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Kapitel 5

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Cyrus Frankos rechte Gesichtshälfte zuckte unmerklich, als die Abteiltür aufgestoßen wurde. Er blickte kurz auf und sah einen schwarzen Schaffner mit zwei schweren Koffern den Mittelgang hinunterkommen. Hinter ihm schaukelte eine wuchtige ältliche Blondine mit einem dunkelbraunen Nerz um die breiten Schultern geschlungen und erteilte herrisch Kommandos. Cyrus roch den Schweißgeruch des Schaffners, als dieser an seinem Platz vorbei keuchte und unmittelbar danach das schwere Parfum der Blondine, die ihm einen hochnäsigen Blick zuwarf.

Cyrus schwitzte. Er saß in einem überfüllten Schnellzug von New York nach Washington und lehnte mit der Stirn an der angenehm kühlen Fensterscheibe und ärgerte sich, dass der Bourbon nur bis Baltimore gereicht hatte.

Er starrte auf vorbeihuschende, schmutzige Arbeiterquartiere mit bretterumzäunten Hinterhöfen, auf verdreckte Bahndämme und monotone Industrieanlagen. Der Krieg hatte Arbeit gebracht. Die dürre Zeit der großen Depression schien Jahrhunderte her zu sein. Die Schornsteine qualmten allerorts und das Leben pulsierte auf den Straßen der Vereinigten Staaten.

Cyrus erinnerte sich an die bleierne Untätigkeit der Vorkriegsjahre. An die nicht enden wollenden Schlangen vor den Suppenküchen der Wohlfahrt. An distinguierte Herren, die in maßgeschneiderten Anzügen selbstgemalte Schilder mit der Aufschrift Suche Arbeit, mache alles! in der Hand gehalten hatten. An rappeldürre, verdreckte Kinder, lumpentragende Schwarze, verhärmte Frauen und weiße Männer in zerknitterten Jackets. Die Angst vor einer ungewissen Zukunft war ständig präsent gewesen, und das Land des unbegrenzten Optimismus hatte zum ersten Mal so etwas wie Zerfallserscheinungen gezeigt. Dass der Krieg, in den man 1941 eingetreten war, schließlich für die große Masse der Amerikaner so etwas wie Sicherheit brachte, hatte damals wohl niemand erwartet. Ironie des Schicksals. Der Krieg hatte alles verändert. Böse Zungen behaupteten, er sei überhaupt das Beste gewesen, was Amerika passieren konnte. Als Cyrus Washington erreichte, war er mehr als sicher, dass diese Stimmen recht hatten.

Es war irritierend für ihn, in der Washingtoner Union Station einfach aus dem Zug zu steigen. Ohne Angst. Er trug einen Koffer voller schmutziger Wäschestücke und eine zerstoßene Ausgabe von Tolstois Krieg und Frieden bei sich. Das war alles. Keine privaten Bilder oder Briefe, keine Zeitungen oder sonst etwas, dass ihn als Cyrus Franko erkennbar werden ließ - nur seinen Armee-Ausweis und den darin eingelegten Kommandierungsbefehl. Möglichst große Anonymität. Das hatte er verinnerlicht.

Cyrus kaufte sich Kaugummis und einen Stadtplan von Washington und trat aus dem Schatten der hohen Säulen der Union Station auf den Bahnhofsvorplatz. Dort schaute er sich suchend um, während er sich ein Kaugummi in den Mund steckte. Drei gelbe Linienbusse brieten mit weit aufstehenden Türen in der Mittagshitze eines wolkenlosen Sommertages. Dahinter leuchtete in einiger Entfernung die weiße Kuppel des Kapitols. Cyrus nahm den Stadtplan hervor und suchte die Busnummer, die ihn am schnellsten zum Kriegsministerium bringen würde.

Er fühlte sich unwohl. Hitze war er nicht gewöhnt. Sein Uniformkragen kratzte und Schweiß lief ihm in Strömen den Rücken herunter. Es war tropisch heiß und Cyrus lockerte seine Krawatte. Langsam schlenderte er an den wartenden Taxis vorbei in Richtung Bushaltestelle. Drei amerikanische Flaggen schlugen träge klatschend an ihre Fahnenstangen, an deren Enden goldene Adler thronten. Er kam gerade rechtzeitig. Die Passagiere, die auf die Abfahrt ihres Busses gewartet hatten, wurden vom Fahrer aufgerufen, einzusteigen.

Der Bus brauchte ungefähr eine Stunde zum neu erbauten Kriegsministerium und schaukelte mit dröhnendem Motor kreuz und quer durch die Stadt. Er füllte sich beharrlich und die Hitze stieg. Zu spät hatte Cyrus außerdem bemerkt, dass er sich ausgerechnet auf den Platz über den Motor gesetzt hatte, und so begann sein Hintern nach kurzer Zeit zu kochen.

