Читать книгу Kalte Duschen, Warmer Regen - Wiglaf Droste - Страница 17
Lieblingsklarversprecher
ОглавлениеGroßes Vergnügen bereitet es mir, jemanden im Brustton der Empörung wettern zu hören, die Deutschen folgten der Regel »Wes’ Lied ich ess’, des’ Brot ich sing’«. Die Folge ist häufig allzu billiges Grinsen und Gelächter der Zuhörerschaft: »Wes’ Lied ich ess’, hahahahaha...!«
Dabei stimmt doch alles an diesem Satz; das akustische Knäckebrot, das aus dem Radio herausbröselt, ist für das menschliche Ohr und die innen angrenzenden Organe hoch gefährlich, der Tod durch Langeweile oder sprachästhetischen Ekel ist stets in greifbarer Nähe. Was als sogenanntes »Brot« vermarktet wird, ist für den Verzehr ungeeignet; wenn man es schon nicht essen kann, bleibt nur der Versuch, es zu singen: »Wes’ Lied ich ess’, des’ Brot ich sing’.«
Deutschland schmeckt nicht (oder allenfalls nutellabraun), es klingt nicht, es swingt nicht, es groovt nicht – es marschiert. Und zwar immer dem hinterher, der schlechte Musik und nicht minder schäbiges Brot verspricht und dieses fade Versprechen auch einlösen wird, sofern man ihn nicht daran hindert.