seine Suche zu unterbrechen und ohne überrascht zu klingen. »Er weiß mehr über den Körper der Menschen, als die meisten der sogenannten Ärzte das von sich behaupten können. Außerdem ist er klug und besonnen. Und er kann richtiges Recht und Unrecht von dem unterscheiden, das uns aufgezwungen wird. Ja, ich schätze ihn sehr.«
Sein Kommentar über richtiges Recht und Unrecht von Falschem ließ Marie aufhorchen.
»Würdet Ihr seinem Urteil trauen, wenn es nicht der öffentlichen Meinung entspräche?«, wollte sie wissen und hoffte dabei, sich nicht verdächtig zu machen.
Nikolaus von Brümme schmunzelte, bückte sich und schnitt eine weißblühende Bibernelle ab.
»Ich würde seinem Urteil auch dann noch trauen, wenn es nicht einmal der Meinung des Vogtes, des Herzogs oder des Papstes entspräche.«
Marie nickte zufrieden und lenkte dann das Thema auf die Kräuter und ob er glaubte, dass sie Magdalena würden helfen können. Sie hatte das Gefühl, einen weiteren Verbündeten gefunden zu haben.
Von Brümme musterte Marie immer wieder von der Seite. Er ahnte, dass sie ihm etwas mitteilen wollte, aber er wusste nicht, was es war.
»Marie, darf ich dich auch etwas fragen?«
Sie warf ihm einen Blick zu.
»Ja, sicher.«
Was … was hast du gedacht, als der Henker, statt deinen Kopf zu nehmen, um deine Hand gebeten hat?«
Marie richtete sich auf. Sie war sich nicht sicher, was der Chirurg mit dieser Frage bezweckte. Sie seufzte.
»Ja, was habe ich gedacht? Ich konnte eigentlich überhaupt keinen klaren Gedanken mehr fassen. In der einen Sekunde habe ich mich selber gesehen, wie ich ohne Kopf auf dem schmutzigen, blutüberströmten Boden lag. In der nächsten Sekunde sah ich mich an der Seite des Henkers. Ich war mir nicht sicher, welches Schicksal das bessere wäre.«
Sie atmete tief ein.
»Aber wichtiger ist, was ich jetzt denke. Ich liebe ihn. Mehr, als ich es mir je erträumt habe.«
Der Arzt nickte.
»Ich habe bei unserer Ankunft etwas aufgeschnappt. Ich glaube, es war nicht unbedingt für meine Ohren bestimmt. Die Alte, Lotte heißt sie, wenn ich nicht irre, hat was von ›Erbe‹ gesagt.«
Marie hielt die Luft an. Aber es war wohl nicht mehr zu vermeiden, dass sie jetzt die Wahrheit sagen musste, um herauszufinden, auf welcher Seite der Arzt stand.
»Was wollt Ihr genau wissen?«, fragte sie.
»Was hat sie damit gemeint?«
Er sah, wie Marie zusammenzuckte, und hob eine Hand.
»Ruhig Marie. Du weißt, Matthias hat mich in der Hand. Ich tue Dinge, für die man brennen kann.«
Marie nickte. Matthias hatte ihr von den heimlichen Leichenöffnungen erzählt. Aber war das der einzige Grund, warum der Arzt so freundlich war? Von Brümme fuhr fort.
»Ich kannte deine Mutter. Zu meinen Pflichten gehört auch, hier immer wieder nach dem Rechten zu schauen. Als sie damals mit dir schwanger ging, habe ich sie untersucht. Und auch bei deiner Geburt war ich dabei. Es war Zufall, dass ich gerade in dem Moment hier war. Es war eine schwere Geburt. Sie hat drei Tage in den Wehen gelegen, fast hätte ich euch beide verloren. Im Wahn schrie sie immer wieder einen Namen und nach der Geburt, als sie mit hohem Fieber im Wochenbett lag, da redete sie immerfort davon, dass er es ihr nie verzeihen würde, wenn du stürbest. Ich bin zwei Wochen nicht von ihrer Seite gewichen und habe all meine Kunst aufbieten müssen, um sie zu retten.«
Marie begann zu zittern. Es war das erste Mal, dass sie etwas über ihre Geburt erfuhr. Nicht einmal Lotte hatte ihr erzählt, wie schwer es für ihre Mutter gewesen war, sie zur Welt zu bringen und dass von Brümme dabei gewesen war.