Schweißgebadet strandete der Bus endlich vor dem großen Südeingang des Pentagons, wie man den Bau aufgrund seiner fünfeckigen Form genannt hatte. Vom Busbahnhof aus betrat Cyrus erleichtert mit hunderten uniformierter Frauen und Männern der unterschiedlichsten Waffengattungen und Dienstgrade die große, kühle Wandelhalle, meldete sich mit seiner Kommandierung am Empfang und wurde nach einigen Nachfragen gebeten, noch etwas zu warten und solange Platz zu nehmen.

Nach etwa einer halben Stunde kam ein zartes Bürschchen auf ihn zu, stellte sich als Sergeant Kellerman vor und fragte ihn nach seiner Kommandierung. Das Kerlchen steckte in einer um seine Glieder schlotternden Uniform, las durch eine dick umrandete runde Brille gemächlich das Schriftstück und blickte den kaugummikauenden Cyrus immer wieder verwundert an. Der junge Sergeant hatte anscheinend einen Kriegsheld erwartet. Jemanden wie Clark Gable in einem Western, der, ein Zigarillo rauchend, auf das Auftauchen der Banditen wartete. Er schien über Cyrus' unspektakuläre Erscheinung enttäuscht. Schließlich verlangte der Sergeant noch den Armeeausweis und bat ihm zu folgen.

Sie gingen durch lange schmale Gänge, die immer wieder von gläsernen Schwingtüren unterbrochen wurden und wechselten, wie Cyrus glaubte, ständig die Richtung. Mit Rolltreppen ging es in höhere Etagen. Dann wieder rechts-links-rechts. An den Beschriftungen der Büros erkannte Cyrus, welche Armeezweige von hier aus in Europa verwaltet und dirigiert wurden. Allmählich wurden ihm die Ausmaße des Gebäudes bewusst, das nun seit etwa eineinhalb Jahren teilweise in Betrieb war.

Sie betraten den Teilkomplex der Army und erreichten kurz darauf eine Abteilungstür mit der Bezeichnung Army Corps of Engineer (USACE). Als das Kerlchen seine Schritte verlangsamte und schließlich vor einem Büro mit der Aufschrift Manhatten Engineer District (MED) Gen. Leslie R. Groves stehenblieb, waren sie gut zehn Minuten gelaufen. Der junge Sergeant klopfte kurz, steckte den Kopf in das Büro, sprach mit jemandem und trat wieder auf den Flur. Mit einem leichten Kopfnicken bedeutete er Cyrus, ihm in ein Besprechungszimmer am Ende des Flures zu folgen. Dort wies er ihn lässig auf einen Stuhl und drehte sich mit einem Blick der Geringschätzung noch einmal zu ihm um.„Warten Sie bitte noch einen Moment, Lieutenant. General Groves wird gleich bei Ihnen sein.“ Damit verließ er den Raum und schloss leise die Tür hinter sich.

Cyrus Franko stellte seinen Koffer unter ein Fenster und setzte sich. Langsam beschlich ihn das Gefühl, hier verkehrt zu sein. Er hatte damit gerechnet, zum G2, dem Geheimdienst des Generalstabs für irgendeine Beraterfunktion abkommandiert zu werden. Was an sich schon unüblich war. Die verschiedenen Nachrichtendienste G2, CIC und OSS mochten einander nicht besonders. Aber dies hatte nichts mit alldem zu tun. Zu Cyrus' Verwunderung saß er im Besprechungsraum eines Truppenteils, der sich mit Logistik, Brücken und anderen Bauten beschäftigte. Und General Groves? In einer kurzen Beschreibung des Pentagons, die er im Bus gelesen hatte, um sich von seinem kochenden Hintern abzulenken, war ein General Groves als der Erbauer des Pentagon aufgeführt gewesen. Wenigstens war es hier genauso kühl wie in der Eingangshalle. Cyrus holte seinen Kaugummi aus dem Mund, wickelte ihn in ein Stück Papier und warf ihn in einen Papierkorb.

Manhatten Engineer District, fragte sich Cyrus lächelnd. Was hatte er mit in einer Ingenieurs-Einheit aus New York zu tun? Sollte er Kurse in Brücken sprengen oder Tunnel sabotieren geben? Ein Planspiel zu einer imaginären deutschen Invasion entwickeln? Wahrscheinlich war das alles eine Verwechslung. Er war hier definitiv fehl am Platze.

Er grübelte noch, als unvermittelt die schwere Flügeltür von Sergeant Kellerman aufgestoßen wurde, und zu seiner Verwunderung der Kriegsminister der Vereinigten Staaten, Stimson, der Generalstabschef der Army Georg C. Marshall, ein Zivilist und ein weiterer General, bei dem es sich wohl um Groves handeln musste, eintraten. Sofort sprang Cyrus auf die Beine und salutierte. Seiner Verwirrung wich Verblüffung.

