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Abfall § 326 I, II StGB
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»Abfälle« sind Stoffe und Gegenstände (str. Rn. 2) – einschließlich Flüssigkeiten und in Behälter gefasste Gase –,
– | die in ihrem gegenwärtigen Zustand objektiv keinen wirtschaftlichen Gebrauchswert haben und deren geordnete Entsorgung zur Wahrung des Allgemeinwohls, namentlich zum Schutz der Umwelt, erforderlich ist (»Zwangsabfall«), oder |
– | auf die sich der äußerlich erkennbar betätigte Wille des Sachherrschaftsinhabers bezieht, sich ihrer als für ihn – subjektiv – gegenwärtig gebrauchswertlos zu entledigen (»gewillkürter Abfall«). Die objektiv bestehende Möglichkeit oder die Absicht, diese Stoffe oder Gegenstände nach der Entsorgung wiederzuverwerten oder weiterzuverarbeiten, steht der Einordnung als Abfall nicht entgegen. |
Literatur:
NK-Ransiek § 326 Rn. 5 ff; SSW-Saliger § 326 Rn. 4 ff. Einführend: Rengier, BT 2, § 48 Rn. 16 ff.
Rechtsprechung
Grundlegend: BGHSt 37, 21 (23 f, 26 f) mit Bspr. Lamberg NJW 1991, 1996 ff; BGHSt 37, 333 (334 ff) mit Anm. Horn JZ 1991, 886 f, Sack JR 1991, 338 ff; BGHSt 59, 45 (50 ff – Abfallbeseitigung/Abfallverwertung) mit Anm. Krell NZWiSt 2014, 14 ff; BGH NStZ 1997, 544 f. Beispielhaft: BayObLG NStZ 1984, 123 (124 – Autowrack als Zwangsabfall); OLG Celle NStZ-RR 1998, 208 f (Putenmist als Wirtschaftsgut) und BeckRS 2016, 9489 (Verkauf eines Schrottfahrzeugs – Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums); OLG Köln NJW 1986, 1117 (1118 – gewillkürter Abfall); OLG Naumburg NStZ-RR 2017, 13 (defekter Oldtimer); LG Stuttgart NStZ 2006, 291 (Flüssigkeiten in Autowracks) mit Anm. Henzler S. 292 ff; OLG Zweibrücken NStZ 1991, 336 f (Pferdemist kein Zwangsabfall) mit krit. Anm. Sack, S. 337.
BGHSt 37, 333 (334 ff): „Das Merkmal ›Abfälle‹ erfaßt neben den Stoffen, deren sich der Besitzer, weil er sie nicht weiter zu verwenden beabsichtigt, entledigen will (›gewillkürter Abfall‹), solche Stoffe, deren geordnete Entsorgung zur Wahrung des Gemeinwohls, insbesondere zum Schutz der Umwelt geboten ist (›Zwangsabfall‹). Insoweit kommt es nicht auf den bloßen Willen des Besitzers an, die Sache noch als Wirtschaftsgut einzusetzen. Maßgebend ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung aller Umstände unter Berücksichtigung des konkreten Zustands der Sache. Ergibt diese, dass die Sache … gegenwärtig ohne Entsorgung … objektiv ohne Gebrauchswert ist und in ihrem Zustand die Umwelt gefährdet, liegt kein Wirtschaftsgut vor, sondern Abfall, der sogleich zu entsorgen ist (Zwangsabfall). Dies gilt auch, wenn der Besitzer den Stoff oder seine Bestandteile nach der Entsorgung wiederverwenden oder verwerten will… Dabei kommt es für den (subjektiven) Abfallbegriff nicht entscheidend auf die Vorstellungen und Absichten des Besitzers über die Möglichkeit der Weiterverwertung an. Maßgebend ist nur, ob er sich des Stoffes als für ihn wertlos entledigen, d.h. sich davon befreien will, um ihn der Entsorgung zuzuführen oder zuführen zu lassen.“
BGHSt 59, 45 (47) = NJW 2014, 91 (92 – Klärschlammkompost): „Der strafrechtliche Abfallbegriff ist in Anlehnung an das Abfallverwaltungsrecht selbstständig zu bestimmen... Abfall sind danach alle Stoffe und Gegenstände, deren sich der Besitzer durch Beseitigung oder Verwertung entledigt, entledigen will [„gewillkürter Abfall“ oder subjektiver Abfallbegriff] oder entledigen muss [„Zwangsabfall“ oder objektiver Abfallbegriff]. Diese Definition entspricht sowohl dem zur Tatzeit geltenden § 3 I KrW/AbfG als auch der Neuregelung des § 3 I KrWG.“
Erläuterungen
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Das StGB hat den Begriff des »Abfalls« nicht definiert, während die verwaltungsrechtlichen Vorschriften (z.B. § 3 KrWG) entsprechende Definitionen enthalten. Der strafrechtliche Abfallbegriff ist nach allgemeiner Auffassung zwar »in Anlehnung« an die abfallrechtlichen (verwaltungsrechtlichen) Bestimmungen, jedoch grundsätzlich eigenständig zu definieren. Er ist also nicht streng »verwaltungsakzessorisch« zu bestimmen, wenngleich das Abfallverwaltungsrecht und die europarechtlichen Vorgaben[1] den strafrechtlichen Begriff prägen. So stammt aus dem Verwaltungsrecht die auch für das Strafrecht geltende Unterscheidung zwischen »Zwangsabfall« (= objektiver Abfallbegriff, § 3 IV KrWG 2012) und »gewillkürtem Abfall« (= subjektiver Abfallbegriff). »Objektiver« und »subjektiver« Abfallbegriff schließen sich dabei nicht etwa gegenseitig aus, sondern bezeichnen nur verschiedene Maßstäbe (Kriterien) für die Bewertung als »Abfall«. Ein Stoff oder ein Gegenstand kann daher ggf. nach beiden Kriterien als »Abfall« einzuordnen sein.
Die früher in § 3 I KrW/AbfG 1994 enthaltene Beschränkung auf bewegliche Sachen, die auch den strafrechtlichen Abfallbegriff prägte,[2] ist mittlerweile (§ 3 I S. 1 KrWG 2012) zwar zugunsten einer weiten Bestimmung („Stoffe und Gegenstände“) aufgegeben worden. Gleichwohl ist nicht geklärt, ob dem auch der strafrechtliche Abfallbegriff folgt. Denn zum einen wird der verwaltungsrechtliche Begriff als zu weit verstanden, zum anderen enthält § 2 KrWG – nunmehr in die andere Richtung zu weitgehend – unterschiedliche Ausschlusstatbestände.[3] Daher wird vorgeschlagen, für den strafrechtlichen Abfallbegriff an der „beweglichen Sache“ festzuhalten.[4]
Soweit in § 3 I 2 KrWG zwischen »Abfällen zur Beseitigung« und »Abfällen zur Verwertung« unterschieden wird, handelt es sich zwar gleichermaßen um Abfälle im strafrechtlichen Sinn.[5] Die Unterscheidung kann aber Bedeutung bei der Tathandlung des § 326 I StGB erlangen, sofern es um die Entsorgung in einer dafür (Verwertung oder Beseitigung) zugelassenen Anlage geht.[6]
Für das Verständnis des § 326 I, II Nr. 2 StGB ist wichtig, dass nicht alle »Abfälle« i.S des strafrechtlichen Abfallbegriffs unter die Vorschrift fallen, sondern nur solche, die als »gefährliche Abfälle« einzustufen sind, weil sie eine der in Abs. 1 Nr. 1-4 genannten besonderen Eigenschaften aufweisen.