Читать книгу Der Henker von Rothenburg: Inquisiton in Rothenburg - Werner Diefenthal - Страница 22

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6. Kapitel

Am nächsten Morgen fühlte Magdalena sich zu schwach, um aufzustehen. Ein Rückfall hatte sie in der Nacht heimgesucht. Sie ahnte, dass es jetzt immer schneller gehen würde. Und noch immer war nicht geklärt, wer den ›Goldenen Schwan‹ leiten sollte.

Sie musste, so schnell es ging, mit Marie und Matthias darüber reden. Marie musste einfach ›Ja‹ sagen. Wem sonst konnte sie ihr Geschäft anvertrauen?

Mühsam quälte die Wirtin sich aus dem Bett. Es gab nur eines, was sie tun konnte. Sie musste ein Testament verfassen. Doch wem konnte sie es diktieren? Wer würde dafür sorgen, dass ihr letzter Wille so durchgeführt werden würde, wie sie es wünschte?

Es gab nur noch einen Menschen, dem sie, unter Vorbehalt, vertrauen konnte. Sie wankte zur Tür, öffnete sie. Eines ihrer Mädchen kam gerade durch den Flur. Magdalena riss sich zusammen.

»Du, kannst du mir einen Gefallen tun?«

Das Mädchen sah Magdalena an.

»Sicher. Was möchtest du?«

»Lach nicht, aber irgendwie hatte ich diese Nacht einen Traum, der mir sagte, ich solle die Beichte ablegen. Aber ich kann nicht aus dem Haus. Geh also zum Pfarrer und bitte ihn, zu mir zu kommen.«

Sie drückte dem Mädchen einige Geldstücke in die Hand. Das würde den Pfarrer davon überzeugen, dass es wohl gut wäre, sie zu besuchen.

»Und sag ihm, eine weitere Spende wartet auf ihn.«

Magdalena legte sich wieder in ihr Bett und hoffte, der Pfarrer wäre vertrauenswürdig und würde sie nicht hintergehen.

Es dauerte nicht allzu lange und Magdalena hörte Schritte auf der Treppe. Sie zog sich einen züchtigen Morgenmantel über, bedeckte ihr Haar, rückte das Kruzifix auf ihrem Nachtschrank zurecht, kniete sich davor und begann, leise murmelnd zu beten.

Es klopfte. Magdalena rief leise »Herein« und Pater Remigius öffnete die Tür. Man sah ihm an, dass er nur widerstrebend gekommen war, aber die Münzen, die ihm überbracht worden waren und die Aussicht auf mehr hatten ihn dazu bewogen, seinen Widerstand aufzugeben. Und eine Seele war immer noch eine Seele.

»Mein Kind, du hast nach mir gerufen?«

»Ja, Hochwürden. Bitte kommt näher und schließt die Tür.«

Der Pfarrer trat ein, schloss sorgfältig die Tür hinter sich und sah sich um. Als er das Kruzifix sah, lächelte er. Auch, dass die Frau züchtig während des Gebetes ihr Haar mit einem Tuch bedeckt hatte, nahm er mit Wohlwollen zur Kenntnis.

›Gott ist überall‹, dachte er bei sich. ›Ihre Seele scheint noch nicht verloren zu sein, wenn sie vor dem Herrn so kniet.‹ Er räusperte sich.

»Man sagte mir, dass du ein Anliegen hast. Was kann ich für dich tun?«, fragte er Magdalena. Diese erhob sich mühsam und setzte sich auf ihr Bett.

»Hochwürden, würdet Ihr bitte Platz nehmen. Es gibt etwas, was ich mit Euch bereden muss.«

Er setzte sich. Er kannte Magdalena und ihre Geschichte. Dachte er jedenfalls. Aber, wie die meisten, kannte er nur den Teil, den Magdalena immer erzählte. Von der Verfolgung ihrer Mutter und Großmutter durch die Inquisition wussten nur sehr wenige Leute. Und Magdalena hatte auch nicht vor, das zu ändern. Nur Marie und Matthias wussten davon, und dabei wollte sie es auch belassen.

»Euer Hochwürden, ich bin krank. Ich glaube, dass ich den nächsten Winter nicht mehr erleben werde.«

Der Pfarrer sah sie entsetzt an.

»Wie kommst du darauf, mein Kind?«

Sie zeigte ihm das Taschentuch mit dem blutigen Auswurf.

»Meine Mutter hatte das Gleiche. Überreste von der Arbeit mit den Farben, wenn wir die Stoffe gefärbt hatten. Es ist nicht zu ändern.«

Sie sah ihm in die Augen.

»Und ich möchte mein Gewissen erleichtern und mein Testament machen. Da aber der Schreiber ermordet wurde, seid Ihr die einzige Person, der ich vertrauen kann.«

Pater Remigius nickte.

»Willst du mit reinem Gewissen vor Gott treten?«

»Auch das, Hochwürden. Werdet Ihr mir beistehen?«

Der Pfarrer wiegte seinen Kopf hin und her. Ablehnen konnte er nicht, aber auch nicht sofort zusagen. Da griff Magdalena in ein Fach ihres Nachtkästchens und reichte ihm einen Beutel, gefüllt mit Geldstücken.