„Lieutenant Franko, bitte nehmen Sie Platz. Wir sind hier nicht in West Point.“ Mit einer abwehrenden Handbewegung verlieh der Kriegsminister dem Gesagtem Nachdruck und setzte sich mit einem leisen Seufzer an den langen Konferenztisch. Henry Lewis Stimson war in seinen Siebzigern, aber sein Blick war klar und durchdringend. Cyrus erkannte einen Mann, der sich zweifelsfrei sehr schnell ein genaues Bild seines Gegenüber machen konnte, das bestimmt nur in den seltensten Fällen einer Revision bedurfte. Interessiert, mit einem forschenden Gesichtsausdruck musterte ihn der Kriegsminister. Cyrus fühlte Unsicherheit aufsteigen, nahm die salutierende Hand langsam hinunter und setzte sich auf seinen lederbezogenen Stuhl.

„Wir lassen hier das Army-Zeremoniell ein wenig beiseite. Sonst kommen wir vor lauter Salutiererei nicht mehr zum Arbeiten.“

„Wie Sie wünschen, Sir“, antwortete Cyrus, der in den letzten Jahren immer weniger mit militärischem Gehabe anzufangen wusste. Er zog seine Uniformjacke zurecht und faltete seine Hände vor sich auf dem Tisch. Gottseidank konnten die Anwesenden aufgrund der Größe des Tisches seine leichte Fahne nicht riechen. Hoffte er.

„Bevor ich Sie darüber informiere, warum wir Sie herbestellt haben, möchte ich Ihnen kurz die Anwesenden vorstellen.“ Stimson deutete mit einem Nicken auf den Mann zu seiner Linken. „Nun gut. Dieser Herr hier ist Dr. Vannevar Bush, Direktor des O.S.D.R. Ich lasse die genaue Bezeichnung beiseite. Tut nichts zur Sache.“ Ein leichtes Schmunzeln lag auf den Gesichtern der Anwesenden, und Cyrus entspannte sich etwas.

„Nur soviel: Dr. Bush ist der wissenschaftliche Berater des Präsidenten.“ Cyrus schaute zu Bush herüber und erblickte einen schmalen Herrn, der ihn entfernt an Stan Laurel erinnerte. Mit dem Unterschied, dass Bush eine dünnrandige Brille trug, gemächlich eine schlanke, kirschfarbene Pfeife rauchte und ganz dem Bild des gebildeten Intellektuellen entsprach. Er blickte etwas gelangweilt zu Cyrus herüber und klopfte mit feingliedrigen Fingern unhörbar auf den Tisch. Das alles hier schien ihn nicht wirklich zu interessieren.

„Ihren Gegenüber müssten Sie auf jeden Fall kennen: Der Generalstabschef der Army, Georg C. Marshall und, wie ich aus gut unterrichteten Schmierfink-Kreisen bei Time Life gehört habe, einer der hoffungsvollsten Anwärter auf den Titel Mann des Jahres.“ Cyrus hörte einen leicht ironischen Unterton bei Stimson heraus.

„Sie sind bloß eifersüchtig, Henry“, brummte der Generalstabschef und musterte dabei Cyrus mit der gleichen offenen Neugier, wie zuvor Stimson.

„So wird es sein!“, stellte der Kriegsminister mit einem Schmunzeln fest und wandte sich dem vierten Mann zu, der neben Marshall saß und von allen der Jüngste war. Er machte einen massiven, kräftigen Eindruck und blickte mit starrer Miene zu Cyrus herüber.

„Und zu guter Letzt der wohl wichtigste Mann für das Thema, welches uns hier zusammengeführt hat: Brigade General Leslie R. Groves. Ich hoffe, das R. steht nicht für Ruben, Leslie? Ich hatte einen grässlichen Cousin, der Ruben hieß.“

„Nein Mr. Secretary. R steht für Richard. Der Name meines Großvaters.“, antwortete Groves, ohne etwas von seiner Reserviertheit abzulegen.

Stimson wandte sich lächelnd Cyrus zu.

„Nun, Lieutenant, da sie jetzt alle Anwesenden kennen, fragen Sie sich sicher, was das alles hier zu bedeuteten hat. Zu Beginn möchte ich noch betonen, daß dieses Gespräch natürlich der höchsten Geheimhaltungsstufe unterliegt. Top Secret A1!“

Der Verteidigungsminister blickte Cyrus fest in die Augen und seine dunklen Brauen hoben sich, als hätte er eine Frage gestellt. Dann fuhr er fort, und seine Stimme wurde fast zu einem Flüstern. „Lieutenant, haben sie schon mal etwas von einem Manhatten-Projekt gehört?“

Cyrus überlegte kurz, blickte unsicher in die Runde und antwortete:

„Nein Sir! Ein Projekt diesen Namens ist mir nicht bekannt.“

„Ein Zeichen, dass die Geheimhaltung funktioniert, General Groves“, rief Stimson gut gelaunt und blickte auf Groves, dessen Kopf kurz zustimmend nickte.

„Das Manhatten-Projekt ist von uns initiiert worden, um, sagen wir, besonderen Bedrohungen von Seiten Hitler-Deutschlands entgegenzutreten. General Groves hier ist der leitende General des Projektes.“

Cyrus bedachte Groves mit einem kurzen Seitenblick. Der General musterte ihn immer noch, aber er wirkte etwas entspannter.

