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Die Maschine landete glatt in Tempelhof. Berlin empfing Stahmer trüb und kühl. Am Parkplatz wartete ein Wagen auf ihn. Mit Zivilnummer. Er brachte den Agenten in die Prinz-Albrecht-Straße. Zum Gebäude des Reichssicherheitshauptamtes. Aus einem alten Palais war die Hochburg des Verbrechens geworden. Im Zentrum von Berlin lag der Wilde Westen des Dritten Reiches. Der Gehirntrust der Bewegung.

Ein Mann, den Freund und Feind haßten, beherrschte das Reich: Reinhard Heydrich. Ein brauner Despot. Ein Teufel in Menschengestalt. Sein Handwerk war der Mord, sein Motor die Macht. Darauf allein kam es ihm an. Dafür hätte er jedem gedieht: den Roten wie den Schwarzen, den Freimaurern wie den Heiden, den Nazis wie den Juden. Dafür erpreßte, folterte, mordete, liquidierte, verbrannte und vergaste er. Sechstausend oder sechs Millionen. Mit der nämlichen Distanz. Mit demselben Haß, mit dem gleichen Erfolg … kalt bis in die manikürten Fingerspitzen.

Er empfing seinen Agenten im Stehen. Er zeigte gute Laune. Das war gefährlich. Stahmer wußte es, er kannte ihn und blieb auf der Hut.

»Na …«, sagte Heydrich, »geklappt?«

»Jawohl, Gruppenführer.«

»Ging ja rasch …« Heydrich lächelte, ohne das Gesicht zu verziehen. Er war groß und drahtig. In seinen wasserhellen Augen schwammen Verachtung. Seine Nase sprang aus dem schmalen Gesicht wie eine Waffe. Seine Lippen waren dünn und zynisch. Im Gegensatz zum übrigen Führerkorps, das er in seine Verachtung mit einschloß, besaß er Mut und Verstand. Es ging eine Faszination von ihm aus, vor der jedem graute. »Setzen Sie sich«, sagte er. Er bot mit einer spielerischen Bewegung seinem Vorzugsschüler eine Zigarette an. »Den Wachsabdruck vom Türschloß haben Sie mitgebracht?«

»Ja.«

»Und der Sender ist im Hotel?«

»Genau.«

»Gut«, erwiderte Heydrich. »Schaffen Sie den Kerl her.«

»Nach Berlin, Gruppenführer?«

» Wohin sonst? « versetzte Heydrich gleichgültig. »Ich will ihn lebend haben.«

»Über die Grenze?«

»Es wird Ihnen nichts anderes übrigbleiben … Betäuben Sie ihn, legen Sie ihn in den Wagen … und wenn die Tschechen beim Übertritt Spektakel machen …« Seine Hand imitierte das Schleudern von Handgranaten. »Sie können noch einen Mann mitnehmen«, sagte der Chef des rsha abschließend, »den Sender sprengt ihr in die Luft … Ist das Mädchen in Ordnung?«

Stahmer nickte benommen.

»Es muß schnell gehen«, befahl Heydrich, »auf diesen Formis wart’ ich schon lange …«

Idiotisch, dachte sein Agent … Unmöglich, wie soll man mit einem Entführten über eine schwerbewachte Grenze kommen? Wie kann man einen Sender mitten in einem Land sprengen und es dann unauffällig verlassen?

Er hob den Kopf.

Wasserhelle Augen kamen auf ihn zu.

»Das schaffen Sie doch?«

»Jawohl, Gruppenführer«, antwortete Stahmer wie immer.

Sooft er seinem Chef gegenüber saß, lief ihm kalter Schweiß den Nacken hinunter. Er wollte, er mußte nein sagen. Seine Aufträge wurden immer verzweifelter, immer verwegener. Aber aus Angst wurde er tollkühn. Nur weil er zu feige war, Heydrich zu widersprechen, trug Stahmer seine Haut von einem Markt zum anderen. Ging es schief, dann rechnete Heydrich mit ihm ab. Auf seine Art. Er brauchte nur mit dem Finger zu schnippen. Im Reichssicherheitshauptamt kannte jeder diese charakteristische Geste.

Jetzt reichte ihm der Chef die Hand. »Hals- und Beinbruch«, sagte er.

Stahmer schlug die Hacken zusammen, obwohl er Zivil trug.

»Hat doch seine Reize, so ein Kommando …«

»Jawohl, Gruppenführer«, entgegnete der Agent wie unter einem Zwang.

Er konnte nicht anders. Erst als er Heydrichs Zimmer verlassen hatte, kam sein Verstand wieder zur Vernunft. In diesem Haus wimmelte es von Stahmers. Sie kamen und gingen. Sie konnten ihren Auftrag überleben; jedoch die Angst vor dem neuen Einsatz blieb immer dieselbe.

Stahmer verließ das Gebäude so schnell, wie er gekommen war. Inzwischen wurde im Laboratorium mit Hilfe seines Wachsabdrucks ein Schlüssel gefertigt und in der Personalabteilung ein gelernter Mörder gesucht.

Prinz Albrecht Straße

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