»Ich weiß, Ihr träumt von einer neuen Glocke. Nehmt dies als Spende, die Euch Eurem Traum ein wenig näher kommen lässt.«

Der Pfarrer verzog keine Miene. Er durfte sich nicht gehen lassen, er nickte nur.

»Ich bin sicher, Gott wird es dir vergelten.«

Magdalena kniete sich vor den Pfarrer.

»So nehmt mir bitte die Beichte ab, Hochwürden.«

Er legte ihr eine Hand auf den Kopf und hörte sich ihre Verfehlungen an. Es war, alles in allem, nicht ganz so schlimm, wie er es gedacht hatte.

»Da du dem Herrn einen Gefallen getan hast und ihm den Grundstock für eine Glocke schenkst, nimmt er dies als deine Buße an. Ego te absolvo …«

Er sprach sie von ihren Sünden frei. Magdalena erhob sich mühsam. Ihre Gedanken waren klar wie selten, wusste sie doch, dass der Handel mit dem Ablass, trotz aller Bemühungen der Reformation, immer noch blühte. Das Geschäft mit der Vergebung der Sünden war ein unabdingbarer Teil der Einnahmen der Kirche. Aber das war ihr gleich. Hauptsache, es erfüllte seinen Zweck. Jetzt kam der knifflige Teil, allerdings auch für Magdalena der wichtige.

»Würdet Ihr mir bei meinem Testament helfen, Hochwürden?«, fragte sie ihn, nachdem sie auf ihrem Bett Platz genommen hatte.

»Sicher, mein Kind.«

»Dort auf dem Tisch liegen Feder, Tinte und Papier.«

Pater Remigius legte sich alles zurecht.

Draußen vor der Tür war mittlerweile Irmtraud angekommen. Sie hatte gesehen, wie der Pfarrer zu Magdalena gegangen war. Ihre Neugier ließ sie fast platzen. Sie hoffte immer noch, dass sie den ›Goldenen Schwan‹ übernehmen könnte. Zwar war sie seit einiger Zeit nicht mehr bei Magdalena im Bett gewesen, aber sie umsorgte diese immer wieder, buhlte um sie. Irmtraud presste ihr Ohr an die Tür.

»Es gibt nicht viel, was ich zu vererben habe. Im Grunde genommen nur das Gasthaus.«

Der Pfarrer nickte.

»Und ich möchte, dass Ihr dafür sorgt, dass die Marie es erhält. Kinder oder andere Verwandte habe ich nicht.«

Der Pfarrer stutzte.

»DIE Marie?«, fragte er.

Magdalena nickte.

»Ja! DIE Marie, die beinahe ihren Kopf verloren hätte und jetzt die Frau des Henkers ist. Sie ist dafür geeignet und ich wünsche, dass sie das Gasthaus übernimmt. Es ist frei von jeglichen Schulden, es ist ein Stück Geld damit verbunden. Die einzigen Bedingungen sind, dass sie sich um mein Grab kümmern soll und den Mädchen weiterhin Unterkunft gibt. Mehr erwarte ich nicht.«

Pater Remigius schrieb alles säuberlich auf das Papier und las es Magdalena vor.

Vor der Tür biss Irmtraud sich in die Knöchel der geballten Faust, um nicht laut zu schreien vor Wut. Sie fühlte sich verraten, verkauft! Diese Hexe sollte den Gasthof übernehmen. Das war für sie eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.

Sie schlich sich leise davon und dachte über Rachepläne nach. Niemals würde sie zulassen, dass die Hure des Schinders den ›Goldenen Schwan‹ bekäme. Und wenn sie dafür ihre Seele verkaufen müsste!

Magdalena setzte mittlerweile ihr Zeichen unter das Testament. Der Pfarrer fertigte eine Zweitschrift an, auch diese unterschrieb sie. Danach zeichnete Pater Remigius gegen, siegelte beide Schriftstücke und reichte eines Magdalena.

»Dieses solltest du an einem sicheren Platz aufbewahren. Ich werde das andere für dich in Gewahrsam nehmen.«

Magdalena nickte.

»Ich danke Euch, Hochwürden. Ich bin mir sicher, bald wird die neue Glocke alle Kinder des Herrn in den Ohren klingen. Würdet Ihr noch ein Gebet mit mir sprechen?«

Das konnte Pater Remigius nicht ablehnen, kniete mit der Frau vor dem Kruzifix und betete mit ihr gemeinsam. Als sie geendet hatten, segnete er Magdalena und verließ den ›Goldenen Schwan‹.

Die Wirtin war zufrieden. Da Marie nicht freiwillig das Lokal übernehmen wollte, hatte sie einen Weg gefunden, sie doch dazu zu bringen. Sie war sich sicher, dass Marie ihr den letzten Willen erfüllen würde.

Der Henker von Rothenburg: Inquisiton in Rothenburg

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