„Dieses Projekt ...“, fuhr Stimson fort, „... seine Arbeit ist von entscheidender Bedeutung für den Verlauf des Krieges in Europa und im pazifischen Raum. Es soll uns vor üblen Überraschungen schützen. Überraschungen der wirklich gefährlichen Art“, Stimson hielt kurz inne.

„Darf ich fragen, um was es sich dabei genau handelt?“, fragte Cyrus unsicher. Anstelle Stimsons antwortete Groves.

„Nein, jedenfalls nicht im Detail. Sagen wir, dass wir alle Aktivitäten der Achsenmächte überprüfen, die von unseren anderen Geheimdiensten nicht eingeordnet werden können. Die landen dann bei uns.“ Sein Blick schwenkte herüber zu Stimson.

Cyrus war unversehens unwohl zu Mute. Er kam sich vor wie ein Schuljunge, der etwas ausgefressen hatte und nun vom Rektor verhört wurde.

„Wir würden stattdessen gerne etwas von Ihnen hören, Mr. Cyrus“, fragte Stimson in die Stille hinein.

„Ich denke, da der Verteidigungsminister sie alle hier im Raum vorstellt hat, mich aber nicht, werden sie alle meine Akte gelesen haben und genau wissen, womit ich in der letzten Zeit beschäftigt war.“

„Oh, das wissen wir“, schaltete sich Marshall ein und hielt dabei einen braunen Aktendeckel hoch, „wir wissen Ihre Arbeit auf dem Kontinent wirklich zu schätzen. Großartige Arbeit. Sie haben bewiesen, dass Sie Nerven haben. Insgesamt vier Einsätze über mehrere Monate. Und die Nazis haben Sie nicht geschnappt. Meine Hochachtung. Daher haben wir Sie auch ausgewählt, über Nazi-Deutschland abzuspringen!“

Cyrus erschrak unmerklich. Daher also wehte der Wind.

„Ihre militärische Reputation steht zwar außer Zweifel,“ Groves übernahm wieder das Wort, „aber wie sieht es mit Ihrer politischen Einstellung aus? Ihre Mutter ist Deutsche, ihr Vater Italiener. Sie sind ja eigentlich nur ein halber Amerikaner.“

Cyrus war irritiert. Er hatte sich sofort nach Kriegsbeginn freiwillig gemeldet um zu zeigen, dass er loyal zu Amerika stand und nicht mit dem Deutschen Reich sympathisierte. Seit dem Überfall auf die Tschechei war man deutschstämmigen Amerikanern gegenüber äußerst reserviert. Die meisten verheimlichten es so gut es ging.

Er schaute Groves an und erkannte dessen steinernes Gesicht. „Ich denke, ich habe durch meine Einsätze hinlänglich bewiesen, dass ich keine Probleme habe, Deutschland, das Land meiner Mutter, zu bekämpfen wenn mein amerikanisches Vaterland es verlangt. Sir!“

Dr. Bush schaltete sich mit einer Bemerkung ein. „Lieutenant Franko, nehmen Sie es nicht persönlich, General Groves ist sich nicht sicher, ob Sie nicht zu germanophil sind. Der General hält nationale Herkunft für fest im Gehirn eines jeden Menschen implementiert. Kommt dieser Mensch dann in eine nationale Gefahrenzone wie der deutschen, wird er wieder das, was er sowieso zur Hälfte von Geburt an war. In Ihrem Fall zum Deutschen oder im günstigsten Falle zum Sympathisanten. Habe ich Ihre Befürchtungen richtig wiedergegeben, General Groves?“, fragte Bush, lehnte sich zurück und schob sich die Pfeife mit einem leichten ironischen Lächeln in den Mundwinkel.

Cyrus verzog keine Mine, merkte aber, dass Dr. Bush ein unsichtbares Ventil in ihm geöffnet hatte. Seine Verärgerung wich. Betont sachlich sprach er in Richtung Groves. „Wenn General Groves Probleme hat, mich für einen Auftrag nach Deutschland zu schicken, soll er es halt lassen. Ich für meinen Teil fühle mich als Amerikaner und nicht als Deutscher. Nicht, nach dem was ich in Italien und Frankreich getan, gesehen und gehört habe.“

Groves ließ sich nicht beirren.

„Sie haben bis zu Ihrer Meldung als Freiwilliger dem deutschen Debattierklub in der University of Chicago angehört! Sie haben Deutschland in diesen Debatten vehement verteidigt. Hitler sei nur eine Verirrung, Deutschland würde seinen Irrtum einsehen, es sei nur eine Episode, usw.“

„Ich habe mich geirrt!“

„Viele Ihrer Kommilitonen sind nach Spanien gegangen, haben gegen den Faschismus gekämpft und sind dort gefallen. Warum nicht Sie?“

„Ich war nicht ihrer Meinung. Ich war auf Seiten Deutschlands. Wie übrigens viele meiner Kommilitonen. Ich bin kein Sozialist. Haben Sie denn in Spanien gekämpft, General?“