»Was hat sie noch gesagt?«, flüsterte Marie kaum hörbar.
Der Arzt trat näher zu ihr.
»Seit deiner Geburt trage ich dieses Wissen mit mir herum. Aber ich habe nicht einen Beweis dafür. Ich kann mir allerdings denken, wo du ihn vielleicht findest.«
»Was meint Ihr damit?«
Der Arzt sah sich gehetzt um. Wenn er jetzt weiterredete, war er auf Gedeih und Verderb mit Marie und ihrem Mann verbunden. Aber er wusste auch, dass es seine einzige Chance war, jemals wieder frei zu werden. Würde er dem Henker helfen, die Unschuld seiner Frau zu beweisen, dann könnte er mit ihm handeln und Rothenburg verlassen, denn das war sein Plan. Er musste in eine Stadt, in der er seine Studien weiter betreiben konnte.
»Ich weiß, wer dein Vater ist. Und ich denke, es gibt nur drei Möglichkeiten, wo man einen Beweis finden kann.«
Marie stockte der Atem. Der Arzt fuhr fort.
»Ich habe ihn ja behandelt. Jahrelang. Einmal, kurz vor seinem Tod, hat er mir gesagt, er habe seine Angelegenheiten geregelt. Er hatte dabei sein Grinsen aufgesetzt, dass er immer hatte, wenn er jemandem einen Streich gespielt hatte. Ich vermute, er hat damit sein Testament gemeint.«
Er zuckte mit den Achseln.
»Vielleicht hat er in diesem seine Vaterschaft zu dir offiziell anerkannt. Wenn dem so ist, dann musst du es suchen. »
Marie fasste ihn am Arm.
»Wo?«
»Entweder in den Archiven des Pfarrers, was durchaus möglich wäre. Dann in den Büchern des Vogtes. Aber da kann sie nur ein Mensch hinterlassen haben.«
Er sah sie an.
»Der Schreiber legt alles ab. Er ist der Einzige, der sich in den Archiven wirklich auskennt. Aber ich glaube nicht, dass es dort ist. Popolius ist eine kleine Ratte, aber das weißt du sicher. Ich bin mir sicher, er weiß mehr, als er zugibt und möglicherweise auch, wer du bist. Aber er würde das Risiko nicht eingehen, es in der Vogtei zu hinterlegen, wo es jemand finden könnte. Es sei denn, der alte Steiner hat ihn angewiesen, es zu tun. Dann wäre eine Abschrift dort zu finden.«
»Glaubt ihr das?«
Der Arzt zuckte mit den Schultern.
»Es ist eine Möglichkeit.«
»Und die Dritte?«
»Beim Schreiber selber. Ich weiß, er hat ein geheimes Archiv, irgendwo in seinem Haus.«
»Aber wie kommen wir dort hinein?«
Der Arzt lächelte.
»Es sollte für deinen Mann doch keine große Kunst sein, den Schreiber zu überreden, oder?«
Marie lächelte kalt. Sie stellte sich gerade vor, wie Matthias den kleinen Mann an der Gurgel hochhob.
»Wenn es einer schafft, dann mein Mann.«
Der Arzt lächelte. Marie sah ihm in die Augen.
»Aber Ihr sagt mir das doch nicht aus purer Menschenfreundlichkeit. Was erwartet Ihr als Dank?«
Der Arzt kratzte sich am Kopf.
»Marie, auch, wenn du es nicht glaubst: Ich bin kein schlechter Mensch. Was ich getan habe, das tat ich, um mehr Menschen helfen zu können. Nur mit Wissen ist es möglich, Krankheiten zu erkennen und zu heilen. Aber wenn wir beweisen können, dass du das bist, was ich vermute, dann möchte ich nur von Meister Matthias aus meiner Schuld entlassen werden. Wenn er mir sein Wort gibt, dass er niemandem etwas sagen wird, werde ich ihm glauben. Dann werde ich Rothenburg verlassen, mich an einem anderen Ort niederlassen. Ich möchte nur frei sein.«
Marie nickte.
»Ich glaube, dass ich Euch dies versprechen kann. Aber es gibt noch eine Bedingung.«
Der Arzt lachte.
