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Bin ich ein Russenliebchen?

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»Auch der Hass gegen die Niedrigkeit / verzerrt die Züge. / Auch der Zorn über das Unrecht / Macht die Stimme heiser«, heißt es in Bertold Brechts großem Gedicht »An die Nachgeborenen«. Das stimmt, man kann es sehen und hören. Bei manchen Lesern vollzieht sich der Prozess der Hässlichwerdung bei oder direkt nach der Lektüre einer Spiegel online-Kolumne von Jan Fleischhauer, der den deutschen Ableger von Roger Koeppel gibt, seitdem er entdeckte, wieviel Konjunkturpotential im Gejammer über ein links angehauchtes, grün-alternatives Elternhaus steckt, über ein Milieu, das zwischen Petra Kelly, Antje Vollmer und Boris Palmer changiert, zwischen Sekte, Kirchentag bis zur schnödesten Rechtsranschmeiße also, das Kritik und Spott deshalb vollrohr verdient hat, allerdings nicht zum einzigen Topos eines gedeihlichen Berufslebens taugt und fruchtet.

Man muss den Nachgeborenen Jan Fleischhauer nicht groß ernst nehmen; er schrübe, so man’s ihm entsprechend vergütete, auch das Gegenteil oder sonst irgendetwas, und wer sich über ihn erregt, arbeitet ihm zu und tut ihm einen Gefallen. So verhält es sich nun einmal in den journalistischen Wurf- und Boxbuden, das ist nur das übliche Geschäftsgebaren.

Wenn Fleischhauer sich seine Vortäuschung von Abscheu allerdings selber zu glauben beginnt, auf die eigene Propaganda hereinfällt und sie dann dem Gesetz des Effektgewinns folgend steigern muss, läuft ihm der Quark vollends aus dem Ruder, und er wird vom leicht vorhersehbaren, verlässlich plumpen Polemiker zum Bauchredner schierer Gemeinheit. In seiner Kolumne »Flüchtlinge als Waffe« schrieb Fleischhauer im Februar 2016: »Unsere Schwäche ist das Mitgefühl. Wenn wir das Bild eines Kindes sehen, das tot an einen Strand bei Bodrum liegt, lässt es uns nicht kalt, sondern weckt den Wunsch, das Elend zu lindern. Dass Deutschland seine Grenzen für Menschen in Not geöffnet hat, verdankt sich keinem Kalkül, sondern einem nationalen Akt der Hilfsbereitschaft.«

Statt den Vollzug »nationaler Akte« für die zu diesen Zwecken angelegte und vorgesehene rektale Körperöffnung zu reservieren, fährt Fleischhauer fort: »Wer sich allein von Nützlichkeitserwägungen leiten lässt, ist dagegen zunächst im Vorteil. Er ist nicht erpressbar, egal wie groß der Schrecken ist. Wenn die Herren im Kreml sich um das Schicksal eines Kindes sorgen, dann um das eines 13-jährigen Mädchens in Berlin-Marzahn, das man für die Propaganda einspannen kann, weil es so herrliche Schauergeschichten über die Muslime erzählt, die Frau Merkel nach Europa lässt. Zeigen Putin und seine Leute ausnahmsweise Gefühlsregungen, dann sind diese fast immer infantil: Es geht bei ihnen stets um Kränkung und Zorn wegen mangelnder Beachtung, nie um Empathie und Nachsicht.«

So fleischhauert sich das zusammen: Deutsche fühlen menschlich, Russen tun nur so. Beim Thema Putin läuft Fleischhauer der Gratismut im Mund zu Schaum zusammen: »Man kann sich mit Diktatorenliebe anstecken wie mit einer Krankheit. Wenn in Talkshows über die ›strategischen Interessen‹ der Russen so geredet wird, als gäbe es ein Naturrecht, sich in anderen Ländern den Weg freizubomben, ist das mehr als bizarr. Bei Peter Scholl-La­tour hatte die erfahrungsgesättigte Ruchlosigkeit, mit der er die notorischen Schwafler und Schönredner auflaufen ließ, noch einen gewissen Charme. Bei jemandem wie Gabriele Krone-Schmalz, deren Auslandserfahrung sich auf vier Jahre im Moskauer ARD-Studio beschränkt, bleibt schon nach den ersten Sätzen von der Coolness des Weltreporters nur die Kaltherzigkeit der Kreml-Mam­sell.«

So kommt ein neuer Beruf in die Welt: »Kreml-Mam­sell«; frühere Propagandaexperten sprachen direkt von »Russenliebchen«. Bei Fleischhauer endet das so: »Wer die Menschen in Syrien erst aus ihren Häusern bombt, damit sie sich nach Norden aufmachen, und dann dort die rechtsradikalen Kräfte unterstützt, die gegen eine Aufnahme Stimmung machen, ist jedenfalls kein Freund Europas und noch weniger ein Freund der Deutschen. In anderen Zeiten hätte man ihn einen Feind genannt.«

Ich bin kein »Freund der Deutschen«; weder weiß ich, wer oder was das sein sollte, noch halte ich es für ein Pflichtfach. Dass mich die nicht durch Ressentiment, sondern durch Erfahrung erworbene Skepsis Landsleuten (wie zum Beispiel Jan Fleischhauer) gegenüber zu einem Verehrer des Kaffeewürzmischers Wladimir Putin mach­te, wäre mir neu. Fleischhauers Freund-Feind-Rhetorik dünstet dieselbe trübe »Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!«-Scheu- und Großklappigkeit aus, die er dem Milieu, in dem er groß wurde, nicht zu Unrecht vorhält. Die Vergangenheit holt eben alle ein, und am ehesten diejenigen, die sich ihr nicht präzise stellen, sondern sie entweder zwanghaft verherrlichen oder aber dämonisieren müssen und damit die Gegenwart verhässlichen, für sich und für andere.

Kalte Duschen, Warmer Regen

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