Читать книгу Abstandsvorschriften der niedersächsischen Bauordnung - Wolff-Dietrich Barth - Страница 11
ОглавлениеÜbersicht | Rn. | |
I. | Begriff der Nutzungsänderungen | 13, 14 |
II. | Das Erfordernis der Rechtmäßigkeit baulicher Anlagen bei Nutzungsänderungen | 15–17 |
III. | Baugenehmigungspflicht von Nutzungsänderungen | 18, 19 |
I.Begriff der Nutzungsänderungen
13Der bauordnungsrechtliche Begriffder Nutzungsänderung erstreckt sich auch auf Nutzungsänderungen nach § 29 Abs. 1 BauGB. Hierbei handelt es sich zwar um einen bundesrechtlich selbständigen Begriff. Dennoch sind Nutzungsänderungen im Sinne des städtebaulichen Planungsrechts zugleich auch Nutzungsänderungen im Sinne der NBauO (BVerwG, U. v. 23.1.1981 – 4 C 83.77 – BRS 38 Nr. 89).
14Die NBauO enthält wie das BauGB keine Bestimmung des Begriffs der Nutzungsänderung.
Eine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB liegt nach st. Rspr. vor, wenn die – jeder Art von Nutzung eigene – Variationsbreite der bestehenden Nutzung überschritten wird und wenn durch die Aufnahme dieser veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, so dass sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichen Aspekten neu stellt (BVerwG, B. v. 1.3.1989 – 4 B 24.89 – DÖV 1989/725).
Nutzungsänderung im Sinne des Bauordnungsrechts ist jede Vollziehung einer mindestens teilweisen neuen Zweckbestimmung, die einer baulichen Anlage gegeben wird. Dabei kann es sich allerdings immer nur um solche Änderungen der Zweckbestimmung handeln, die rechtlich relevant sind, sei es weil bauordnungsrechtliche, sei es weil bauplanungsrechtliche Vorschriften bestehen, denen eine Konkretisierung des Zwecks entnommen werden kann (Evers, DVBl. 1967/249).
Auch Änderungen allein der Zweckbestimmung einer baulichen Anlage bei gleichbleibender Nutzung können bauliche Belange berühren. So handelt es sich um eine Nutzungsänderung, wenn Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 und § 9 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO einen nicht privilegierten Personenkreis zur Verfügung gestellt werden. Das OVG Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom 30.5. 2016 (10 S 34.15 – Juris) entschieden, dass die dauerhafte Nutzung einer Wohnung, für die eine Genehmigung als Wohngebäude vorliegt, als Ferienwohnung für einen wechselnden Personenkreis eine baugenehmigungspflichtige Nutzungsänderung darstelle.
Jedoch nicht jede noch so geringe Änderung der Nutzung einer baulichen Anlage stellt eine rechtlich relevante Nutzungsänderung dar, da jeder Nutzung eine gewisse Variationsbreite inne wohnt (OVG Lüneburg v. 20.5.1992 – v. 125/91 – BRS 54 Nr. 143).
II.Das Erfordernis der Rechtmäßigkeit baulicher Anlagen bei Nutzungsänderungen
15Bei einer Nutzungsänderung ist Gegenstand der Beurteilung nicht allein die Nutzungsänderung als solche, sondern das bestehende Bauwerk und die beabsichtigte Nutzung als untrennbare Einheit (vgl. BVerwG, U. v. 15.11.1974 – IV C 32.71 – BRS 28 Nr. 34; U. v. 11.11.1988 – 4 C 50.87 – BRS 48 Nr. 58; Sarnighausen, DÖV 1995/225). Für die Beurteilung einer Nutzungsänderung kann daher das bestehende Bauwerk nicht ausgesondert und losgelöst von der beabsichtigten Nutzung einer separaten Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes unterzogen werden (a. A. OVG MV, B. v. 27.8.1998 – 3 M 65/98 – BauR 1999/624).
16Nutzungsänderungen müssen mit den zu diesem Zeitpunkt maßgebenden städtebaulichen und bauordnungsrechtlichen Anforderungen in vollem Umfang vereinbar sein (Nds. OVG, B. v. 2.3.1993 – 1 M 263/91 – BRS 55 Nr. 183). In planungs- und bauordnungsrechtlicher Hinsicht ist die Nutzungsänderungeines Gebäudes daher nicht anders zu beurteilen als die Erst- oder Neuerrichtung des Gebäudes zu dem angestrebten Zweck (BVerwG, U. v. 23.1.1981 – 4 C 83.77 – BRS 38 Nr. 89).
17Die NBauO unterwirft das Gebäude in seiner Gesamtheit den Anforderungen an Grenzabstände. Ein Gebäude, dessen Nutzung geändert werden soll, ist bei dieser Beurteilung deshalb insgesamt baurechtswidrig, wenn es den erforderlichen Grenzabstand auch nur gegenüber einer Grenze unterschreitet. Eine Nutzungsänderung bestimmter Räume eines Gebäudes, das beispielsweise den Mindestabstand um 1 m unterschreitet, ist deshalb auch dann nicht mit § 5 vereinbar, wenn die Gebäudeteile mit diesen Räumen außerhalb des Abstandsbereichs von 3 m liegen.
Daraus folgt insbesondere, dass bei jeder Nutzungsänderung die zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Abstandsvorschriften einzuhalten sind. Jede Nutzungsänderung eines Gebäudes, das die Grenzabstände unterschreitet, ist daher nur nach Gewährung einer Abweichung nach § 66 NBauO von den Abstandsvorschriften materiell-rechtmäßig.
Demgegenüber meinen der BayVGH (U. v. 26.11.1979 – Nr. 51 XIV 78 – BRS 36 Nr. 181) und das OVG NRW (U. v. 15.5.1997 – 11 A 7224/95 – BRS 59 Nr. 144), dass bei Nutzungsänderungen von Gebäuden, die die Grenzabstände unterschreiten, eine Anwendung der Abstandsvorschriften nur in Betracht komme, wenn durch die neue Nutzung nachteiligere Auswirkungen als durch die bisherige Nutzung auf die abstandsrelevanten Belange zu erwarten seien.
III.Baugenehmigungspflicht von Nutzungsänderungen
18Nutzungsänderungen sind Baumaßnahmen im Sinne des § 2 Abs. 13 NBauO. Damit unterwirft die NBauO Nutzungsänderungen dem formellen und materiellen Bauordnungsrecht. Nutzungsänderungen bedürfen daher nach § 59 einer Baugenehmigung, soweit sich aus den §§ 60 bis 62, 74 und 75 nichts anderes ergibt.
19Nach § 60 Abs. 2 Nr. 1 gehören Nutzungsänderungen zu den verfahrensfreien Baumaßnahmen, wenn das öffentliche Baurecht an die neue Nutzung weder andere noch weitergehende Anforderungen stellt. Ferner sind nach § 60 Abs. 2 Nrn 2 und 3 eine Umnutzung bestimmter Räume verfahrensfrei.
Nach § 62 Abs. 1 Satz 2 bedürfen Nutzungsänderungen von baulichen Anlagen keiner Baugenehmigung, wenn die baulichen Anlagen nach der Nutzungsänderung den Anforderungen entsprechen, die in § 62 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 gestellt werden. Dazu gehört insbesondere die Erfüllung der Anforderungen nach § 62 Abs. 2. Die Vorschrift des § 62 Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung wenn es sich um Sonderbauten (§ 62 Abs. 1 Satz 3 oder um Nutzungsänderungen nach § 62 Abs. 1 Satz 4 handelt.