Cyrus wurde das Verhör durch Groves zu dumm, aber er beherrschte sich. Zu oft hatte er Leute in der Army kennen gelernt, die ihm mangelnden Patriotismus vorgeworfen und misstrauisch beäugt hatten. Er sprach zu gut Deutsch, das musste doch mit einer Liebe zu diesem brauen Drecksland einhergehen. „Hören sie, General! Ich habe auch mit Ihren echten, reinen Amerikanern, mit den White Anglos Saxon Protestants, die ebenfalls im Debattierklub waren, die Reden von Hitler, Goebbels und Görings im Radio gehört. Irgendwann waren wir alle empört. Auch ich. Falls das nicht in Ihrem Bericht steht. Zuerst ging es nur darum, die Deutschen von den Lasten des Versailler Vertrages zu befreien. Deutschland wieder zu einem vollwertigen Mitglied der Völkergemeinschaft zu machen. Aber dann zeigte Hitler sein wahres Gesicht. Ich bin nun mal Germanist. Deutschland fasziniert mich. Hat es immer. Seine Geschichte, seine Ideen, seine Denker. Die Leidenschaften. Deshalb bekämpfe ich all das, was Deutschland nicht ist. Und deshalb habe ich mich freiwillig gemeldet und das obwohl ich, Ihrer Meinung nach nur ein halber Amerikaner bin.“

Cyrus verschwieg seine tiefe Enttäuschung über den Fall Deutschlands in die Barbarei, die ein wesentlicher Grund für seine Entscheidung war, den Spezialtruppen des OSS beizutreten. Es war das Gefühl, hinter einem schönen Mädchengesicht einen hässlichen Charakter entdeckt zu haben. Das hatte ihn maßlos erschreckt und enttäuscht.

Verteidigungsminister Stimson schaltete sich ein. „General Groves. Wir wissen alle, dass es keinen Grund gibt, Lieutenant Franko zu misstrauen. Er dient seit zweieinhalb Jahren in der Armee, ist 'zig Mal überprüft worden und hat bisher ohne irgendwelche Beanstandungen gefährliche Aufträge für uns ausgeführt.“ Stimson wandte sich an die Runde. „Aber ich verstehe auch die Bedenken des Generals. Auf seinen Schultern liegt eine große Last. Dennoch dürfen wir nicht anfangen, uns in jeder Hinsicht zu misstrauen. Die Qualifikation von Lieutenant Franko standen und stehen für mich außer Zweifel. Zumal wir nicht solch' große Auswahl haben, wie General Groves vielleicht denkt.“

Stimson wandte sich an Cyrus. „Lieutenant! Wären Sie bereit, einen Auftrag anzunehmen, der Sie zweifelsohne in Lebensgefahr bringen wird?“

Cyrus blickte in die Runde und blieb an Groves missmutigem Blick hängen. „Sicher, Sir. Dafür habe ich mich gemeldet.“

„Gut“, antwortete Stimson erfreut und schaute auf seine Uhr, „dann sollten wir unverzüglich beginnen. General Groves! Bitte!“

Der General erhob sich übellaunig und stellte sich an das leere Ende des Konferenztisches. Er räusperte sich kurz, dann begann er:

„Am 21. Juli, in den frühen Morgenstunden, ist an der Ostküste Englands ein Flugzeug abgeschossen worden. Leider Gottes muss man sagen. Denn das Radar hatte es als ein allein fliegendes Objekt identifiziert und es für eine V1 gehalten. Also haben sie es runter geholt. Es war natürlich keine Flugbombe, sondern ein Vorkriegsprivatflugzeug, das die Deutschen heute wohl nur noch als Kuriermaschine für besondere Befehle benutzen. Geflogen wurde dieses Ding, und das ist in der Tat seltsam, von einer jungen Frau. Die Nazis wollen ihre Frauen lieber an den Kochtöpfen und nicht in der Luft sehen. Es gibt eigentlich nur ein paar Pilotinnen in sogenannten Überführungsgeschwadern und einige, mit denen sie angeben. Wie dem auch sei, die junge Frau war tot. Hatte sich bei der Bruchlandung auf einem Acker das Genick gebrochen.

Sie hatte nichts dabei. Keine Papiere, keine Tasche mit Unterlagen. Nur ein Namensschildchen in ihrer Fliegerkombination, die ihr viel zu groß war, und deshalb wohl nicht ihr gehörte. Dann noch eine kleine Bleischachtel, in der ein gelblicher Steinbrocken steckte. Alles seltsam, aber anscheinend für unsere britischen Verbündeten kein Grund, vom herkömmlichen Verfahrensweg abzuweichen.“

Groves schüttelte ungläubig den Kopf, machte eine Pause und räusperte sich. Dann fuhr er sich mit der Zunge über die Oberlippe. Er wirkte verunsichert, und eine kleine Antenne in Cyrus Kopf fühlte, dass Groves nicht ganz die Wahrheit sagte.

„Die Schachtel lag also ein paar Wochen in einer MI5-Filiale in einem Schrank. Der MI5 glaubte, dass die junge Frau eine geflüchtete Jüdin aus Holland oder sonst wo her gewesen sein musste und ließ die Sache auf sich beruhen. Irgendein junger Inspektor vom MI5 aber interessierte sich für die Schachtel und dessen Inhalt und ließ sie bei Marcus Oliphant und den Burschen von Tube Alloys in Birmingham untersuchen.