»Ich weiß. Ich soll jemanden heilen. Ich kann nicht versprechen, dass es gelingt, aber ich werde alles tun, was in meiner Macht steht.«
Er hielt Marie die rechte Hand hin.
»Hand drauf, Meisterin Wolf?«
Marie war verdutzt. So hatte noch nie jemand zu ihr gesprochen. Aber sie gab ihm die Hand.
»Hand drauf, Meister von Brümme. Und jetzt lasst uns endlich Kräuter suchen.«
Als Helga an diesem Morgen in die Backstube kam und ihr der Geruch nach Brot in die Nase stieg, wurde ihr so übel, dass sie es gerade noch in den Hinterhof schaffte, wo sie sich übergab.
Mit zitternden Knien hielt sie sich am Türrahmen fest. Was war nur los? Seit Tagen fühlte sie am Morgen diese merkwürdige Übelkeit, aber übergeben müssen hatte sie sich noch nie. Es wurde immer schlimmer.
»Was lungerst du hier herum und faulenzt?«
Die wütende Stimme ihrer Mutter schreckte das rothaarige Mädchen auf. »Wir brauchen Milch. Geh und hol welche.«
Widerwillig verzog Helga das Gesicht.
»Aber heute ist gar kein Markt!«
»Dann wirst du deinen faulen Hintern wohl zum Bauern schwingen müssen, nicht wahr?«, fauchte die Bäckerin und drückte ihrer Tochter zwei leere Milchkannen in die Hand.
»Und beeil dich, was wir haben, ist fast alle.«
Noch immer wacklig auf den Beinen und sich wie erschlagen fühlend gehorchte Helga. Widerstand hätte ohnehin keinen Sinn gehabt und wäre nur mit Schlägen gebrochen worden. Lustlos trottete sie durch die Straßen in Richtung Rödertor, das dem Bauernhof am nächsten lag. Sie hatte den Kopf so weit gesenkt, dass ihr rotes Haar das Gesicht verdeckte, und deshalb sah sie erst, dass jemand aus einer Seitengasse kam, als es zu spät war.
Greta und Helga stießen so heftig zusammen, dass beide hinfielen und die Bäckerstochter ihre Milchkannen fallen ließ.
»PASS DOCH AUF!«, schrien beide erbost, sahen sich dann verdutzt an und senkten verlegen die Köpfe. Seit Marie den Henker geheiratet hatte, hatten sie einander gemieden, aus Gründen, die zumindest Helga nicht wirklich kannte.
Als Greta den Gesichtsausdruck des anderen Mädchens sah, tat ihr die heftige Reaktion wieder leid. Sie atmete tief durch.
»Entschuldige, es war nicht so gemeint.«
Sie bemerkte, dass Helga Probleme zu haben schien, auf die Beine zu kommen, und half ihr, hob auch die Milchkannen auf. Argwöhnisch runzelte sie die Stirn.
»Was ist denn mit dir los? Bist du krank? Du bist ganz bleich!«
Helga zuckte hilflos die Achseln.
»Ach, ich weiß auch nicht … seit ein paar Tagen ist mir morgens übel und ich fühle mich immer müde, egal wie lange ich schlafe. Wenn ich Essen rieche, wird mir schlecht, aber trotzdem fühle ich mich dicker.«
Greta blinzelte und hob die Brauen.
»Sag … triffst du dich eigentlich noch mit Karl?«
Die Wangen der Bäckerstochter wurden rot wie ihre Haare: »Ähm … ja … ab und zu …«
Und nicht nur mit dem, aber das musste sie ja Greta nicht auf die Nase binden. Die Schwarzhaarige räusperte sich.
»Nun … dann würde ich an deiner Stelle mal darüber nachdenken, wann ich das letzte Mal meine Blutung bekommen habe. Ich will nicht unhöflich sein, aber ich muss jetzt weiter. Einen schönen Tag dir.«
Noch bevor Helga sich von dem Schrecken erholen konnte, war Greta verschwunden. Die letzte Blutung … Wie lange war das her? Es musste kurz nach dem Frühjahrsmarkt gewesen sein. Viel zu lange!
Helga ließ die Milchkannen fallen. Scheppernd rollten sie über das grobe Steinpflaster. Sie erwartete ein Kind. Und hatte keine Ahnung, von wem!