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Phantom in braun

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In Banden-Württemberg sind seit März 2016 wieder Rechtsradikale im Landtag vertreten. Ist Hans Filbinger wieder auferstanden? Nein, die AfD kann das gut ganz alleine, dass sogar die erfolglose Konkurrenz von der NPD über die finalen Grenzschutz-Schuss-Erwägungen respektive Abknallphantasien, mit denen die AfD anschließend dann aber gar nichts zu tun gehabt haben wollte, an der AfD herummaulte. Kurz vor der Landtagswahl bekamen die Traditionsnazis eine derartige Panikattacke, dass sie sich von der AfD distanzierten, die zwar den rechten Rand nicht halten, ihn aber dominieren kann. So kalt waren die Käsemauken der NPDisten, dass sie quasi on the rocks herumstiefeln mussten. »Konsequent abschieben« lautet eine ihrer Parolen; wer aber will sie haben und aufnehmen? Wenn die Selbstausschaffung der NPD allerdings gelänge – vielleicht klappt es ja in Sibirien? –, dann bitte die AfD nicht vergessen, sondern mit in den Gepäckraum werfen. Eine kleine Bitte ans Bodenpersonal erlaube ich mir zu äußern: Don’t handle with care.

Rechtsradikale Volksvertreter? Als Schuhabtreter oder Schuhcremevertreter für Erdal braun wären sie mir lieber, aber sie werden ja gewählt. Auf die Frage warum, weiß ich außer der anthropologischen Konstante Niedertracht und frei flottierenden »Denen zeig’ ich’s!«-Phantasien keine Antwort. Es wird der oder die Rechtsradikale nicht ernsthaft gesellschaftlich geächtet, sondern es wird im Gegenteil die Meinungsfreiheit, die Rechtsradikale außer für sich selbst und ihresgleichen keinen Deut interessiert, zu ihren Gunsten ausgeleiert, bis sie schlapp, am Boden und leicht zu kassieren ist. Es wäre nicht das erste Mal.

Demokraten sind gegenüber Nichtdemokraten im strategischen Nachteil, sich an demokratische Gepflogenheiten zu halten und ihren Maßgaben entsprechend zu handeln. Für das in Phantasialand stattfindende Ausleben archaischer Tagträume – auf eigene Faust, oder, wie bei Til Schweiger, auf eigene Panzerfaust, »aufzuräumen«, endlich mal »den ganzen Dreck wegzumachen«, das einengende juristische Regelwerk zu durchbrechen, das demokratische Korsett abzustreifen und atavistische Weltvorstellungen als »Recht und Ordnung« zu deklarieren –, sind entsprechende Filme im Kino, im TV und im Computer überreichlich vorhanden.

Gewählt aber wird in der sogenannten wirklichen Wirklichkeit, und das kann sehr konkrete Folgen nach sich ziehen: Eine demokratisch legitimierte Minderheit lässt die Mehrheit nach ihrer Pfeife keinen Schieber, sondern einen Abschieber nach dem anderen tanzen. Die »etabliert« genannten Parteien – früher in LTI-Sprache: »Systemparteien« genannt, machen es den Rechtsradikalen leicht: Sie übernehmen entweder in weiten Teilen die Forderungen der Rechtsradikalen oder sind durch Lobbyismus und andere Formen der Korruptheit alles andere als taugliche Werbemittel oder Testimonials für demokratisch verfasste Verhältnisse. Mit Phantomdemokraten lässt sich kein de­mokratischer Staat machen.

Kalte Duschen, Warmer Regen

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