„Tube Alloys?“, fragte Cyrus

„Oh, das sind unsere englischen Vettern in diesem Projekt. Sie arbeiten eng mit uns zusammen.“

Cyrus nickte.

„Was dabei herauskam, machte den Briten ziemlich Feuer unter dem Hintern. Es handelte sich um einen Brocken Urangestein.

Wir wissen, dass die Deutschen Uranminen haben. In Belgien, in der Tschechei, Ungarn, vielleicht hatten sie auch in den eroberten Gebieten der Roten welche. Aber die Art des Urans, die das Mädchen mit sich führte, ist ... gelinde gesagt eine kleine Sensation. Es handelt sich ...“

Dr. Bush unterbrach in rüde. „General, vielleicht ist es an der Zeit, dem Lieutenant doch ein paar Details zu erklären. Sonst wird er unsere Sorge über den Fund nicht nachfühlen können. Sie zäumen das Pferd ja von hinten auf.“

Groves stierte böse auf den Berater des Präsidenten, schluckte kurz und wandte sich wieder Cyrus zu. „Wissen Sie, was ein Atom ist, Lieutenant?“

„Natürlich! Das kleinste uns bekannte Teilchen in der Natur“, sagte Cyrus kurz.

„Richtig, und wie wir dachten, nicht spaltbar. Unveränderlich. Haben wir bis '38 auch fest geglaubt, aber dann kam dieser beunruhigende Aufsatz aus Deutschland. Von Hahn und Straßmann. Darin beschrieben sie, dass Uran in Barium umgewandelt werden kann. Bevor wir das hier in den Staaten verstanden, setzten sich in Schweden zwei Physiker, Robert Frisch und seine Tante Lise Meitner, eine ehemalige Mitarbeiterin von Hahn, zusammen und versuchten den Aufsatz zu verstehen. Frisch hat es mir selbst erzählt. Sie gingen also in einen Wald, setzten sich auf einen Baum und malten zwei Zeichnungen. Jeder so, wie er den Aufsatz verstand. Dann tauschten sie ihre Zeichnungen untereinander aus und verstanden sie nicht. Bis sie erkannten, dass sie das Gleiche gezeichnet hatten, nur aus zwei unterschiedlichen Blickrichtungen. Als sie das verstanden hatten, sahen sie ein Uran-Atom! Gespalten. Drei Tage später gaben sie dem Kind einen Namen. Fission = Spaltung. Bis Mitte Januar hatte jeder ernst zunehmende Physiker begriffen, was das bedeutete.

Ein paar Leute sahen ziemlich schnell, dass man dieses Wissen auf zweierlei Art nützen kann, denn eine Fission setzt enorme Energien frei. Möglichkeit A: Man kann damit Atommaschinen bauen, die praktisch über Jahre laufen. Möglichkeit B: Man kann damit eine Bombe bauen, die die herkömmliche Zerstörungskraft des bekannten Sprengstoffs etwa um den Faktor tausend überbietet. Und das ist, wie sie wahrscheinlich als Sprengstoffspezialist wissen, eine ganze Menge.“

Groves griff nach einer kleinen Flasche Wasser, die auf dem Tisch stand und trank daraus mit kräftigen Zügen. Dann fuhr er fort.

„Die praktische Umsetzung ist natürlich mit enormen Problemen behaftet. Vor allem die Separation des Urans zur Herstellung eines bombenfähigen Stoffes. Unsere Regierung hat sich daher auch dagegen ausgesprochen, solch eine Forschung zu finanzieren. Zu kompliziert, zu langwierig. Wir kriegen die Deutschen und Japaner auch so klein.

Bis jetzt hatten wir darüber hinaus keine Informationen, dass die Fritzen tatsächlich an so einem Ding basteln. Sie haben sich recht ruhig verhalten. Keine Überläufer, die uns was erzählt hätten, keine auffälligen Versuchsanlagen, keine Berichte von Testexplosionen, nichts, was man aus der Luft fotografieren könnte. Wir waren schon dabei, unsere Vermutungen hinsichtlich ihres tatsächlichen Wissensstandes zu korrigieren. Und da taucht plötzlich dieses Flugzeug auf. Mit einer kleinen Rothaarigen und einer Bleischachtel Uran. Und jetzt brennt die Hölle.“

Der General schaute entgeistert in die Luft und rang seine Hände. Cyrus nutzte die dadurch entstehende Pause und warf eine Frage ein. „Da es, so denke ich, Rothaarige auch in Deutschland in größeren Mengen gibt, ist die Bleischachtel mit Urangestein anscheinend das Problem. Das verstehe ich doch richtig?“

„Oh ja, verdammt noch mal. Ja!“ Groves haute mit der Hand auf den Tisch. „Dieses Urangestein hat eine ganz andere Zusammensetzung, als das uns bekannte. Es hat bereits einen Anreicherungsgrat von fast 15 Prozent anstelle der normalen O,7. Das heißt, die Deutschen könnten mit sehr viel weniger Aufwand zum Ziel kommen, eine solche Bombe zu bauen. Das ist beängstigend.“

„Hatte das Mädchen außer dem Brocken noch etwas bei sich?“, fragte Cyrus.

„Nein, das Cockpit hatte Feuer gefangen und dabei müssen eventuelle Unterlagen zerstört worden sein. Wir haben nur den Stein. Sonst nichts“, erwiderte Groves kurz. „Und einen Namen!“

„Welcher Name?

„Ein gewisser Leutnant Grewe. Namensschild an der Fliegerkombination der Toten. Aber das kann Zufall sein.“

„Sehr beängstigend“, wiederholte Army Chief Marshall noch einmal und stierte an Cyrus vorbei zum Fenster hinaus, während er hinzufügte: „Gerade jetzt, da wir in Frankreich gelandet sind und der Krieg Weihnachten vorüber sein kann, können wir uns keine Überraschungen mehr erlauben. Wir müssen wissen, was da drüben hinter dem Rhein los ist. Wie weit die Nazis mit diesen ... Atom-Forschungen sind.“

Cyrus versuchte seine Gedanken zu ordnen, gestand sich aber ein, nicht alles verstanden zu haben.

„Darf ich rekapitulieren, Sir?“

„Nur zu!“

„Da gibt es die Theorie zu einer Bombe, die auf neuen physikalischen Erkenntnissen beruht. Auf der Spaltbarkeit des Atoms und der Verwendungsfähigkeit als Waffe. Um aber eine Bombe zu bauen, brauchen man einen bestimmten Stoff, der nur in Urangestein zu finden ist. Genannt wird dieser Stoff Uran 235. Es ist schwierig diesen Stoff zu gewinnen, da er nur zu 0,7 Prozent in der Natur vorkommt. Die Deutschen aber besitzen, das wissen wir nicht genau ...“

Groves fiel ihm ins Wort.

„Aber es ist mit neunzig prozentiger Sicherheit anzunehmen ...“

„... die Deutschen besitzen also eine neue, bisher nicht bekannte Form von Uran, in der wesentlich mehr von diesem Uran 235 enthalten ist. Sie wären also weitaus eher in der Lage, ein solches ... Ding zu bauen. Wir nicht, auch wenn wir uns hier und jetzt entschließen würden, es ebenfalls zu versuchen. Richtig?“

„Richtig!“, bestätigte Groves.

„Wenn noch keine Nachrichten oder Informationen vom deutschen Projekt zu uns gedrungen sind, woher wissen wir dann überhaupt, dass sie sich dafür interessieren? Vielleicht sehen sie nur die Möglichkeit zum Bau eines ... Atom-Motors.“

Groves erhob sich aufgeregt und fuchtelte wie ein aufgeschreckter Oktopus mit seinen Armen in der Gegend herum.

„Die Deutschen müssen die Bomben-Option sehen! Die sind doch nicht blind! Neuartige Antriebe gut und schön. Aber der Abwurf von zwei, drei dieser Geräte auf England oder Russland beendet den Krieg, den sie bis jetzt definitiv verloren haben. Zusammen mit ihren Raketen, die sie da an der Ostsee und in Polen testen, können sie auch ein U-Boot vor unsere Küste schicken und uns so ein Ding direkt ins Weiße Haus liefern!“

„Und woher kommt diese neue Form des Urans?“, wollte Cyrus wissen, „... und wissen die Deutschen überhaupt davon? Vielleicht machen wir uns hier unnötig nervös und das Mädchen hat uns lediglich sagen wollen, dass die Deutschen noch nichts über dieses Uran wissen“, fragte Cyrus unbeeindruckt.

„Da können wir nur raten,“ entgegnete Groves lautstark. „Dieses Uran kann nur irgendwann durch einen Kometeneinschlag auf die Erde gekommen sein. Und die Deutschen haben Reste davon gefunden oder stehen kurz davor es zu tun. Was weiß ich! Auf jeden Fall war diese Zusammensetzung bis jetzt völlig unbekannt. Aber da es sich um einen unbehandelten Brocken handelt, muss er in irgendeinem Bergwerk gefördert worden sein. Die liegen nicht einfach nur herum. Die Deutschen wissen sicher davon.“

Dr. Vannevar Bush klopfte seine Pfeife lautstark in einen großen runden Glasaschenbecher aus und zog damit die Blicke auf sich. „Ich war wie Sie der Meinung, dass wir aus Sicherheitsaspekten annehmen sollten, dass Hitler an einer solchen Bombe baut, aber dass wir uns nicht eher verrückt machen, bevor wir nicht alarmierende Information aus Deutschland bekommen würden. Die Sache mit dem Flugzeug, dem neuartigen Uran und der, wie der General so unnachahmlich salopp sagte, kleinen Rothaarigen, ist allerdings überaus interessant. Denn ein Bild der toten jungen Dame haben wir unseren Exilanten gezeigt und ein paar deutsche und österreichische Wissenschaftler haben sie als Frauke Hiller identifiziert. Die Nichte des in internationalen Naturwissenschaftlerkreisen durchaus bekannten Professor Dr. Fritz Hiller. Eine schillernde Gestalt, wie ich betonen möchte.“

Vannevar Bush griff in seine Hosentasche, holte einen silbernen Tabakstopfer hervor und begann damit seine Pfeife zu bearbeiten. Im Raum herrschte Stille. Weit entfernt hörte Cyrus eine laute Maschine hämmern. Am Pentagon wurde noch gearbeitet.

„Der Name sagt Ihnen natürlich nichts, Lieutenant“, fuhr Dr. Bush fort, „aber wir haben es bei Mr. Hiller mit einem Wissenschaftler zu tun, der definitiv kein Nazi ist, aber trotzdem für sie arbeitet. Ob unter Zwang oder aus anderen Gründen können wir nicht sagen. Von einem deutschen Chemiker der '41 in die USA emigrierte, haben wir erfahren, dass Hiller ihm aufgetragen hat, unsere Regierung darüber zu informieren, dass die deutschen Physiker versuchen, Militär und Regierung so lange wie möglich vom Bau einer Atombombe abzuhalten. Ob diese Nachricht von Hiller allerdings authentisch ist oder nur von den Nazis lanciert wurde, um Verwirrung zu stiften, bleibt offen.

Der Lebensweg Hillers und die Flucht seiner Nichte mit einem Brocken dieses ... Super-Urans im Gepäck ist allerdings dazu angetan, seine Person in positiverem Licht zu sehen. Warum sollten uns die Nazis einen Brocken Uran mit dieser verblüffenden Eigenschaft zukommen lassen? Dass dieses Uran existiert, ist an sich schon die eigentliche beunruhigende Neuigkeit.“

General Groves mischte sich ein. Er war immer noch aufgeregt. Sein Gesicht zeigte eine leichte Röte. „Was Dr. Bush verschweigt ist, dass Hiller Kommunist ist. Er ist '33 in die Sowjetunion emigriert und hatte einen Lehrstuhl in Charkow in der Ukraine inne, bevor ihn die Roten während der großen Saubermachaktion in den 30ern in die Lubljaka verfrachteten und ihm dort übel mitspielten. Zwei Jahre hat er dann noch in Straflagern verbracht. Die vom russischen NKWD haben mit seinem Kopf wer weiß was angestellt. Einem solchen Mann ist nicht zu trauen.“

„Und jetzt sitzt er in Deutschland und forscht am Nazi-Atomprojekt?“ Cyrus schaute zu Dr. Bush herüber. Er war der entschieden sympathischere Gesprächspartner.

„Die Deutschen haben ihn 1940 während der kurzen Liason mit Stalin zurückbekommen. Ein paar seiner alten deutschen Kollegen haben ihn sofort als kriegswichtig angefordert und so ist er um eine weitere Inhaftierung, vielleicht aber auch um seine Ermordung herum gekommen. Ich habe hier ein Dossier mit genauen Informationen über Hiller. Lesen Sie sich's durch. Wichtig ist, dass dieser Mann für uns glaubwürdig ist, obwohl sein Vater und Bruder stramme Nazis sind. Leider wissen wir nicht, wo er sich aufhält und woran er arbeitet. Aber dass er uns etwas über dieses Super-Uran erzählen kann, steht außer Frage. Wenn wir ihn finden.“

„Ich soll also 'rüberfahren, diesen Hiller finden und ihn fragen, worum es sich bei diesem seltsamen Uran handelt und wie es mit der deutschen Atombombe aussieht? Das wäre alles?“

„Ja!“ nickte Dr. Bush und blickte erst zu Stimson und dann zu Marshall herüber. Die Männer nickten stumm.

Für eine Minute herrschte Stille.

„Bin ich der einzige Agent mit solch einem Auftrag? Oder gibt es einen Sicherungsmann?“

„Nein“, antwortete Groves schnell und ergänzte nach einer Pause, „wir haben auf die Schnelle keine geeigneten Leute gefunden. Sie sind allein. Werden Sie es machen?“

Cyrus überlegte und schaute in die Runde. Alle vier Männer, auch General Groves, blickten ihn ausdruckslos an. Er hatte das Gefühl, vor einem Erschießungskommando zu stehen.

Als die Landung in der Normandie begonnen hatte, war er sich sicher gewesen, dass man ihn nach Hause lassen würde. Er wollte ein Buch schreiben, egal worüber; sich um eine Lehrerstelle in einem ruhigen College irgendwo an der Ostküste bewerben. Der Krieg sollte aus seinem Leben verschwinden. Aber würde er das, wenn die Informationen, die er eben erhalten hatte, zutreffend waren?

„Ich werde gehen!“, sagte er mit einem seltsamen Gefühl der Panik, das ihn hart schlucken ließ.

„Gut. Sehr gut!“, schmetterte Groves und schlug mit der Faust auf den Tisch.

Cyrus aber hatte das untrügliche Gefühl, dass man ihm eben die Augenbinde gereicht hatte.

Kleine Sonne

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